
Greetings and salutations, my dearest Blues friends! Was geht ab bei euch? Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dem Solo und den Konzepten der letzten Episode zum Thema Chromatik. Damit wird es heute weitergehen. Das Konzept der letzten Episode bestand ja darin, die Lücken in altbekannten Tonleiterfingersätzen mit chromatischen Durchgangstönen aufzufüllen und dann einfach die Finger ein bisschen laufen zu lassen. Diesmal werden wir uns dem Thema Chromatik etwas systematischer widmen.
EIN KONZEPT MIT VIELEN NAMEN …
Für das Konzept dieser Episode gibt es in der Praxis unterschiedliche Namen, die aber alle das Gleiche meinen: Target Tones/Toning – Approach Notes – Embellishment – Neighbour Tones.
Die wörtlichen Übersetzungen für die Begriffe lauten:
Target Tones/Toning – Zieltöne anspielen
Approach Notes – (An)Näherungsnoten
Embellishment – Umspielung
Neighbour Tones – Nachbartöne
Die Idee dahinter ist immer, dass man eine Zielnote (in der Regel ein Akkordton) nicht direkt anspielt, sondern erst durch eine oder mehrere Noten richtig in Szene setzt. Diese Töne können entweder chromatischer Art sein oder aus der Tonart stammen. Die einfachste Art sich einer Zielnote zu nähern, ist von einem chromatischen Nachbarton tiefer. In Beispiel 1 findest du ein A7-Arpeggio mit diesem Konzept.
In fast allen Beispielsolos der letzten 30+ Episoden (und darüber hinaus wahrscheinlich in JEDEM anderen Solo), wirst du dieses Konzept an zahlreichen Stellen finden. Es ist die mit Abstand einfachste und bequemste Möglichkeit interessant klingende Töne, die nicht in der Tonart enthalten sind ins Spiel zu bekommen. Klingt auch einfach sehr natürlich. Du kannst diese tieferen, chromatischen Nachbartöne auf viele Art spielen. Entweder mit Hammer-Ons oder mit Slides, rhythmisch richtig ausgespielt oder als kurze Vorschlagnote. Klingt eigentlich alles gut!
Beispiel 2 ist dieselbe Akkordzerlegung, diesmal jedoch mit dem höheren, tonleitereigenen Nachbarton. In Beispiel 3 werden diese beiden Konzepte miteinander kombiniert und die Akkordtöne somit umkreist und umspielt. Das klingt erstmal recht leicht durchschaubar.
Dieser Eindruck verschwindet jedoch schnell, sobald man diese melodische Idee in konstanten Achtelnoten spielt (siehe Beispiel 4). Im Jazz und Blues, findet man noch zahlreiche andere und vor allen Dingen auch längere Umspielungsmelodien. Ich persönlich glaube ja daran, dass es eine gute Idee ist, dass man sich erstmal mit einer Idee vertraut macht und sich so lange mit ihr beschäftigt, bis man sie verinnerlicht hat, ehe man sich mit der nächsten Idee befasst.
Ich weiß, dass das in der heutigen Zeit, die durch ein absolutes Überangebot von Informationen und Ideen geprägt ist, eine sehr große Herausforderung ist. Aber wenn man sein Spiel wirklich nachhaltig verändern möchte, ist diese Begrenzung häufig am effektivsten. Aus den vielen Möglichkeiten habe ich für diese BBC-Episode zwei herausgepickt, die ich für sehr praktisch halte.

Die erste Umspielungsmelodie (Beispiel 5a) funktioniert hervorragend beim Grundton, der Quinte und der kleinen Septime eines beliebigen Akkordes. Melodie 2 (Beispiel 5b) klingt am besten bei der großen Terz eines Akkordes, sowie der Sexte und der None.
Wollte man mehrere Akkordtöne nacheinander umspielen, ist es ratsam, die jeweils erste Note wegzulassen, damit sich die einzelnen kleinen melodischen Zellen besser miteinander verketten kann. In Beispiel 6 findest du eine kleine Fingerübung, die alle Akkordtöne eines A7-Akkordes umspielt. Sie soll dazu dienen, diesen mit chromatischen Noten angereicherten Klang etwas besser zu erfassen. Würde man das in der Praxis so machen? Eher nicht, würde ich sagen. Um den gewünschten Effekt von mehr Klangfarbe zu erzielen, reicht es auf jeden Fall, wenn man nur kurze Ausschnitte davon benutzt.
In Beispiel 7 findest du einige kurze Licks, die aus einem abwärts gespielten A7-Arpeggio bestehen, bei dem ich jeweils den Anfangston umspielt habe. In Beispiel 8 gibt’s das Gleiche nochmal aufwärts. Der Einstiegston wird umspielt, und dann folgen kurze Blues-/Pentatonikfragmente. Klingt gut oder? Und ist sehr schnell einbaubar.

In Beispiel 9 findest du wie gewohnt ein kleines Solo über einen einfachen Dominant-Blues in A, diesmal jedoch wieder mit viel Chromatik. Enjoy! Hier ist wie immer eine kurze Analyse dazu:
- Takt 1 und 2: Zwei gängige Blues-Klischees werden von einer Approach-Note-Phrase eingeleitet.
- Takt 3 und 4: Das Lick hab ich mal langfristig von Country-God Brent Mason ausgeborgt.
- Takt 8 und 9: Über A7 spiele ich schon die Umspielungsidee für den E7 in Takt 9. Sorgt für etwas mehr tonale Spannung.
- Takt 10: Diatonische Nachbartöne von oben klingen schnell etwas banal. Das vergeht, wenn man Intervallsprünge einbaut!
- Takt 11 und 12: verschiedene Umspielungsmelodien für die Akkordtöne von A7 und E7
So viel für heute. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer!
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2025)