In der letzten Folge von Bass Basics haben wir das rhythmische Grundgefühl thematisiert. Hast du dir mit den Übungen, die ich dir dazu an die Hand gegeben habe, bewusst machen können, ob du die Tendenz hast „zu früh zu sein“? Oder bist du eher der „zu spät dran sein“-Typ? Wenn du herausbekommen hast, dass du zu einer dieser Gruppen gehörst, ist das nichts Schlimmes! Du bist vielmehr einen Schritt weiter und um eine Erkenntnis reicher. Denn du hast immer die Möglichkeit, an deinem rhythmischen Feingefühl zu arbeiten.
Zu wissen, dass du deinen Basston vielleicht immer ein bisschen zu früh setzt, ist oft schon der erste Schritt zur Verbesserung, du weißt es jetzt und kannst dagegen arbeiten. Es gibt Musikstile, in denen man bewusst etwas nach vorne spielt. Eine kernige, treibende Rock-Bass-Linie darf gerne der Band ein wenig in den Allerwertesten treten und dem Song so den nötigen Drive verleihen. Auch eine Walking-Bass-Linie zieht tendenziell die Band hinter sich her. Hier wärst du mit deiner Tendenz, von Natur aus nach vorne zu spielen, gut aufgehoben. Aber es gibt eben auch Stile, in denen es der Musik viel mehr dient, wenn du schön entspannt spielst, dem Song Ruhe verleihst und deinen Bass-Part „laid-back“ gestaltest. Das ist bei einer Pop-Ballade ebenso angesagt wie bei einer R&B- oder Soul-Nummer. Das Zauberwort lautet: „bewusst“. Denn wenn es dir nicht bewusst ist oder du dein Spiel auch nicht bewusst anpassen kannst, kann das die Stimmung eines Songs schon mal ruinieren.
Grundübungen
Wie gut ist also dein rhythmisches Feingefühl ausgeprägt? Und wie kannst du dein rhythmisches Feingefühl verbessern, wenn du nicht zufrieden bist? Beide angesprochenen Tendenzen lassen sich durch gezieltes, methodisches Üben korrigieren. Doch bevor du in die neuen Übungen einsteigst, möchte ich zuerst anmerken, dass du grundsätzlich in der Lage sein solltest, die einzelnen Notenwerte zu erkennen, zu spielen und auch zu unterscheiden. Außerdem solltest du Achtel-Noten und auch Sechzehntel-Noten sauber zum Click spielen können und flüssig zwischen den Notenwerten wechseln können.
Wenn du den Eindruck hast, dass dir die Übungen aus diesem Heft noch zu „heftig“ sind, dann übe zunächst in verschiedenen Tempi zwischen 30 und 60 bpm das durchgängige Spielen dieser Notenwerte zum Click. Denn die Übungen, die ich dir transkribiert habe, laufen alle in sehr langsamen Tempi ab. Es startet bei 60 bpm und geht runter bis 30 Beats per Minute. Für viele ist es ungewohnt in so langsamen Tempi zu spielen. Das rhythmische Gefühl wird hier auf eine harte Probe gestellt. Wir legen quasi dein Rhythmusgefühl unter das Mikroskop. Es werden Ungenauigkeiten hörbar, die in schnelleren Tempi von dir eventuell noch nicht wahrgenommen werden können, aber natürlich trotzdem da sind. Unter dem Brennglas des langsamen Tempos kannst du jetzt besser hören und fühlen, wo dein gespielter Basston sitzt.
Dazu sei gesagt, dass die Übungen hier vorbereitende Übungen sind. Wenn du diese Übungen beherrschst, kannst du im normalen Bandalltag viel entspannter, bewusster und mit viel mehr Headroom agieren. Um daran zu arbeiten, beginnst du bitte mit folgender Übung: Du nimmst eine einfache Achtel-Noten-Bass-Linie, die du sehr sicher spielen kannst. Oder du nimmst die Bass-Linie aus Beispiel 1, die ich dir aufgeschrieben habe. Mach dir kurz bewusst, welche Noten auf der Viertel-Zählzeit liegen. Auf dem sogenannten Downbeat. Mache dir ebenfalls klar, welche Töne auf dem Achtel-Off-Beat liegen. Dann machst du dir einen Click an und spielst die Bass-Linie bei einem Tempo von 60 bpm. Nach ein paar Wiederholungen, die du sicher durchgespielt hast, stoppst du und korrigierst den Click auf 56 bpm.
Spiele direkt los, ohne lange zu warten. Du wirst merken, wie du dich automatisch auf das neu eingestellte Tempo herunterkorrigieren musst. Sobald du deiner Einschätzung nach wieder ein paar Durchgänge sicher zum Click gespielt hast, veränderst du ihn auf 52 bpm und wiederholst den Vorgang, bis du bei 30 bpm angekommen bist. Durch das bewusste nach unten Korrigieren entwickelst du ein Gefühl für das „zu schnell“ sein. Das ist eine denkbar einfache und doch sehr effektive Übung.
Hinweis: Bitte spiele nicht ganze Songs durch, sondern nehme nur ein- oder zweitaktige Ausschnitte von deiner Basslinie. Maximal sollten es vier Takte sein. Warum? Du sollst deinen kompletten Fokus auf das Thema Rhythmus ausrichten und nicht von anderen Parametern abgelenkt werden. Variationen Wenn du das Gefühl hast, den Unterschied von vier Beats per Minute noch nicht gut wahrnehmen zu können, dann stelle auf deinem Metronom bitte immer minus sechs Beats Abstand ein. Wenn du aber das Gefühl hast, dich auf vier Beats Differenz gut einstellen zu können, dann gehe ein Level höher und stelle nur zwei Beats langsamer. Ich habe dir mit den Beispielen Übungen zusammengestellt, mit denen du sehr gut an den Themen-,Achtel-Noten, Achtel-Off-Beats, Sechzehntel-Noten und Sechzehntel-Off-Beats arbeiten kannst.
Du kannst aber auch einfach deine Setliste durcharbeiten oder Ausschnitte deiner Lieblingsbasslinien spielen. Mach dir aber bitte bewusst, welche Notenwerte in deiner Bass-Linie auftauchen. Wenn du bei dir feststellst, dass du der Typus „zu spät dran sein“ bist, drehst du die Methode um und stellst den Clicktrack stetig schneller anstatt langsamer. Mach zwischendurch immer wieder Aufnahmen von dir, höre bewusst hin und versuche zu beurteilen, wo dein Basston im Verhältnis zum Click platziert ist.
Üben zum Schlagzeug Der letzte Tipp, den ich dir geben möchte, ist das „Einloggen“ in einen Groove, der dir besonders gut gefällt. Und am einfachsten ist das, wenn du dir eine Schlagzeugspur aussuchst, die im Idealfall solo zu hören ist. Wie läuft das ab? Ich liebe zum Beispiel das Drum-Solo-Intro von ‚Rosanna‘ von Toto. Also lade ich mir das MP3-File von Rosanna in mein Anytune (es gibt auch Alternativen: Transcribe oder Amazing Slow Downer) und loope mir den Anfang.
Also höre ich nur den Part in Dauer-Schleife, in dem Drummer Jeff Porcaro ganz alleine spielt. Dann setze ich mir einen Kopfhörer auf und verschaffe mir so eine sehr direkte Art des Hörens. Final spiele ich zu dem Groove. Manchmal spiele ich pro Takt nur eine einzige Note und versuche z. B. nur die letzte Bass-Drum zu „catchen“. Ich fräse mich also hörerisch in den Groove hinein und versuche ihn zu adaptieren. Je öfter du den Groove gehört hast, desto mehr Feinheiten werden dir auffallen!
Warum einen Schlagzeug-Groove und keinen Bass-Groove? Weil das Schlagzeug sehr klare Akzente hat und es dir anfangs leichter gemacht wird, genau zu hören, wo der einzelne Schlag gesetzt ist. Mein Vorschlag wäre also: Suche dir einen Groove aus, der dir besonders gut gefällt und versuche immer genauer zu hören und zu fühlen, wie dieser gestaltet ist. Dabei wünsche ich dir viel Spaß.
Bis zum nächsten Mal, Markus
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden)
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)