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Nachdem du in der letzten Folge verschiedene Möglichkeiten kennengelernt hast, wie man Dur-Akkorde in der Begleitung unterschiedlich klingen lassen kann, beschäftigen wir uns diesmal mit der solistischen Seite. Ein simpler Dur-Akkord bietet nämlich diverse Möglichkeiten, die man nicht nur im Jazz-Umfeld anbringen kann.
Skalen
Ein weit verbreiteter und durchaus berechtigter Ansatz, solistische Variationen zu erzeugen, ist die Verwendung unterschiedlicher Tonleitern. Da ein Dur-Akkord auf drei verschiedenen Stufen stehen kann, gibt es drei mögliche Skalen. Für den in diesem Workshop verwendeten A-Dur-Akkord wären das:
- A-Dur (A-Ionisch)
- A-Mixolydisch (D-Dur)
- A-Lydisch (E-Dur)
Weitere Möglichkeiten wären die A-Dur-Pentatonik, die in allen drei Skalen enthalten ist, oder ein eher bluesiger Ansatz mit der A-Moll-Pentatonik.
In Beispiel 1 siehst du all diese Tonleitern mit Grundton am fünften Bund der E-Saite.
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Charaktertöne
Will man all diese Skalen lernen und anwenden, hat man einen Berg an Fingersätzen und Tönen vor sich. Hört man sich die Tonleitern in Beispiel 1 an, fällt auch auf, dass die Unterschiede gar nicht so gut hörbar sind. Der Tonvorrat ist nämlich größtenteils identisch.
Um den Klang der Skalen besser herauszuarbeiten, muss man auf den Ton hinspielen, der sie charakteristisch macht.
In Beispiel 2 siehst du diese von mir als „Charaktertöne“ bezeichneten Noten:
- G# (maj7) → klingt nach Dur
- G (b7) → klingt nach Mixolydisch
- F# (6) → erzeugt den Dur-Pentatonik-Sound
- D# (#11) → lässt den Akkord lydisch klingen
- C (b3) → hat einen Bluescharakter
Am besten hörst du dir zuerst mal an, wie diese Töne über einen simplen A-Dur-Akkord klingen. Manche werden vertraut scheinen, andere vielleicht disharmonisch.
Um sie melodisch einzusetzen, kombiniere ich diese „Charaktertöne“ gerne mit der Dur-Pentatonik. In Beispiel 3 ist das Auftakt-Lick immer gleich, ich ende aber immer auf einer anderen Note und erzeuge so den Klang der erwähnten Skalen.
Stimmung erzeugen
Für mich erzeugen die verschiedenen Skalen und ihre Charaktertöne unterschiedliche Stimmungen, mit denen man in einem Solo Abwechslung erzeugen kann:
- Dur klingt freundlich und harmonisch.
- Mixolydisch etwa weniger glatt und mehr nach Country als Dur.
- Lydisch klingt ebenfalls sehr harmonisch, hat aber mit der #11 einen etwas schärferen Geschmack.
- Die Dur-Pentatonik ist für mich der Sound von Southern-Rock.
- Die Moll-Pentatonik hält ein großes Schild in die Luft, auf dem „Rock oder Blues“ steht.
In dem Solo aus Beispiel 4 kombiniere ich all diese Möglichkeiten.
Da der Akkord im Hintergrund keine Optionen enthält, kann man als Solist entscheiden, wie man ihn klingen lassen möchte. Das finde ich besonders spannend, weil es viele Möglichkeiten offen lässt.
Spielt die Band einen Amaj7/9/#11, kann ich als Solist nur darauf reagieren und lydisch spielen, denn der komplexe Akkord verlangt nach dieser Skala. Ist aber nur ein simpler Dreiklang am Start – wie in vielen Country-, Rockabilly- oder Folk-Songs – können die Melodien ihn zu einem komplexeren Akkord ergänzen.
Das Konzept ist anfangs vielleicht etwas verwirrend und erzeugt etwas schrägere, gewöhnungsbedürftige Ergebnisse. Aber mit der Zeit fängt man an, die „Shades Of Dur“ zu hören, kann sie frei anwenden und versteht die Tonleitern aus Beispiel 1 besser.
Versuche das Solo nachzuspielen und analysiere dann, aus welchen Tonleitern die einzelnen Phrasen stammen. Danach kannst du eigene Melodien mit den Konzepten entwickeln.
Viel Spaß beim Experimentieren!
(erschienen in Gitarre & Bass 12/2024)