Diesmal beschäftigen wir uns mit der Frage, wie man einem langen Jam Struktur geben kann, sodass er nicht nach endlosem Gedudel und Abfeuern von Licks klingt, sondern eher wie ein Song mit Solo-Spots.
MOTIVE UND SEQUENZEN
Ein sehr wirkungsvolles Mittel, ein Solo für den Zuhörer spannend zu gestalten, ist, es wie eine Melodie klingen zu lassen. Dies bringt einem zwar nicht immer die Bewunderung der Saitenkollegen ein, ist aber für den nicht-Gitarre-spielenden Konsumenten viel einprägsamer und musikalisch ansprechender, als eine Abfolge von gitarristischen Tricks und Techniken. Hört man sich Southern-Rock- oder Jamband-Soli von den Allman Brothers, Lynyrd Skynyrd oder neueren Bands wie Gov’t Mule an, stellt man fest, dass die Spannung selten durch superrasante Shredding-Passagen entsteht, sondern durch einen geschickten Aufbau, der sich im Laufe des Solos immer mehr verdichtet.
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Eine Methode dazu ist es, melodische Ideen durch die Tonleiter zu bewegen, Rhythmus und den Abstand/die Abfolge der Töne aber gleich zu lassen. Als Basis dafür dienen uns zwei Tonleiterübungen, die in Beispiel 1 zu sehen sind.
Am Anfang steht eine 4er-Sequenz, danach wird die Tonleiter in Terzen auf den oberen zwei Saiten abwärts gespielt. In dieser reinen Form klingen die zwei Figuren recht mechanisch und wie Technikübungen.
Spielt man sie jedoch in einem nicht ganz so gleichförmigen Rhythmus und endet in der Pentatonik – wie in Beispiel 2 –klingt es fast schon wie ein ausgearbeitetes Thema. Auch das Umkehren der Reihenfolge hat bei den Terzen einen immensen Effekt, wie man in Beispiel 3 sieht, und lässt sie sofort weniger schematisch klingen.
Hat man die Konzepte verinnerlicht, kann man sie frei kombinieren. Wie das klingen könnte, siehst du in Beispiel 4. Ich beginne mit einer Figur aus zwei Achteln und einer Viertel, deren Phrasierung immer gleich ist (Slide, zwei angeschlagene Noten). Anschließend nutze ich die 4er-Sequenz und wechsle mit den Terzen vom 12. an den 5. Bund und schließe die Phrase mit einer bluesigen Figur in der A-Moll-Pentatonik ab.
Um zu vermeiden, dass ein Solo ohne Pause ins nächste übergeht, kann man als Interlude Unisono-Licks einfügen, die auf Zeichen von der ganzen Band gespielt werden. Ein paar Möglichkeiten siehst du in Beispiel 5. Im Sound-Beispiel geht es nach jeder Variante kurz in die Akkordfolge Am7–D7 zurück, sodass du gut hören kannst, wie die Licks im Zusammenhang wirken.
Eine andere Möglichkeit siehst du in Beispiel 6 und 7. Anstatt des Unisono-Licks gibt es eine gemeinsam gespielte Akkordfolge. In Beispiel 6 werden Dreiklänge (C und D) über die II-V-Verbindung gelegt.
Abwechslung kann man auch durch unterschiedliche Solokonzepte schaffen. Spielt man mit mehreren Gitarristen, neigt man oft dazu, im eigenen Solo zu zeigen, dass man die Licks und Techniken des Vorgänger-Solos ebenfalls draufhat. Das ist im Sinne einer Guitar Battle vielleicht spannend, aber musikalisch oft langweilig, da man im selben Stil oder der Stimmung des vorangegangenen Solos weiterspielt. Spannender wäre es jedoch, einen Gegenpol zu schaffen, zum Beispiel so:
Guitar Solo 1: Pentatonik, Bendings, verzerrter Sound
Guitar Solo 2: Clean, dorische Tonleiter, Chromatik
Auch eine Kombination aus Slide Gitarre und regulärer Gitarre oder die Unterbrechung der Gitarrensoli durch ein Keyboard-, Bass- oder Drumsolo schafft Abwechslung im Sound und Arrangement.
Ich wünsche viel Spaß beim Jammen und Ausprobieren!