Sandberg aus Braunschweig bauen jetzt seit 30 Jahren Instrumente. Das haben wir zum Anlass genommen, uns die Fertigung vor Ort einmal genauer anzusehen. Bei einer Firma, die so dick im Bassbau-Geschäft ist wie Sandberg, wird das ja eher eine Fabrikbesichtigung als ein schnuckeliger Werkstattbesuch. Oder?
Also auf zum Sandberg. Wobei, das stimmt ja gar nicht mehr. Aber tatsächlich lässt sich der Name auf den alten Firmensitz in Wolfsburg zurückführen – Am Sandberg 8. Seit 1990 jedoch sitzt die Firma von Holger Stonjek in Braunschweig. Und wenn man das Gebäude betritt, merkt man sofort, dass sich Chef, Mitarbeiter und die ganze Firma hier bestens eingelebt haben – charmant, humorvoll und irgendwie organisch gewachsen wirkt das alles.
1993 bekam Ken Taylor, unter anderem Bassist bei Peter Maffay, Udo Lindenberg und den Scorpions, einen eigenen Signature Bass, den bis heute erfolgreichen Sandberg Ken Taylor E-Bass. Hier im Video hörst du den Sandberg Basic Ken Taylor 5:
Und damit kommen wir direkt zur Beantwortung der einleitenden Frage: Mit einer Fabrik hat das hier rein gar nichts zu tun. Vielmehr betritt man eine 700 Quadratmeter große Schreinerei mit angeschlossenen Büros, kleiner Küche, Aufenthaltsraum und … einer kleinen Bühne! Hier arbeiten 17 Festangestellte und 8 Freiberufler und bauen zusammen ca. 1550 Instrumente pro Jahr.
Betritt man dann die Werkstatt, ist man erstmal von dem verhältnismäßig großen Holzlager beeindruckt. „Wir haben jetzt einen Holzhändler aus Hannover- Langenhagen und das hat eine riesige Verbesserung für uns mit sich gebracht“ erzählt Produktionsleiter Daniel Bziuk. „Der kauft den kanadischen Ahorn nicht in Bohlen, sondern in ganzen Stämmen, die er selbst aufschneidet und trocknet. Und die Trocknung in Deutschland ist viel langsamer und schonender für das Holz.“
Die bei Sandberg verbaute Esche stammt aus Europa. „Genauer gesagt, verwenden wir Esche aus Polen und aus Deutschland. In Frankreich beispielsweise ist sie schon anders und ab Jugoslawien ändert sich das auch wieder.“
Das Holz für Erle-Bodies stammt aus Deutschland, die Sumpfesche kommt aus Amerika. „Das Gute an unserem Holzhändler ist auch, dass er viel herumfährt und sich beim Begutachten der Stämme schon überlegt, welches Holz er an einen Schreiner zum Bau einer Treppe verkauft und welches er uns gibt. Er besorgt uns viel sogenannte Seitenware.
Das ist der Teil des Stammes direkt hinter der Rinde, der auch am leichtesten ist.“ Sandberg ist ja für Experimentierfreudigkeit bekannt, aber bei den Basishölzern beschränkt man sich meist auf Traditionelles. „Wir haben auch schon mal einen Bass aus den Bodendielen des Hamburger Star Clubs gebaut. Auf diesen Dielen sind schon die Beatles herumgelaufen. Das ist zwar auch ein schöner Bass geworden, aber vom Klang her eher mittelmäßig.“
Geht es an den Bau der Sandberg Instrumente, wird die Basis-Arbeit mit zwei CNC-Fräsen erledigt. Die Hälse kommen als 65-mm-Bohlen an und werden möglichst genau zugeschnitten. Im ersten Arbeitsgang wird die Aushöhlung für den Halsstab gefräst und die Kopfplatte auf Maß gebracht. Vier Hälse lassen sich gleichzeitig per CNC bearbeiten. Jetzt wird der Halsstab eingesetzt.
„Natürlich verwenden wir einen Double-Action-Trussrod. Das muss man heute. Nicht, dass es einen Vorteil hätte oder man eine Biegung nach vorne brauchen würde. Ein klassischer Fender-Style- Stab würde es auch tun. Das ist ein reines Marketing- oder Verkaufsargument. Wenn du heute keinen Double-Action- Stahlstab verwendest, denken alle, du bist doof“, erzählt Daniel Bziuk.
Anschließend werden die Griffbretter aufgeleimt. Hierzu werden die Halsrohlinge in spezielle Pressen eingespannt, die es erlauben, den Hals unter Spannung zu setzen und so das Griffbrett unter Biegung des Halses aufzuleimen.
„Bei einem Fünfsaiter- Bass verleimen wir das Griffbrett wegen des hohen Saitenzugs mit einem leichten Backbow. Bei einem Sechssaiter ist der Hals schon wieder so breit, dass es fast egal ist. Sechssaiter klingen auch irgendwie immer geil, was auf die Dicke des Halses, immer in einem schönen Verhältnis zur Breite, zurückzuführen ist.“
Auch die Griffbrettmaterialien sind die klassischen Hölzer: Ahorn, Palisander und Ebenholz. „Ich persönlich bevorzuge Palisander, weil es gut klingt und den Hals stabil macht. Ebenholz ist zwar viel härter, aber Bässe mit Ebony-Griffbrett zicken oft rum, was die Saitenlage angeht. Außerdem überträgt sich die Saitenschwingung nicht so gut auf den Hals. Akustik- Gitarren können solch ein Griffbrett besser gebrauchen, weil ihr Korpus schon eher weich ist. Ähnlich ist das auch bei Geigen.“
Auch Torsten Scholz von den Beatsteaks ist ein Sandberg Fan – er hat in dem Sandberg Bass California TSBS seinen Favoriten gefunden:
Sind die Griffbretter aufgeleimt, kommen die Hälse wieder auf die CNC. Hier wird jetzt mit einem Kugelkopf-Aufsatz der Griffbrettradius gefräst. Das Ergebnis ist erstaunlich, man spürt nur noch eine ganz kleine Kante in der Mitte. Diese wird beim nun folgenden Handschliff am klassischen Stewart-MacDonald- Alu-Schleifblock gebrochen. Was Sandberg aber hier anders macht als viele: Der Schleifblock ist auf dem Tisch montiert und der Hals wird bewegt.
„Wenn man es andersherum macht, müsste man den Hals befestigen und sogar unterfüttern. Wir checken das Ergebnis auch immer mit der PLEK gegen – und unser Ergebnis ist super. Diese Variante geht schneller, was generell für uns ein wichtiges Argument ist, um unsere Preise halten zu können.“
Die Bundschlitze wurden früher noch von einer speziellen Maschine gesägt, heute übernimmt das auch die CNC. „Da hat man jetzt die Chance, verschiedene Mensuren anzubieten und auch die Freiheit, mal etwas auszuprobieren.“ Weitere Arbeitsschritte, die mittels CNC gemacht werden, sind die Fräsungen für Inlays und das Bohren der Löcher für die Sidedots. Auf einer zweiten CNC werden die Bodies in Form gebracht. Interessant hierbei ist die Fixierung der Rohlinge auf dem Frästisch. „Wir arbeiten mit einer Vakuum- Pumpe. Und obwohl das nur 0,4 bar sind, sitzt das Holz bombenfest.
Das ist viel besser, als würde man die Bodies festschrauben, denn hier vibriert nichts und das Ergebnis ist nachher viel genauer.“ Alles, was jetzt passiert, geht in einem Arbeitsgang und ohne den Body noch einmal von der Maschine zu nehmen. „Wir fräsen die Pickup-Taschen nebst Bohrlöchern, damit das nachher sauber sitzt und beispielsweise ein Preci-Style-Pickup nicht kippelt. Die Halstasche und die Brückenlöcher werden direkt passend zur Mensur ausgearbeitet, denn das ist viel exakter, als wenn man das Holz nochmal anlegen müsste.
Die Löcher für die Halsbefestigung werden von oben und von unten gebohrt, sodass das Holz nicht ausreißen kann.“ Decken sind klassisch per Presse aufgeleimt und auch ansonsten ist klassisches Gitarrenbau- und Schreinerhandwerk omnipräsent beim Instrumentenbau à la Sandberg.
„Die Bauch-Shapings könnte man auch per Kugelkopf an der CNC erledigen, aber wir machen das per Handschleifer. Das muss man richtig können, aber dann geht das am schnellsten. Das gleiche gilt für die Rundung der Korpuskanten – eine Arbeit, die an einer stationären Fräse manuell erledigt wird.“
Auch das exakte Anpassen von Hals und Body geschieht per Hand am Bandschleifer, da jede Halstasche, obwohl per CNC gefräst, immer minimal anders ist. „Auch wenn du das selbe Programm auf der CNC benutzt, unterscheiden sich dennoch die Ergebnisse im Hundertstelbereich, weil das Holz unterschiedlich nachgibt und zurückfedert.“
In diesem Schritt der Feinanpassung werden auch die Löcher für die Halsbefestigung gebohrt. „Da muss man darauf achten, dass die Löcher tief genug sind, sonst drückt die Schraube dir auf der anderen Seite die Bünde raus. Da hilft dann auch keine PLEK mehr …“ erzählt Daniel.
Sind alle Shapings gemacht und alle Löcher gebohrt, geht es einen Raum weiter zum Lackieren. Sandberg arbeitet mit DDLacken und man versucht, mit so wenig Lackschichten wie möglich auszukommen. „Wenn man ganz genau hinguckt, sieht man manchmal bei schrägem Lichteinfall noch die Maserung. Aber das ist der Preis dafür, dass die Bässe so gut klingen und man eben keinen 2-mm-Polyesterpanzer auf dem Instrument hat.“
Alle Aged- und Matt-Finishes werden hier inhouse gemacht, ebenso alle Halslackierungen. Alle Hochglanzlackierungen werden außer Haus ausgeführt, und auch alles, was per Sandstrahlen erledigt wird. „Und für unsere Airbrush-Sachen haben wir einen Künstler in Magdeburg. Der bekommt alle zwei bis drei Monate drei Instrumente von uns.“
Für das optimale Setup eines Instruments ist eine gute Bundierung zwingend notwendig. „Der Trick ist, den Bunddraht nur an einer Seite des Griffbretts anzuklopfen und ihn dann mit der Presse ins Griffbrett zu drücken. Der sitzt dann bombenfest und man braucht keinen Kleber!“
Das Abrichten der Bundierung geschieht per PLEK-Maschine. Aber auch hier hat sich Sandberg eine Optimierung dieses Prozesses ausgedacht. Beim eingespannten Instrument wird der Saitenzug durch umgelenkte Drähte simuliert, sodass der Hals sich in seiner nachher tatsächlichen Position befindet. So kann die Maschine optimal arbeiten.
Für den Zusammenbau und das finale Setup nimmt man sich bei Sandberg dann richtig Zeit. Hier werden dann auch die Elektrik nebst Pickups montiert. „Pickups sind immer ein heißes Thema“, erzählt Daniel. „Da experimentieren wir viel. Es macht zum Beispiel einen riesigen, klanglichen Unterschied, ob der Pickup eine Kappe hat oder nicht, auch wenn die aus Neusilber ist. Und es ist nicht nur der Sound, auch die Klangregelung wird dadurch beeinflusst.“
Ganz neu im Hause Sandberg sind die Black Label Pickups – „Die haben einfach mehr Dampf und mehr Dreck!“ (Test folgt asap!). Neben den hauseigenen Tonabnehmern bietet Sandberg aber auch Pickups von Herstellern wie Seymour Duncan, Delano oder Kloppman an.
Unterm Strich dauert es circa drei Stunden, bis ein Bass fertig zusammengebaut ist, die sehr pingelige Endkontrolle mit eingerechnet. Ein Arbeitsplatz ist übrigens komplett für die Electra-Modelle reserviert, die in Korea vorgefertigt werden. „Die gehen hier über den Tisch und wir investieren da auch sehr viel Arbeit in Zusammenbau und Setup. Du kannst die sonst einfach nicht guten Gewissens anbieten“ sagt Daniel Bziuk.
Wie klingen Sandberg Bässe? Hier ein Soundfile des Sandberg California VM:
Sandberg bietet drei verschiedene Stufen von Aging an:
Die Arbeitsplätze, an denen den Instrumenten das Aging beigebracht wird, nennt Daniel gerne „Das Reich der selbstgebastelten Werkzeuge“, von denen wir auch einige nicht zu sehen bekommen. Sandberg hat die Kunst des Agings wirklich weit vorangetrieben, sodass auch schon der ein oder andere Fremd-Custom- Shop sich für die Techniken und Methoden der Braunschweiger interessiert.
Aber: In Braunschweig wird nicht wild drauflos geaged, denn für die verschiedenen Aging-Abstufungen gibt es reale Vintage- Vorbilder, die großformatig an den Wänden hängen. Das Aging eines Instruments dauert je nach Kaputtmach-Grad zwischen 1,5 und 15 (fünfzehn!) Stunden.
Eine schöne Geschichte erzählte Holger noch am Rande. „Hier um die Ecke ist ein Heim mit überwiegend unbegleitet geflüchteten Jugendlichen und Kindern aus Eritrea. Eines Tages kam eine der ehrenamtlichen Betreuerinnen und fragte, ob wir ihnen ein traditionelles Instrument bauen könnten – eine Krar, ein afrikanisches Lauteninstrument.
Zwei Hölzer nach oben, ein Querbrett, sechs Mechaniken und ein Pickup. Ganz einfach. Natürlich haben wir das gemacht. Witzig war zu beobachten, wie unterschiedlich der Bauprozess wahrgenommen wird. Bei uns muss natürlich alles immer absolut exakt sein, und bei dem Bau der Krar wurde ich von den Eritreern schon belächelt, als ich nur einen Zollstock benutzen wollte. Die haben mir dann per Daumenmaß gesagt, wie lang die einzelnen Bauteile sein sollten und wo in etwa (!) die Mechaniken sitzen sollten. Gespielt wird das Instrument, indem von hinten die frei schwingenden Saiten rhythmisch abgedämpft werden, so ähnlich wie bei einer Harfe zum Umhängen. Das klingt ganz besonders, ziemlich meditativ.“
Wovon man sich im Laufe der 30-Jahr-Feier noch überzeugen konnte, da die Eritreer natürlich auch vorbeikamen und ihre Krar in einer Session einsetzten.
Ja, Sandberg baut auch schon seit Langem Gitarren. Und obwohl im Portfolio klassisch angelehnte Modelle (California- Serie) ebenso vorkommen wie eigenständige Kreationen (Florence), machen Gitarren nur 5% der gebauten Instrumente aus.
„Das ist ein ganz anderer Markt“, erzählt Holger Stonjek. „Ich hab mich da gefühlt wie ganz am Anfang. Man geht mit einem Koffer unterm Arm in die Gitarrenabteilung eines Ladens und sagt ‚Hallo, ich bin der kleine Holger und ich hab hier mal eine Gitarre mitgebracht. Willst du mal gucken?’ Wir sind halt in erster Linie eine Bass-Firma und haben da über die Jahre unsere Kontakte aufgebaut. Aber die zählen dann nichts, wenn du eine Gitarre auf den Markt bringen willst.“
Wobei man aber nicht sagen kann, dass die Gitarren untergingen: So hat man jetzt grade auf der aktuellen Tour Iron- Maiden-Gitarrist Janick Gers mit einer California gesehen. „Ja, der hat sich neulich hier auch gemeldet, als Maiden in München gespielt haben. Er hatte seinen Vibrato-Arm verloren. Ob wir ihm bitte einen neuen bringen könnten. Und klar, da setzt du dich ins Auto und fährst nach München, um ihm den Vibratoarm zu bringen“, erzählt Holger.
Sandbergs Leitspruch „Always by your side“ verpflichtet halt. „Das stimmt!“ lacht Holger, „und jetzt will sein Manager ihm eine weitere Gitarre zum Geburtstag schenken, die müssen wir irgendwie in der Produktion dazwischen schieben.“
Und so klingt die California von Sandberg:
Aber auch das werden die Braunschweiger hinbekommen. Schließlich ist man bei Sandberg gewohnt, auch ausgefallene Sonderwünsche umzusetzen. „Das schlägt bei uns in beide Extreme – ganz einfache Bässe in schwarz mit Palisandergriffbrett ohne Dots, und auf der anderen Seite extrem aufwendige Custom-Anfertigungen mit allen Extras,“ erzählt Daniel. Sogar Binding findet sich mittlerweile im Optionen-Katalog. Was wir aber nicht an die große Glocke hängen sollen…
Und wo wir schon eben bei Geburtstagsgeschenken waren – wir von Gitarre & Bass gratulieren Sandberg an dieser Stelle ganz herzlich zum 30-Jährigen und wünschen alles Gute für die kommenden Jahre. Wenn man wie wir jetzt Menschen und ihre Firma einmal besucht und kennengelernt hat, weiß man: Die machen das, weil sie Rock’n’Roll und ihre Instrumente lieben, und sie lieben das, was sie dort tun!
Aus Gitarre & Bass 11/2016, Autor: Florian Stolpe