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Blues Bootcamp: Vier gewinnt – Upper Structure Denken

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Greetings and salutations, my dearest Blues friends! Na, was geht ab bei euch? Es ist Mitte August 2024 und am Abgabetag der neuen Kolumne habe ich Geburtstag. BÄÄM. 58 Jahre. Egal, und eigentlich sowieso irgendwie erst drei, aber das ist eine ganz andere Geschichte….

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Mit unserem gewohnten Blues-Programm pausieren wir jetzt mal ein paar Monate, damit der Krempel sich nachhaltig an euch heften kann. In einigen der vergangen Folgen, habe ich so kleinere Themen-Fässer angeschubst, ohne sie – in der Regel aus Platzgründen – näher zu erklären. Dies werde ich in den kommenden Episoden nachholen.

GITARRENPETER 1.0. WIRD ZU GITARRENPETER 2.0

Diejenigen, die meine bescheidene Karriere schon länger verfolgen, haben sicher registriert, dass sich mein Spielstil und meine musikalische Ausrichtung in den letzten, sagen wir mal gut zehn Jahren, doch deutlich verändert hat.

In dieser Phase der gründlichen, gitarristischen Neuausrichtung (weg vom Rock und Pop, hin zum JazzBluesCountryRetroIrgendwas-Mix) hat sich die Gitarrenszene und auch das ganze Musikbusiness mit seinen Karriereoptionen massiv verändert. Die gewohnten Strukturen sind so gut wie weg und heute läuft jede Karriere über irgendeine Form von Social Media.

Und in welchem rasanten Tempo sich Formate ändern und immer wieder neue SEHR junge und brutal virtuose Gitarristen darum kämpfen, wahrgenommen zu werden… da wurde es vor gut 10 Jahren dringend Zeit für mich, für die Veränderung vom WAS zum Wie.

VOM WAS ZUM WIE

Ehrlich gesagt – ich kann und WILL mich heute gar nicht mehr simultan um alle Themen kümmern, die die E-Gitarre für mich theoretisch bereithält. Gut, zugegeben in der Vergangenheit, HABE ich mich natürlich auch schon mit echt vielen Themen auseinandergesetzt. Vieles von dem schlummert zwar auch noch irgendwo rum und ist mit etwas Vorlauf noch einigermaßen abrufbar, interessiert mich aber eigentlich nicht (mehr). Die Themen, DIE mich heutzutage noch beschäftigen und die ich in vergangenen Episoden angerissen habe sind:

• Upper Structure-Denken

• Blues-Artikulation auf meinen Vintage Instrumenten

• Alterierte Akkorde

• Chromatik

Ich finde es wichtig, sich der Frage zu stellen – vor allen Dingen, je älter man wird – WIE man klingen möchte und welches Geräusch und welche Musik entstehen soll, wenn man das Instrument in die Hand nimmt und spielt. Wenn man eine Ahnung davon hat, kann man viel leichter sortieren und entscheiden, wofür man Lebenszeit investiert.

Zu abstrakt? Ein Beispiel: sagen wir mal, der Wunsch wäre, moderne Blues-Gitarre im Stil von Joe Bonamassa oder Robben Ford spielen zu können. Dann wären so populäre Gitarrenthemen wie Legato-Technik, Stringskipping, Two-Hand-Tapping, exotische Tonleitern und viele andere mehr komplette Zeitvergeudung, und selbst so Themen wie Harmonisch und Melodisch Moll oder symmetrische Tonleitern hätten gar nicht die Priorität, die oft erzählt und angenommen wird.

So offensichtlich sich das jetzt hier vielleicht lesen mag, vielen (Hobby-)Gitarristen ist das gar nicht so klar. Die gehen oft davon aus, dass sowieso all ihre Helden und Vorbilder ALLES aus dem FF beherrschen. Die Wahrheit könnte kaum anders sein.

DAS WIE UND DAS WAS

Wie schon gesagt, man muss nicht alles im Schlaf beherrschen, es kommt immer auf die Interessen an – und ja, auch hier gilt: You are what you eat! Man muss aussortieren und unbedingt die Dinge intensiv üben, die man von sich hören will. Also WIE will ich klingen und WAS brauche ich dafür.

Abgesehen von solchen stilistischen Erwägungen gibt es meiner Meinung nach einige grundlegende Elemente, die man beherrschen sollte:

• Töne auf dem Griffbrett

• Basisakkorde mit dem Grundton auf der E- und A-Saite

• 5 CAGED Positionen Bluestonleiter

• 5 CAGED Positionen der Durtonleiter Damit kommt man schon recht weit. An die Infos dazu kommt man.

MEIN ERSTER SCHRITT …

… war eigentlich ein für mich sehr schwieriger. Mich von der Tonleiter-basierten Improvisation, wie ich sie als Kind der 1980er mit großem Vergnügen zig Jahre gerne betrieben habe, zu Gunsten einer Akkord-bezogenen Spielweise zu lösen, war ein großes Unterfangen. Also tschüss Drei-Noten-Pro-Saite-Skalen und hallo …. Äh? Hallo AKKORDTÖNE! Bei dieser Reise, bin ich sehr schnell auf ein Konzept gestoßen, dass Upper-Structure-Chords heißt, was man sowohl im Akkordspiel wie auch beim Improvisieren einsetzen kann. Die Idee dahinter ist folgende:

Man kann komplexe Akkorde oder ihre Wahrnehmung dadurch etwas vereinfachen, dass man die oberen vier Töne vom Rest abtrennt. Man erhält dann einen in der Regel leicht zu verstehenden Vierklang (Upper Structure genannt) sowie den Grundton bzw. die restliche Basis des Akkordes.

In Beispiel 1 gibt es Erklärungen dazu: Ein Am9 ist ein Fünfklang, der aus den Tönen A C E G H besteht. Trennt man nun die oberen vier Töne ab, erhält man eine obere Struktur (C E G H = Cmaj7) plus den Basston A. Einen Am9 könnte man also auch als einen Cmaj7 Akkord mit A als Basston verstehen.

Ein Am11 ist ein Sechsklang, der die Töne A C E G H D enthält. Mit unseren beschränkten anatomischen Möglichkeiten (nüchtern betrachtet nur vier vollwertige Finger zum Greifen) sieht es da schon recht mau aus, wenn man den mal komplett greifen möchte. Das geht auf der Gitarre eigentlich gar nicht wirklich, weshalb in der Regel IMMER Akkordtöne weggelassen werden müssen.

Trennt man die oberen vier Töne ab, entsteht eine obere Struktur (E G H D = Em7) plus die Akkordbasis. Um einen akzeptablen Am11 Klang zu erzeugen, reicht es, einen Em7 mit A im Bass zu spielen oder wenn ein Bassist o.ä. zur Verfügung steht, sogar nur den Vierklang. Got it?

Was mit Akkorden funktioniert, lässt sich auch auf die Sologitarre übertragen. Wie geht das? Mal einen kleinen Blick in mein Gehirn werfen? Es gibt für mich äußere und innere Musik. Wenn ich einen simplen Am-Akkord höre (äußere Musik), ziehe ich in mir – gedanklich – in meiner Vorstellung in Betracht, dass dies auch ein erweiterter Akkord wie ein Am11 sein könnte (innere Musik). Der besitzt ja durch seine Zusatztöne eine ganz andere Klangfarbe als ein normaler Molldreiklang. Ich nenne das gerne, dass er die gleiche Geschichte erzählt, nur mit blumigeren Worten.

Diese Innere Musik, die bei mir in der Regel auf Akkordklängen basiert, versuche ich dann durch Einzeltöne nach außen zu lassen. Freakig? Wie mache ich das? Richtig, mit Arpeggien. Zum Beispiel, in dem ich über einen Am-Akkord ein Em7 Arpeggio spiele. Dadurch „entsteht“ dann melodisch gesehen ein Am11-Klang, weil der Em7 die Klangfarbe gebenden Töne enthält. Verglichen mit dem Sound einer vertrauten Bluestonleiter klingt das radikal anders. Das mag ich. Fragen über Fragen…

Geht das fix von der Hand? Nö. Hat das bei dir schnell gut geklungen? Oh, Alter … NEIN! Lohnt es sich trotzdem? Auf jeden Fall! Wie kann ich das üben? So: Der erste Schritt besteht darin, die Klangfarben der Akkorderweiterungen kennenzulernen. In Beispiel 2 findest du eine Akkordfolge mit vier unterschiedlichen Moll7 Akkorden.

Nimm dir einen Groove mit dieser Akkordfolge auf. Groove, Style, Tempo sind egal an dieser Stelle. Zu umständlich? Keinen Bock? Auf der Gitarre-&-Bass-Homepage www.gitarrebass.de findest du Tracks, die ich vorbereitet habe. Gern geschehen!

Spiele über jeden Akkord seine jeweilige None als Einzelnoten-Tremolo, so wie im Beispiel notiert und präge dir den entstehenden Klang gut ein. Es hilft SEHR, wenn du die Töne mitsummst. Wirklich! Wiederhole den Vorgang als nächstes mit der 11 und der 13. (Siehe Beispiel 3 und 4).

Hier ist eine Variation dazu: Über jeden Akkord spielst du zuerst seinen Dreiklang und dann die die Akkorderweiterungen 7, 9, 11 und 13. (Siehe Beispiel 5). Ist dir schon aufgefallen, dass diese Erweiterungen einen Maj7-Akkord bilden?

Schritt 2: In Beispiel 6 findest du eine Grafik. Sie enthält folgende Informationen: in der oberen Zeile findest die Töne eines Am13- Akkordes inkl. Intervallbeziehungen. Es liegen die Töne von A-Dorisch zugrunde, also Am13 als zweiter Stufenakkord von G-Dur. Warum? Weil die dadurch entstehenden Klänge am populärsten sind.

Die Klammern bedeuten folgendes: Spielst du über einen Am7-Akkord ein Am7-Arpeggio (Basic Structure), bildest du einfach nur den zugrundeliegenden Akkord melodisch eindeutig ab. Spielst du die erste Upper Structure, das tonleitereigene Arpeggio von der Terz des Am7-Akkordes (in diesem Fall also Cmaj7) über den Am7, kommt eine neue Note hinzu – der Ton H/B und es entsteht der Klang eines Am9.

Die zweite Upper Structure (Tonleiter eigenes Arpeggio von der Quinte des Akkords, hier Em7) enthält bezogen auf den Akkord noch zusätzlich die 11. Ein Am11-Klang entsteht. Wird das System klar? Die dritte Upper Structure (tonleitereigenes Arpeggio von der Septime des Akkordes) enthält dann noch die 13.

In Beispiel 7 sind diese Arpeggien in der Nähe eines beliebten Am7-Voicings notiert. Spiel sie einfach mal über den Jamtrack. Dabei nicht vergessen die Tonarten mit zu wechseln (alle 8 Takte eine kleine Terz, also drei Bünde höher spielen).

Um die Qualität dieser Klänge schätzen zu lernen, ist es übrigens eine gute Idee, als Kontrast zwischen einem bekannten Sound wie der Bluesskala und den Arpeggien zu wechseln. So viel für heute. In der nächsten Episode wird es mit diesem Thema weitergehen. Viel Erfolg beim Üben, bei der Metamorphose und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer.

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2024)

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