In dieser Folge möchte ich dir ein paar Tipps geben, mit denen du deine Greifhand-Technik überprüfen und verbessern kannst. Unabhängig davon, ob du schon viele Jahre Bass spielst oder das Low-End gerade erst für dich entdeckt hast. Egal, ob du vorher Gitarre gespielt hast oder dich ganz unbedarft den vier Saiten näherst, die Greifhand bzw. das Greifen der Töne stellt in punkto Spieltechnik die meisten Bassisten vor große Herausforderungen.
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Da spielen Themen wie das Spreizen der Finger, die Kraftausdauer, das „Collapsing“ der Finger oder auch die richtige Koordination und Unabhängigkeit der Finger eine große Rolle. Denn wann benutzt man schon seine „linke“ oder auch schwächere Hand für koordinativ schwierige Abläufe? Nie! Aber egal, wie kurz, lang, dick oder dünn unsere Finger sind, jeder kann eine gute individuelle Technik entwickeln. Der Anfang fühlt sich nur etwas unangenehm an.
Oft erlebe ich Teilnehmer in meinen Kursen, die sich im Laufe der Jahre mit ihrer ganz eigenen Greifhand-Technik arrangiert haben und sich, mal bewusst, mal unbewusst, interessante Bewegungsabläufe oder Haltungen angewöhnt haben. Diese bringen vielleicht kurzfristig Erfolge, und man kann erstmal unangenehme Haltungen vermeiden. Doch irgendwann stehen dann viele an dem Punkt, dass sie die Musik oder den Basslauf, den sie gerade so toll finden, mit dieser ganz eigenen Technik nicht spielen können, weil sie die Töne nicht erreichen oder nicht auf das entsprechende Tempo kommen.
HÄUFIGE FRAGEN
Wenn du zu dieser Gruppe gehörst und/oder einfach mal grundsätzlich Lust hast, dir über deine Greifhand Gedanken zu machen, dann habe ich ein paar Tipps für dich. Zuerst mal Folgendes: ich unterscheide grundsätzlich niemals – egal, welchen Bereich der Musik oder des Bass-Spielens ich beleuchte – zwischen talentiert oder untalentiert, sondern stets zwischen trainiert und untrainiert, oder zwischen bewusst und unbewusst. Und der trainierte oder nicht trainierte Status zeigt sich in den Bewegungen und Haltungen der Greifhand am deutlichsten.
Hast du dir vielleicht schon mal folgende Fragen gestellt?
1. Ist das „Ein-Finger-pro-Bund-System“ für mich besser oder der „Kontrabass-Fingersatz“? Meine Antwort wäre: Beide Techniken sind sinnvoll. Es kommt auf den Einsatzbereich und die Spielsituation an. Also nicht entweder oder, sondern bitte beide Techniken im Portfolio haben.
2. Soll der Daumen der Greifhand immer hinter dem Mittelfinger der Greifhand am Basshals liegen? Meine Antwort wäre: Nein, denn die Daumenposition ist nicht statisch festgelegt, sondern verändert sich dynamisch, je nach dem, an welcher Position du auf dem Griffbrett agierst. Dazu gehe ich in meinem Video genauer ein.
3. Soll ich mir nicht lieber einen Short-Scale-Bass kaufen, weil ich die Finger nicht so weit auseinanderbekomme? Meine Antwort wäre: Erfahrungsgemäß kann jede und jeder mit einer normalen Mensur klarkommen, wenn er/sie nur die richtigen Tricks kennt, eine solide Greifhandtechnik zu entwickeln und die nötige Ausdauer hat, diese anzuwenden und dranzubleiben.
AUSGANGSPROBLEM
Ich kann in diesem Format leider nicht alle Fragen zu diesem umfangreichen Thema final beantworten. Aber ich möchte dich ermutigen, mit der folgenden Übung mal auf Reset zu drücken und deine Greifhand neu zu justieren. Fang nochmal von vorne an! Es lohnt sich! Und noch eins vorweg: Es kann nicht alles sofort klappen. Es braucht Übung und Ausdauer. Das Zauberwort ist „Wiederholung“!
Jetzt zu meinem ersten Tipp: In vielen Videos, in denen es um die Haltung der Greifhand geht, wird die Positionierung der Greifhand fast immer vom Zeigefinger her aufgebaut. Soll heißen, dass der Zeigefinger zuerst aufgesetzt wird und danach die anderen Finger der Greifhand folgen. Es wird vom so genannten „Pinzettengriff“ gesprochen. Diese Herangehensweise finde ich sehr ungünstig.
Denn das, was so meistens passiert, ist, dass die Greifhand an dieser Pinzette „hängt“ und der Handrücken Richtung Kopfplatte wegkippt. Dadurch wird besonders der Weg des Kleinen Fingers zu seiner Greifposition auf dem Griffbrett sehr weit. Wege kosten Zeit und bergen Gefahren unsauberen Spiels. Es entsteht ein ständiges Schaukeln der Greifhand beim Spielen. Nicht die Finger bewegen sich und arbeiten, sondern hauptsächlich die Hand bzw. der Unterarm. Der Pinzettengriff fühlt sich anfänglich zwar komfortabel an, weil man es im Alltag gewohnt ist mit dem Zeigefinger zu agieren, doch auf dem Griffbrett sollen alle Finger gleichberechtigt arbeiten können. Gleich stark, flexibel und gut beweglich.
NEUSTART
Wenn du Lust hast, deine Greifhand mal neu zu „setzen“, probiere bitte mal Folgendes: Baue deine Greifhand doch mal vom Kleinen Finger aus auf. Und zwar in einer Lage, in der die Bünde nicht so breit sind. Ja, wir spielen Bass und wollen tiefe Töne spielen. Aber wir können eben ohne Übung und dem richtigen Training die Finger in einer der ersten Lagen noch nicht so weit auseinander bekommen, dass jeder Finger perfekt am Bundstäbchen sitzt. Nicht weil du grundsätzlich nicht in der Lage wärst, deine Finger entsprechend zu spreizen, sondern weil du eben ungeübt bist.
Deswegen beginnen wir erstmal in höheren Lagen und arbeiten uns dann Schritt für Schritt nach unten Richtung Kopfplatte. Denn dieser Kleine Finger, mit dem wir jetzt beginnen wollen, bringt neben dem Ringfinger häufig die größten Probleme mit sich, weil er eben der kürzeste und schwächste Finger ist. Er braucht mehr Training als der Zeigefinger und auch mehr Aufmerksamkeit. Du setzt also zuerst den Kleinen Finger mit der Fingerbeere am Bundstäbchen des 10. Bundes der D-Saite auf. Die Platzierung direkt am Bundstäbchen ist wichtig, um Nebengeräusche zu vermeiden. Außerdem musst du dort auch nicht so fest drücken wie z. B. in der Mitte des Bundes, um ein Schnarren der Saite am Bunddraht zu vermeiden.
Danach setzt du den Ringfinger im 9., den Mittelfinger im 8. und zuletzt erst den Zeigefinger im 7. Bund auf. So hat jeder Finger seinen Bund. Ist dir dieser Abstand schon zu weit, dann gehe vielleicht noch ein oder zwei Bünde höher. Meine Erfahrung sagt mir, dass diese kleine Übung für viele schon herausfordernd sein kann. Probiere es immer wieder, denn das aktiviert die Ringmuskulatur, die für die Spannweite verantwortlich ist.
Ganz zum Schluss setzt du den Daumen hinten am Hals an einer Stelle ab, die sich für dich angenehm anfühlt. Dabei könntest du darauf achten, dass das erste Daumengelenk (am Daumennagel) durchgestreckt ist (bitte nicht knicken) und der Daumen sich in der unteren Hälfte des Halses absetzt. Also ungefähr gegenüber der D-Saite. Diese Prozedur könntest du jetzt jedes Mal wiederholen, wenn du deinen Bass zum Spielen in die Hand nimmst. Denn so erinnerst du deine Finger immer wieder daran, sich in die richtige Position zu setzen, um nicht in die alten Bewegungsmuster zurück zu verfallen.
ÜBUNGEN
In Beispiel 1 habe ich dir eine erste Übung notiert, bei der es nicht auf das Tempo, sondern auf die genaue Ausführung ankommt. Achte genau darauf, dass, wenn sich der Ringfinger zum Greifen auf die Saite setzt, auch der Mittelfinger im exakt gleichen Moment Kontakt mit der Saite aufnimmt. Diese Übung fördert die Koordination. Wenn sich der Kleine Finger zum Greifen aufsetzt, setzen sich im exakt gleichen Moment der Mittel- und der Ringfinger an ihre Position am zugewiesenen Bundstäbchen. Sobald du merkst, dass es in der Hand zwickt oder krampft, beendest du die Übung. Spiele bitte nicht über den Schmerz hinweg. Du wirst merken, dass es jeden Tag ein bisschen besser und länger gehen wird.
In Beispiel 2 habe ich dir dann eine klassische Hammer-On- und Pull-Off-Übung aufgeschrieben. Auch hier kommt es auf die genaue Ausführung an. Spiele nur aus den Fingern, nicht aus dem Arm. Schaukel nicht mit dem Handgelenk und versuche, gefühlt das Pull–Off lauter zu spielen als das Hammer-On. Bilde so eine starke Greifhand aus. Ziel wäre es, Schnellkraft, Kraftausdauer und eine gute Koordination zu entwickeln, bei der sich jeder Finger unabhängig von allen anderen bewegen kann. Und zwar ohne dass sich ein anderer Finger hinter dem Griffbrett versteckt oder sich vom wegstreckt.
In den Beispielen3 und 4 habe ich dir noch zwei Koordinations- und Geläufigkeits-Übungen aufgeschrieben. Achte hier besonders darauf, dass kein Finger im ersten Gelenk kollabiert, also zusammenklappt. Spiele immer mit runden Fingern. Außerdem kannst du darauf achten, legato zu spielen. Das heißt, lange Töne zu spielen, aber keine Überlappungen bzw. Zweiklänge zu erzeugen.
Mit Beispiel 5 möchte ich noch auf die wichtige Chromatik hinweisen. Spiele diese Übung ohne Flying Fingers (weit abhebende Finger) und ohne, dass der Zeigefinger seine Position verlässt und über das Bundstäbchen rutscht. Beim Runterspielen kannst du darauf achten, dass du alle Finger aufsetzt, wenn der Kleine Finger wieder angespielt wird. In allen Übungen dieses Workshops werden alle vier Finger exakt gleich behandelt und gleich viel eingesetzt. Denn wenn alle Finger stark sind, wird sich dein musikalisches Vokabular automatisch erweitern.
Und nun noch ein Tipp zum Schluss: Nimm mal den Daumen der Greifhand vom Hals weg. Spiele mal ohne deine Daumenstütze die letzte Übung in Beispiel 5. Dabei tauchen interessante Fragen auf: Wie stellst du jetzt die Balance her? Kannst du durch Mithilfe des Unterarms der Anschlaghand den Bass in der Spielposition vor dem Rumpf halten? Haben die greifenden Finger noch genug Kraft die Saite runterzudrücken? Dabei wünsche ich dir viele neue Erkenntnisse. Ich wünsche dir viel Spaß beim „Reset“ deiner Greifhand-Technik. Bis zum nächsten Mal, Markus.
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)