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Americana: Twang Jazz

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(Bild: Peeranat Thongyotee/Shutterstock)

Ich hoffe du hast dich mit den Akkorden und der Melodie von Summertime angefreundet, die ich in der letzten Folge vorgestellt habe. Diesmal präsentiere ich ein Arrangement des Themas, das den Jazz-Standard mit gitarristischen Elementen aus Blues, Rockabilly und Country kombiniert.

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Manche Arrangements von Jazz-Standards klingen, als hätte der Verfasser versucht, sein komplettes harmonisches Wissen und alle möglichen Akkordsubstitutionen in einem Stück unterzubringen. Das klingt mitunter beindruckend, geht aber auch schon mal am Thema und der ursprünglichen Absicht eines Stücks vorbei. Ich gehe in letzter Zeit oft den anderen Weg und reduziere die Akkorde auf das Nötigste. Ein Konzept, mit dem mir viele Jazz-Standards wesentlich zugänglicher geworden sind.

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Ist die Begleitung simpel gehalten, bieten sich dem Solisten und Melodiespieler viel mehr Möglichkeiten, Akkorde einzufärben und zu interpretieren. Ist in der Begleitung ein alterierter Septakkord auf der fünften Stufe, muss ich als Solist auf diesen eingehen. Wird aber nur ein Dreiklang gespielt, kann ich den Akkord simpel darstellen oder durch das Spielen von Alterationen wie b9, #11 oder b13 gefährlicher und spannungsreicher klingen lassen.

Konkret bedeutet das, diverse Zwischendominanten und II-V-Verbindungen wegzulassen, was auch stilistisch mehr Freiheit bietet. Einen simplen A-Moll-Dreiklang kann man nach Country, Pop oder Jazz klingen lassen. Hat man aber schon halbtaktige Akkordwechsel und vierstimmige Voicings, ist man auf den Jazz-Sound festgelegt.

BEGLEITUNG

Wie dieses Konzept, das ich von Jim Campilongo übernommen habe, für ‚Summertime‘ funktioniert, siehst du an den Harmonien in Beispiel 1. Zu den simplifizierten Changes habe ich noch eine Basslinie notiert, die der Begleitung etwas Riff-Charakter verleiht und die von der Gitarre gedoppelt wird (Beispiel 2). Die Idee war es, meiner Version eine etwas geheimnisvollere Atmosphäre zu verleihen, sodass sie mehr wie die Titelmelodie eines Detektiv-Films aus den 1950er- oder 1960er- Jahren klingt.

MELODIE

Das Thema habe ich dann auf dem Steg-PU meiner LSL-Tele interpretiert. Da die Melodie viele lange Noten beinhaltet, eignet sich eine Art Frage/Antwort-Konzept hervorragend, um dem Ganzen etwas mehr Spannung zu verleihen. Ich beginne mit Singlenotes und einem bluesigen Bending und füge ein paar Flageoletts mit Behind-The-Nut-Bending in die Pausen ein. Das lange D in Takt 5 interpretiere ich mit einem Rockabilly-Klischee, das dieselbe Note auf zwei Saiten spielt. Am Ende des ersten Durchgangs harmonisiere ich die Melodie mit Akkorden auf den hohen Saiten, ein Stilmerkmal, das typisch für Jazzgitarristen wie Joe Pass, Barney Kessel und Wes Montgomery ist.

Der zweite Durchgang der Melodie ist dann überwiegend auf den tiefen Saiten gespielt. Dieses Konzept kennt man eher von Twang-Gitarristen wie Duane Eddy. In der tiefen Melodie habe ich einen Am6-Akkord platziert, der etwas nach Marc Ribot klingt, sowie weitere Behind-The-Nut-Bendings. Am Ende findest du einen zweiten Akkordfill auf den hohen Saiten, der dem Am und E7 mit diversen Alterationen etwas Farbe verleiht. Ich hoffe, meine Version inspiriert dich zu eigenen Ideen zur ‚Summertime‘-Melodie. Viel Spaß beim Üben und Ausprobieren!

(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

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