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Americana: Countryfizierung leicht gemacht!

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(Bild: Martin Schmidt)

Aloha und herzlich willkommen zu Americana- Folge Nummer 8. Diesmal geht es um die Country-Leadgitarre und ein paar typische Techniken, mit denen du deine Melodien und Licks Country-artig klingen lassen kannst.

Dur statt Moll

Während Blues- und viele Blues-beeinflusste Rockgitarristen gerne über den Dur-Akkord auf der ersten Stufe oder gar die komplette I-IV-V-Verbindung die Moll-Pentatonik zum Solospiel nutzen, kommt im Country oft die Dur-Pentatonik zum Einsatz. Diese besteht aus Grundton, großer Sekunde, großer Terz, Quinte und großer Sexte – in E- Dur also E, F#, G#, B und C#.

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Die Dur-Pentatonik hat einen fröhlicheren Sound als die Moll-Pentatonik und passt eigentlich besser zum Akkord, da sie drei Akkordtöne enthält und nicht die Reibung durch die kleine Terz der Moll-Pentatonik besitzt, die man durch Bendings und geschickte Phrasierung passend machen muss. Wer theoretisch unbeleckt ist, geht vom Moll-Grundton in E am zwölften Bund einfach drei Bünde nach unten auf das C# und probiert mal aus, wie das klingt. Die Dur-Pentatonik ist auch das Geheimnis vieler Southern-Rock-Solos. Hör dir mal ‚Melissa‘ oder ‚Ramblin‘ Man‘ von den Allman Brothers an und studiere den Einsatz dieser Skala durch Dickey Betts.

Beispiel 1 zeigt ein Lick aus der E-Dur-Pentatonik über einen E-Dur-Akkord. Der Tonvorrat wird noch mit ein paar Durchgangstönen und der kleinen Terz G als Annäherung für das G# erweitert.

Akkorde ausspielen

Im Rock spielt man oft mit einer Skala über alle Akkorde einer I-IV-V-Verbindung. Countrygitarristen gehen oft raffinierter vor und gehen auf jeden Akkord der Akkordfolgen mit Arpeggios oder einer eigenen Skala ein. Beispiel 2 zeigt ein Lick über eine I-IV-V-Verbindung in A-Dur. Ich verwende für jeden Akkord die zugehörige mixolydische Skala und ein paar chromatische Durchgangstöne – ähnlich wie es auch Jazzgitarristen machen.

Sexten

Ein weiteres Stilmittel ist das Umspielen der Akkorde mithilfe von Sext-Intervallen. In Beispiel 3 wird ein Lick auf die Akkorde der I-IV-V-Verbindung verschoben, sodass man auch ohne Begleitung die Akkordfolge eindeutig erkennen kann.

Tiefer legen

Ein wichtiges Stilmittel im Country ist der Twang der tiefen Saiten. In Beispiel 4 gibt es ein weiteres I-IV-V-Lick, das sich nur auf den Basssaiten bewegt. Schlag nahe an der Brücke an, um den Twang zu verstärken. Im zweiten Takt wird das D abwechselnd gegriffen und als Leersaite gespielt, eine Technik, die man auch bei Bluesgitarristen wie T-Bone Walker findet, und mit der man einen einzigen Ton ganz schön spannend klingen lassen kann.

Pedalsteel-Licks

Mithilfe von Bendings innerhalb von Akkorden und Doublestops imitieren viele Country-Gitarristen den Sound einer Pedalsteel-Gitarre. Am Anfang ist das recht schwierig, da manche Saiten auf ihrer ursprünglichen Tonhöhe bleiben und andere gezogen werden. Mit etwas Übung kann man aber verblüffende Sounds aus der Gitarre holen, die auch in anderen Stilen interessant klingen.

Beispiel 5 zeigt ein paar typische Steel-Bendings. Zuerst wird die Terz des E-Dur-Dreiklangs gezogen, dann die kleine Septime. Am Ende des ersten Taktes werden zwei Saiten auf einmal gezogen. Am besten greifst du mit dem Ring- und kleinen Finger. Die G-Saite geht einen Ganzton nach oben, die H-Saite nur einen Halbton. Die Intonation erfordert etwas Übung, also nicht verzweifeln, wenn es anfangs etwas schräg daherkommt!

Leersaiten

Mit der Kombination aus Leersaiten und gegriffenen Tönen lassen sich viele beeindruckend klingende High-Speed-Licks erzeugen. In Beispiel 6 wird ein Pattern aus E-Mixolydisch auf der E- und H-Saite nach unten verschoben. Durch die dazwischen gespielte leere E-Saite wird der Klang aber viel spannender, als wenn man nur die Tonleiterfigur spielt. Mit dem Pull-Off lässt sich das Lick gut spielen und klingt rasanter als es letztendlich ist.

Viel Spaß beim Üben der Country-Licks, und scheut euch nicht, diese Phrasen auch im Indie-, Metal- oder Pop-Bereich anzuwenden. Wer Zweifel an solchen Crossover-Konzepten hat, kann sich ja mal Marilyn-Manson- und Rob-Zombie-Gitarrero John 5 anhören, der Countrylicks mit einem aggressiven Heavy-Sound verbindet … it works!

Feedback, Kritik und Wünsche kannst du wie immer unter martin@the-incrediblemr-smith.com los werden.

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

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