Workshop
Americana: Spooky Minor Chords
von Martin Schmidt, Artikel aus dem Archiv
Willkommen zur mittlerweile 50.(!) Folge des Americana-Workshops. Zum Jubiläum habe ich mir ein paar grundlegende Gedanken zum Thema gemacht und mich selbst gefragt, was das facettenreiche Genre eigentlich ausmacht. Die verwendeten Akkorde und Tonleitern kommen auch in anderen Stilen vor. Es muss also an der Spielweise, an einem bestimmten Einsatz der Elemente und an einem charakteristischen Klang liegen, dass mit ein paar Akkorden Bilder der amerikanischen Weite im Kopf entstehen. Meine Ideen und Tipps dazu findet ihr in den nächsten Folgen.
I-IV-V IN MOLL
Als Ausgangsbasis dient diesmal eine einfache Akkordfolge in D-Moll auf den Stufen I, IV und V:
| Dm | Gm | A | Dm |
Die erste und vierte Stufe kommt aus Natürlich Moll, die fünfte wird als Dur-Akkord gespielt, dient somit als Dominante und entstammt der Harmonisch-Moll-Tonleiter. Die Akkordfolge findet sich in Traditionals wie ‚Wayfaring Stranger‘, dem Tom Waits-Hit ‚Jockey Full Of Bourbon‘ und in zahlreichen Murder Ballads. In Beispiel 1 seht ihr neun Varianten, diese Akkordfolge zu spielen und unterschiedlich klingen zu lassen.
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START SIMPLE
In den ersten vier Takten spiele ich nur die Akkorde und ein paar Basstöne. Ich habe die E-Saite herunter gestimmt, um etwas mehr Low-End-Twang aus der Jazzmaster zu kitzeln. Außerdem füge ich etwas Hall von einem Catalinbread Talisman und ein Slapback-Echo hinzu und schlage nahe am Steg an. Das reicht eigentlich schon für ein finsteres Stimmungsbild. In Takt 5-8 erweitere ich alle Akkorde mit der 9 (Dm und Gm) bzw. b9 (A), um den Arpeggios etwas Farbe zu verleihen. Dasselbe passiert in Takt 9–12 mit variierten Voicings.
MOLL MIT SEXTE
In den Takten 13-24 füge ich den Moll-Akkorden die große Sexte hinzu. Das klingt sehr geheimnisvoll und erzeugt nebenbei einen verminderten Akkord, den man auch über dem A einsetzen kann. Achte darauf, wie über alle drei Akkorde derselbe Griff verwendet wird. An unterschiedlichen Stellen auf dem Griffbrett gespielt erzeugt er so entweder einen Dm6 (Takt 13, Zählzeit 4) einen Gm6 (Takt 14, Zählzeit 1u) oder A7 bzw. A7b9 (Takt 15, Zählzeit 1 und 3). In Takt 18 und 19 spiele ich dasselbe Voicing auf einer anderen Saitengruppe. In Takt 21 und 22 lasse ich die offene E-Saite im Arpeggio ausklingen.
VERMINDERT UND ÜBERMÄSSIG
In Takt 25 und 26 kommt ein verminderter Dreiklang vom jeweiligen Akkord-Grundton zum Einsatz. Also D-vermindert über D-Moll und G-vermindert über G-Moll. Man hat so eine verminderte Quinte im Sound, was etwas dissonant klingt, aber geschickt zur reinen Quinte aufgelöst werden kann. Über den A setze ich einen übermäßigen Dreiklang ein, der die b13 in den Sound einführt. Das Voicing in Takt 28 ist ein Dm6/9, bei dem die Sexte h als Leersaite gespielt wird.
MOLL MIT GROSSER SEPTIME
In Takt 30 und 31 spiele ich die Moll-Akkorde mit großer Septime, was ebenfalls leicht dissonant klingt und die Akkorde vom Blues wegführt. Über den A nutze ich eine Kette von übermäßigen Arpeggios, die der Ganzton-Leiter entstammen. Abgeschlossen wird die Akkordfolge mit einer sich wiederholenden kleinen Sekunde aus dem gegriffenen F und der offenen E-Saite, die über den Grundtönen der Akkorde weiterklingen. Die Töne entstammen beide der D-Moll-Tonleiter, klingen aber durch die Reibung der kleinen Sekunde ganz spannend.
Beim Üben empfehle ich dir, nicht alle Varianten hintereinander zu spielen. Versuche stattdessen die Konzepte dahinter zu verstehen und mit Hilfe der zusätzlichen Töne und neuen Voicings auf eigene Ideen zu kommen, die der einfachen Akkordfolge in Moll ein paar düstere Variationen abgewinnen.
(erschienen in Gitarre & Bass 04/2024)
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sehr cool, danke