Interview & Transkription

Aki „Conan“ Virta: Progressive Bass bei Wheel

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(Bild: Ville Juurikkala)

Am 26. März erschien mit ‚Resident Human‘ das zweite Album der finnischen Metal-Band Wheel, die des Öfteren mit Tool oder Karnivool verglichen wird, aber längst zu ihrem eigenen Sound gefunden hat. Wir hatten Gelegenheit, mit Aki „Conan“ Virta, dem Wheel-Bassisten zu sprechen.

interview

Aki, wie kommst du zu deinem Spitznamen „Conan“?

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Oh das ist eine lange Geschichte. Kurz gesagt, denken wohl einige meiner Freunde, dass ich vielleicht etwas zu sehr auf Filme von Arnold Schwarzenegger stehe. Darüber hinaus dreht es sich wohl darum, wie hartnäckig ich sein kann, wenn es darum geht, ein mir selbstgestecktes Ziel zu erreichen. Und schließlich bin ich beim Bass-Spielen nicht zimperlich und lange kräftig rein.

Wann hast du mit der Musik angefangen?

Ich glaube, ich war 16, als ich anfing und gleich in einer Band einstieg. AC/DC mit ihrem Album ‚Who Made Who‘ und vor allem der Titeltrack waren für mich die Initialzündung – ab da wusste ich, dass ich unbedingt Gitarre spielen musste. Ich hielt also Ausschau nach Leuten, die eine Gitarre besaßen und mich auf ihr spielen ließen und mir vielleicht sogar etwas beibringen konnten. Und ein Nachbar von mir hatte gerade eine E-Gitarre gekauft.

Er zeigte mir eine äußert rudimentäre Version des Riffs von Deep Purples ‚Smoke On The Water‘. Und ich schwöre, dass ich die Gitarre nicht mehr losgelassen und das Riff gespielt habe, bis die Nacht vorbei war. Für mich war das pure Magie, und ich wollte unbedingt mehr wissen. Ich spielte dann ungefähr sechs Monate, als ich auf eine neue Schule kam und Jungs kennenlernte, die eine Band hatten und mich zur Probe mitnahmen. Aber sie brauchten keinen Gitarristen und drückten mir einen Bass in die Hand. Der Klassiker, wie man zum Bassisten wird!

Aber für mich stellte sich sehr schnell heraus, dass das Instrument sehr viel besser zu mir passte als die Gitarre – ein echter Glücksfall. Die Rolle des Basses in der Band sagte mir mehr zu, und das motivierte mich enorm.

Erinnerst du dich an deinen ersten Bass?

Ich erinnere mich an meine erste Gitarre. Ein unsägliches Teil für 40 Euro, das ich auf einem Flohmarkt erstanden habe. Aber sie gehörte mir, und das war das Entscheidende. Nach weiteren sechs Monaten Spielen in der Band mit einem ganz einfachen Yamaha-Bass von der Schule wusste ich, dass es mir ernst war, und ich bestellte mir einen Harley-Benton-Bass. Der erste richtig coole Bass, für den ich dann auch mehr investierte, war ein Ibanez Soundgear.

Die Bässe: G&L L-2000 Tribute Series in 3-Tone-Sunburst und Blueburst

Hast du Unterricht genommen?

Am Anfang nicht. Ich habe von meinem Nachbarn und von den Jungs in der Band gelernt und besorgte mir Tabs, durch die ich mich durcharbeitete. Damals konnte man noch nicht auf YouTube gehen und all die Tutorials finden, die es heute gibt. Deshalb bin ich auch in Bibliotheken gegangen, um Material zum Üben zu finden. Wir spielten zwei Jahre mit der Band, und ich war so angefixt, dass ich meinem Vater sagte, ich wolle Profimusiker werden. Ich ging in eine Musikschule, lernte auch Theorie, und nach dem Militärdienst wollte ich an der Musik dranbleiben.

Du gingst dann auf die Universität.

Zuerst ging ich drei Jahre auf eine Musikschule in Kotka, dann auf die Universität in Helsinki.

Du hattest einen sehr prominenten Lehrer, den Fretless-Meister Gary Willis. Wie war diese Erfahrung?

Gary ist ein Genie. Ich hatte schon fünf Jahre Studium hinter mir, aber in den letzten zwei Jahren davon war alles, was auf mich einprasselte, zu viel. Ich studierte, übte den ganzen Tag und spielte Gigs am Wochenende, machte also genau das, was ich immer wollte, aber es blieb zu wenig Zeit, um das Gelernte wirklich zu verarbeiten. Ich ging dann als Austauschstudent nach Barcelona und wollte erst mal alles runterfahren. Keine Gigs mehr spielen, zu mir selbst finden und eine innigere Verbindung zum Instrument aufbauen.

Gary brachte mich dazu, herauszufinden, an was ich in meiner Situation arbeiten musste, statt mich den strikten Lehrplänen einer Schule zu unterwerfen. Anstatt Musik zu spielen, die von außen an mich herangetragen wurde, besann ich mich darauf, welche ich denn selbst spielen wollte. Ich war zwar als Freelancer professionell gut beschäftigt, was gut war, aber ich verlor den Kontakt zu mir selbst und beschloss, mein Leben grundlegend zu ändern. Ich überdachte alles, z. B. auch ob ich mit dem Pick oder mit den Fingern spielen möchte.

Ich studierte dann beim legendären finnischen Bassisten Lauri Porra, der ganz im Gegensatz zu Gary den Bass mit so viel Attack spielt, dass er schon unverstärkt lauter war als ich mit Amp. Lauri brachte sein Instrument zum Schwingen und Sprechen. Von beiden lernte ich, nach meiner eigenen Stimme zu suchen. Ich entdeckte dann, dass es mir fehlte, den Bass mit verzerrtem Sound zu spielen, was ja im Jazz ziemlich unüblich ist.

Hast du deine Saitenlage ziemlich hoch eingestellt?

Ich spiele live meistens mit der doppelten Energie, und so habe ich bei der Saitenlage einen Sweet Spot für mich gefunden, bei dem das Instrument wirklich in Schwingung gerät, aber trotzdem nicht unbespielbar wird. Hier trennen sich auch gute von schlechten Instrumenten. Gute lassen dich die Resonanz körperlich spüren und haben einen prägnanten Ton, der deine Artikulation und dein Phrasing deutlich hervortreten lässt.

Du bist seit Oktober 2019 offizielles Mitglied von Wheel. Wie kamst du zu der Band?

Zunächst war ich als Sub auf Tour für das erste Album ‚Moving Backwards‘. Der Gig kam ultrakurzfristig, und das Ganze war für mich die vielleicht stressigste Erfahrung, die ich als Musiker und Mensch je gemacht habe. Jyri Helko, der Bassist von Oceanhoarse sollte den Sub-Gig spielen, hatte aber keine Zeit und rief mich an. Ich hatte von Wheel noch nie gehört, war noch nie auf Tour gewesen, und sollte einspringen.

Natürlich war ich interessiert, denn solche Anrufe wie an diesem Mittwochabend kriegt man nicht alle Tage. Allerdings sollte ich am folgenden Montag in Mailand sein und die erste Show spielen. Ich konnte mich am Donnerstag und Freitagmorgen vorbereiten, am Samstag hatte ich keine Zeit, am Sonntagmorgen konnte ich wieder üben, abends hatte ich wieder einen Gig, und am Montagmorgen flog ich nach Mailand.

Und wie lange war das Set?

Wir spielten fast das komplette Album ‚Moving Backwards‘, fünf Songs, von denen drei richtig lang sind. Für mich fühlte sich das an, wie eine Fremdsprache in wenigen Tagen zu lernen. Mir half, dass die Musik mich ansprach, und ich es unbedingt schaffen wollte. Ich hatte keine Zeit mir etwas aufzuschreiben, und so legte ich mir eine Art Song-Landkarte an, die die einzelnen Sections skizzierte.

Die Pedale: Minotaur Sonic Terrors Fuzz & Burn, Mooer Triangolo, MXR Micro Flanger, Shure GLXD16, Mooer Reecho Pro und Switcher
Der Amp: Darkglass Electronics Alpha Omega 900

 

Wann habt ihr denn eigentlich mit den Aufnahmen für das aktuelle Album ‚Resident Human‘ begonnen?

Letztes Jahr Ende März gingen wir ins legendäre finnische Finnvox-Studio. Da unsere US-Tour gecancelt wurde, hatten unser Schlagzeuger Santeri Saksala und ich einen Monat mehr Zeit, um uns auf die Aufnahmen vorzubereiten und die Songs zu lernen, die James geschrieben hatte, was ein Segen für uns war. Die endgültigen Bass-Parts spielte ich dann innerhalb von drei Tagen ein, und mir fielen danach fast die Finger ab. Meine rechte Hand war tot.

Wir haben drei Bass-Signale aufgenommen, einmal das direkte Bass-Signal, das über einen Custom-Made-Kompressor unseres Toningenieurs Tommi Vainikainen lief, dann den verzerrten oder auch cleanen Kanal meines Darkglass-AlphaOmega-900-Amps, und drittens – quasi als Joker – einen mikrofonierten uralten Fender Bassman Combo, aufgedreht bis zum Anschlag. Der arbeitete im Dauerbetrieb, bis er am Ende fast explodierte. Aber er fügte dem Sound eine anarchische Komponente hinzu und ließ ihn gefährlich klingen.

Sehr typisch für die Musik von Wheel sind ungerade Taktarten, die die Stücke prägen. Hast du dafür einen speziellen Ansatz?

Mein erster Ansatz ist, nicht zu zählen. Ich konzentriere mich eher auf die Phrase, auf den ihr zugrundeliegenden Rhythmus, wo die Akzente liegen. Gerade für den ersten Song ‚Movement‘ schrieb James ein tricky Riff im 9/8-Takt, in dem die Akzente aber wild hin und herspringen. Normalerweise ist ein 9/8-Takt ja in drei Dreiergruppen unterteilt, hier allerdings ist alles komplett anders. Wenn ich dann also anfange, Dreiergruppen zu zählen, bin ich verloren und fliege raus. Hier besitzt jedes Riff andere eigene Gesetzmäßigkeiten.

9/8-Takte habe ich auch in den Songs ‚Fugue‘, ‚Hyperion‘ und ‚Resident Human‘ entdeckt. Für mich hat sich eine Unterteilung in 4/8 + 3/8 + 2/8 am natürlichsten angefühlt. Liege ich damit richtig?

Ja, das sind alles 9/8-Takte, aber wir haben in der Band über den Titeltrack ‚Resident Human‘ diskutiert und folgen jetzt alle der Sichtweise von unserem Drummer, der das Ganze als 27/8-Takt auffasst, quasi als Shuffle mit 9 mal 3 Beats. ‚Movement‘ ist auf alle Fälle der schwierigste Song auf dem Album. Er ist insgesamt sehr schnell, und ich spiele viele ungewöhnliche Intervalle in den tiefen Lagen.


equipment

● G&L L-2000 Tribute Series Bass
● Fender Precision (made in Mexico)
● D’Addario EXL160BT-Strings (50-120)
● Darkglass Alpha Omega 900 Topteil
● Darkglass B7K Ultra v2 Bass Overdrive
● Darkglass Vintage Ultra v2 Bass Overdrive
● Minotaur Sonic Terrors Fuzz & Burn (Fuzz/Overdrive)
● MXR Micro Flanger
● Mooer Reecho Pro (Digital Delay)
● Mooer Triangolo (Digital Tremolo)
● Shure GLXD16 Wireless System


transkription

Aki spielt immer im Dropped-C-Tuning und meistens mit Fingerstyle, gelegentlich auch mit Pick. Die Song-Beispiele geben einen guten Eindruck in die rhythmische Komplexität der Wheel-Songs. In allen Riffs kommen häufig Leersaiten zum Einsatz, die oft über Pull-Offs von gegriffenen Tönen zum Schwingen gebracht werden.

(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden)

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2021)

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