Geboren wird Steve Stevens am 05. März 1959. Seine erste Gitarre bekommt er mit sieben und verbringt in den kommenden Jahren täglich mehrere Stunden freiwillig in seinem Zimmer. Als Teenager besucht er The Usdam Center For The Arts, wo er sich eingehend mit Flamenco-Musik beschäftigt – diese Liebe bleibt. Parallel treibt er sich mit einer Band namens One Hand Clap herum und spielt in den Rock-Clubs Long Islands.
Die nächste Station sind die Fine Malibus, die mit Crew und Freunden in einer Fabriketage musizieren und leben. Direkt nach der Produktion des Debüts steigt Stevens aus. Eine gute Entscheidung: Das Album erscheint nämlich nie.
Steve Stevens im Gitarre & Bass Interview:
1981 lernt Stevens dann Billy Idol kennen, der sich gerade von seiner Band Generation X getrennt hat, um eine Solokarriere anzuschieben. Stevens bekommt nach einer Audition den Job. Billy Idols Debüt-Album – es heißt natürlich ,Billy Idol‘ – wird ein Mega-Erfolg.
Der Rest ist Rock-Geschichte. Und das ab 1990 übrigens wörtlich. Denn nach dem Album ‚Charmed Life’ ist erst mal Schluss. Stevens arbeitet auch ohne Billy erfolgreich.
Und er ist selbst zum Idol vieler Rock-Gitarristen geworden; ein kompetenter Musiker mit Feeling für songdienliche Instrumental-Beiträge. Noch mehr Können bewies er bereits 1986 auf dem von ihm geschrieben Soundtrack zur heroischen Armee-Romanze ‚Top Gun‘, für den er mit einem Grammy dekoriert wird.
Zu den weitaus spannenderen Stationen zählt jedoch zum Beispiel das Projekt mit Bassist Tony Levin und Schlagzeuger Terry Bozzio, aus deren Zusammenarbeit bislang zwei Alben hervorgingen – Musik zwischen Jazz, Rock und Experiment. Ebenso interessant sind Stevens’ Flamenco-Aufnahmen. Ein vielseitiger Musiker.
Hier hörst du die Bozzio Levin Stevens Band:
Erfahre mehr über seinen Sound in dem ausführlichen Interview!
Quincy Jones sucht für „Dirty Diana“ einen passenden Gitarristen und wird mit Steve Stevens fündig. Der Gitarrist muss nicht lange überredet werden und perfektioniert den Song mit seinen Licks. Stevens taucht sogar im Video auf:
Steve Stevens reiht sich somit in eine Reihe mit Slash und Eddie Van Halen, die ebenfalls mit dem King Of Pop zusammengearbeitet haben.
Text: Niki Kamila
Ehrlich gesagt waren die Songs, die ich fürs erste Album mit komponierte, nicht die großen Hits. Die Plattenfirma war mit dem Material zunächst nicht restlos zufrieden, schloss Billy während der Studioaufnahmen in einen Raum ein, und als er wieder herauskam, hatte er ,White Wedding‘ geschrieben. Ich erinnere mich noch, dass wir damals im Sunset Key Hotel wohnten und Billy um neun Uhr morgens mit einem Ghettoblaster an meine Tür klopfte: „Ich glaube, ich hab da etwas Brauchbares geschrieben.“
Ich schlug vor, den Song zunächst vor Publikum zu spielen, um zu sehen, wie die Leute reagieren. Also fuhren wir abends zu einem Club und spielten vor Fans Nummern wie ,Ready Steady Go‘ , ,Dancing With Myself‘ und eben auch ,White Wedding‘ . Dann nahmen wir die Nummer auf. Ich denke, dass die Songs des ersten Albums, an denen ich kompositorisch beteiligt war, hoffnungsvoll klangen, aber erst mit ,Rebel Yell‘ die wirklich gewinnbringende Formel gefunden wurde.
Leute fragen mich manchmal, wie es war, mit Billy ,Eyes Without A Face‘ oder ,Rebel Yell‘ zu schreiben. Ehrlich gesagt: Ich kann mich daran nicht mehr so genau erinnern, denn diese Songs kamen von ganz allein. Ich denke, dass wirklich gute Songs einem intuitiv zufallen, quasi als Geschenk. Die richtig guten Songs machen nicht viel Arbeit, sie strömen von allein aus einem heraus. Viel schwieriger war dagegen die Albumproduktion, für die wir einen richtig guten Schlagzeuger finden mussten
Niemand, alles was ich kann, habe ich mir selbst beigebracht. Meine Eltern wollten mir unbedingt einen Gitarrenlehrer besorgen, aber ich hatte keinen Bock darauf. Eines Sommers, ich war in einem Freizeitlager, traf ich einen rumänischen Zigeuner-Gitarristen, der Flamenco spielte. Ich wusste damals nicht, wie man diese Spielweise nennt, aber ich war total fasziniert.
Ich liebe Flamenco, für mich ist es Speed-Metal auf Akustikgitarren. (lacht) Durch den Rumänen entdeckte ich Carlos Montoya, und als ich zum ersten Mal Paco De Lucia hörte, haute es mich förmlich um. Ich merkte schon auf der Tournee mit Vince Neil, dass meine Visionen an der elektrischen Gitarre irgendwann an ihre Grenzen stoßen würden. Alles was ich der Rock-Welt mitzuteilen hatte, ist auf dem Album von Vince Neil zu hören, auf dem ich so laut und hart und schnell wie nie zuvor gespielt hatte.
Mit der Flamenco-Gitarre eröffnete sich für mich eine Möglichkeit, alles noch einmal neu zu starten und mir ein zweites Standbein zu verschaffen. Ich bin allerdings kein wirklich traditioneller Flamenco-Spieler, weil ich zum Beispiel nicht mit den Fingern sondern mit einem Plektrum spiele. Insofern: Wenn ich von Flamenco spreche, meine ich die Gitarre, nicht die Technik.
Für mich ist deine Zusammenarbeit mit Mötley-Crüe-Sänger Vince Neil auf dessen Soloalbum ,Exposed‘ ein Highlight deiner Karriere. Siehst du das ähnlich oder hast du negative Erinnerungen an den als exzentrisch verschrienen Neil? Nein, es war total entspannt mit Vince Neil. Es war übrigens das erste Mal, dass mich jemand darum bat, mehr Soli zu spielen. (lacht) Bei Billy Idol mussten Soli immer kurz und knapp gehalten sein, während es bei Vince ständig hieß: „Spiel bitte schneller und gib uns ein schönes langes Solo!“ Das machte mir natürlich mächtig Spaß, denn es war das erste richtige Hardrock-Album, das ich aufnahm. Billy Idol-Scheiben sind für mich Poprock-Werke. Ich stand damals auf Mötley Crüe und für mich war es die Gelegenheit, den Stil von ,Dr. Feelgood‘ aufzugreifen und weiterzuführen, ohne Mötley Crüe zu kopieren. Wir hatten mit Ron Nevison einen hervorragenden Produzenten, Vik Foxx saß am Schlagzeug, es waren nur wir drei, also Vik, Vince und ich, die diese Scheibe aufnahmen.
Ich spielte jahrelang Hamer-Gitarren und hatte ein tolles Verhältnis zur Firma, mit einigen Mitarbeitern war ich sogar befreundet. Einer von ihnen war Peter Wolf, den ich 1986 auf der Frankfurter Musikmesse kennengelernt hatte. Anschließend spielte ich Washburn Gitarren, wir entwickelten ein Steve-Stevens-Modell, das als High-End-Instrument konzipiert, ohne mein Wissen aber auch als billiges Korea-Modell verkauft wurde. Als ich es herausfand, verließ ich die Firma sofort, denn ich wollte meinen Namen nicht auf einem Instrument, das ich überhaupt nicht spiele.
Deshalb hielt ich mich seit 1990 von weiteren Signature-Gitarren fern. Eines Tages bekam ich eine E-Mail von Peter Wolf, der mich fragte, ob ich schon mal etwas von Joe Knaggs gehört hätte. Joe hatte bei Paul Reed Smith gearbeitet, eine meiner Gitarren wurde von ihm entwickelt, ein tolles Instrument.
Peter schrieb: „Joe hat jetzt seine eigene Firma und stellt hochwertige Instrumente her.“ Ich daraufhin: „Ich spiele ja gar nicht diese hochentwickelten Modelle mit Whammy Bar und so weiter.“ Peter antwortete: „Darum geht es bei Joe auch nicht, seine Gitarren sind eher im Stile einer Les Paul.“
Sie schickten mir eine ihrer Gitarren und ich war schwer beeindruckt. Mich begeisterte diese kombinierte Steg/Saitenhalter-Variante, die die Schwingungen der Saiten direkt auf den Korpus überträgt. Man spürt das, wenn man die Gitarre anfasst, sie hat unglaublich viel Sustain und man bekommt all die Wärme, die man auch auf einer Les Paul erhält.
Ich schrieb an Joe: „Tolles Modell, aber würdet ihr drei Dinge für mich ändern? 1. Ich hätte gerne einen dickeren und schwereren Korpus, 2. dickere Bünde und 3. eine andere Anordnung der Knöpfe.“ Das Tolle war: Egal worum ich bat, nie hieß es: „Hm, mal schauen, vielleicht“, sondern immer „natürlich, kein Problem, wird gemacht.“ Ich merkte, dass ich mit diesen Leuten zusammenarbeiten kann, denn sie waren bereit, alles auszuprobieren, was mir am Herzen liegt. So etwas findet man bei anderen Firmen nur sehr selten …
Ich bin auch mit Gibson eng befreundet, aber sie machen genau ihr Ding, und wenn die Les Paul so ist, wie man sich eine Gitarre vorstellt, dann ist dies genau dein Instrument. Aber wenn man etwas Ungewöhnliches haben möchte, ist man bei Gibson fehl am Platz.
Peter Wolf fragte mich: „Würdest du deine Gitarre auch der Öffentlichkeit zugänglich machen?“ Ich antwortete: „Natürlich. Wenn ich die Gitarre spiele, dann stehe ich dafür auch ein.“ Peter fragte mich, welche Farbe ich vorschlagen würde. Ich sagte: „Wie wäre es, wenn wir als Grundlackierung Schwarz nehmen und jeweils immer 100 Exemplare mit unterschiedlichen Binding-Farben ausstatten würden?“
Peter fand die Idee – sagen wir mal vorsichtig – interessant (lacht), und ich sagte: „Ich möchte auf jeden Fall auch ein lila Binding!“ Denn ich liebe diese Pin-Up-Fotografien der 50er-Jahre, ich liebe diese alten lilafarbenen Autos der Fünfziger z. B. den Hot Rod. Ich weiß, dass niemand eine lilafarbene Gitarre kaufen würden, aber als kleines Detail im Binding könnte ich es mir sehr gut vorstellen.
Wie ich schon sagte: Die Firma hat an keiner Stelle eine meiner Ideen abgelehnt, sie sind bereit, alles auszuprobieren. Es könnte mit Knaggs nicht besser laufen.
Rig Rundown: Steve Stevens präsentiert vor einem Konzert sein Gear bei der Billy Idol 2013 Summer Tour:
Die zwei Jahre zuvor beschlossene Partnerschaft zwischen dem ehemaligen Generation-X-Frontmann und Steve Stevens kulminierte 1983 in dem Multiplatin-Album ,Rebel Yell‘ , auf dem sich mit dem Titelsong, mit ,Eyes Without A Face‘ und ,Flesh For Fantasy‘ gleich drei Welthits befanden. Zwar musste sich Stevens gitarrentechnisch weitestgehend zurückhalten, aber immer wenn Meister Idol den Raum für Soli freigab explodierte der seinerzeit noch erstaunlich kurzhaarige Gitarrenmeister förmlich. Besonders aufregend sind auch seine diversen Effektgitarren, die scheinbar aus fremden Hemisphären auf unseren Planeten niederprasselten.
Das erste Soloalbum stand unter keinem günstigen Stern: Die Plattenfirma wartete seit Monaten ungeduldig auf Erfüllung ihres Vertrags mit Steve Stevens, der wiederum lange Zeit keinen geeigneten Sänger finden konnte. Schließlich entschied man sich für Perry McCarty, der aber hinter den Erwartungen zurückblieb und außer schwarzen Locken und einem makellosen Zahncremewerbungsgebiss eher unauffällig blieb. Trotzdem eine tolle Gitarrenscheibe, bei der Stevens mächtig Eindruck schinden und seinen Ruf als wilder Saitendehner manifestieren konnte. Hier regiert die für die Achtzigerjahre typische Kombination aus Leder, langen Locken und (vermeintlich) willigen Mädchen.
Der superblonde Libido-Barde Vince Neil war soeben bei Mötley Crüe gefeuert worden und heuerte als wichtigsten Katalysatoren seiner Sololaufbahn Steve Stevens an, der nach Jahren seiner nicht sonderlich gut laufenden Karriere endlich wieder mit einer richtigen Rock-Diva arbeiten wollte. Das Ergebnis war ein sensationell gutes Hardrock-Album, das in Punkto Sound und Songwriting mühelos das Crüe-Niveau erreichte und im seinerzeit florierenden Haarspray-Metal-Business vor allem den weiblichen Fans feuchte Träume bescherte (man schaue und vergnüge sich köstlich mit dem Videoclip zu ,Sister Of Pain‘ ).
Zusammen mit den Koryphäen Tony Levin (King Crimson, Peter Gabriel) und Terry Bozzio (Zappa, Jeff Beck) zeigte Steve Stevens vier Jahre nach dem rasanten Vince Neil-Album, dass er auch ein glänzender Fusion/Jazzrock-Gitarrist ist. ,Black Light Syndrome‘ war das Erstwerk dieser Besetzung und versprühte ein ähnliches Flair, wie die Mitarbeit von Deep Purple-Gitarrist Tommy Bolin auf der 1973er Billy-Cobham-Scheibe ,Spectrum‘. Wenn man sagt, dass Gary Moore dem Blues die Lautstärke gebracht hat, dann muss man hier wohl konstatieren: Steve Stevens bügelt dem Jazzrock seine Vorstellungen von MetalGitarre über. Eindrucksvoll, aber für den Hörer auch ein wenig anstrengend.
Der Titel des Albums war geschickt gewählt, denn einerseits zeigte die Scheibe Steve Stevens fernab von Metal-Getöse und Fusion-Verkopfung in einer von Flamenco-inspirierten Akustikgitarrenwelt, andererseits spielte Stevens seine Klampfe mit Plektrum (also Flamenco-untypisch) und ergänzte das Werk mit E-Gitarre sowie Schlagzeug- und Bass-Loops. Puristen beider Seiten nahmen dem US-Gitarristen diesen Hybrid unterschiedlicher Einflüsse übel, dennoch ist ,Flamenco A Go Go‘ ein springlebendiges und spielfreudiges Werk, das dem Zuhörer viel Spaß bereitet.
Text: Matthias Mineur