(Bild: Copyright (c) 2015 Africa Studio/Shutterstock. No use without permission.)
Beim Interpretieren von altbekannten Songs gibt es ja zwei musikalische Lager: Die einen versuchen dem Original oder einer berühmten Version möglichst nahezukommen, die anderen nehmen die Melodie und Akkorde des Originals als Ausgangspunkt für eine eigene Interpretation und kombinieren den Klassiker mit ihrem eigenen Stil.
Dem zweiten Ansatz verdanken wir Cover-Versionen, die bekannter wurden als das Original, wie ‚All Along The Watchtower‘ von Jimi Hendrix und ‚Cause We’ve Ended As Lovers‘ von Jeff Beck. Welches Konzept für einen selbst das richtige ist, muss natürlich jeder selbst entscheiden, aber mir persönlich liegt der zweite Ansatz mehr. Musik sollte Ausdruck der Persönlichkeit sein und ich freue mich immer, wenn Musiker wie Bill Frisell auf einer Platte bekannte Songs neu interpretieren und dabei doch 100-prozentig nach sich selbst klingen.
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WAYFARING STRANGER
In diesem Geiste habe ich versucht, dem Standard ,Wayfaring Stranger‘aus der letzten Folge meinen Stempel aufzudrücken. Um zu verdeutlichen, wie stark man eine Melodie variieren kann, ohne die Bestandteile des Originals zu verändern, habe ich denselben Backing-Track verwendet. Nur der Leadpart klingt anders und spielt sich jetzt auf einer LSL-Telecaster mit TV Jones Filtertrons und Bigsby-Vibrato über einen TAD-Princeton ab. An Effekten kamen ein Lovepedal Les Lius, ein Belle Epoch Delay und der Amp-eigene Federhall zum Einsatz.
Die ersten zwei A-Teile habe ich nach einem Frage/Antwort-Konzept gestaltet. Im ersten A-Teil spiele ich die Melodie auf der A-Saite mit viel Twang, was Surf- und Western-Assoziationen weckt. Zwischen die Melodieparts habe ich eine Antwort aus Dreiklängen auf den hohen Saiten gepackt, die teilweise chromatisch angenähert werden. Im zweiten A-Teil werden die Rollen vertauscht. Die Melodie wird nun mit Akkorden harmonisiert und mit der A-Saite beantwortet. Am Ende habe ich die Melodie umspielt und mit ein paar Tönen zu einer leicht jazzigen Linie ergänzt.
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Der B-Teil arbeitet ähnlich. Die Melodie über den F-Dur-Akkord harmonisiere ich mit einem Dreiklang, den ich dann mit der A-Moll-Tonleiter umspiele. Über den C-Akkord integriere ich den Melodie-Ton in ein klassisches Pedal-Steel-Country-Lick. Beim E7 kommt das gedoppelte e (Leersaite und 5. Bund h-Saite) zum Einsatz, das man aus vielen Rockabilly-Songs und von Jimis ,Hey Joe‘ (eine weitere berühmte Cover-Version) kennt.
Der letzte A-Teil hat die Melodie wieder auf der A-Saite. Als Antwort gibt es ein paar von Jim Campilongo inspirierte Behind-The-Nut-Bendings mit Flageoletts. Über den Dm am Ende verwende ich ein Surf-artiges Lick, bei dem ich die Melodie auf der A-Saite mit der offenen D-Saite quasi harmonisiere. Als Abschluss spiele ich ein kleines Arpeggio-Lick aus dem A-Moll-Dreiklang und der None.
Was sich jetzt recht theoretisch anhört, ist alles beim Spielen entstanden. Ich versuche die Melodie eines Songs auf so viele Arten wie möglich zu spielen und kombiniere dann die verschiedenen Konzepte zu einem Arrangement. Durch verschiedene Lagen und dem Wechsel von Singlenotes und Akkorden ergeben sich sehr viele Möglichkeiten und Klänge, die dann auch wieder zu neuen Fills und Zwischenparts inspirieren.
Ich hoffe, mein Arrangement gibt dir ein paar neue Anregungen für deine ganz eigene Version.