Les Paul wurde am 9. Juni 1915 als Lester William Polsfuss in Waukesha, Wisconsin, geboren und begann schon als Teenager eine professionelle Karriere als Musiker. Etwa im Alter von 17 Jahren arbeitete Lester bei verschiedenen Lokalradiosendern, wo er unter dem Pseudonym Rhubarb Red Country-Gitarre spielte, sein Repertoire aber bald mit Jazz zu erweitern begann.
Schon damals scheint er einen Sinn für Technik gehabt zu haben und wollte den auch auf die Musik anwenden. Er machte sich also auch bald daran, eigene elektrische Geräte herzustellen.
Jedes Mal, wenn man eine Gibson Les Paul oder eine der zahllosen Kopien in die Hand nimmt, kommt man mit einem Mann in Berührung, der, wo immer es ging, die Grenzen des Machbaren auslotete, und dessen Ziel es war, die Art und Weise zu verändern, in der Musik gespielt und aufgenommen wurde.
Wie viele Musiker in den 30er-Jahren, wuchs auch im jungen Lester bald der Wunsch nach einem lauteren Gitarrensignal. „Ich spielte in einem dieser Drive-In-Imbiss-Restaurants“, erzählte er mir bei unserem ersten Interview 1989.
„Die Kunden konnten mich in ihren Autos nicht hören und schimpften, dass ich nicht laut genug sei. Also habe ich ein Telefon als Mikrofon benutzt. Ich nahm den Tonabnehmer eines Phonographen, steckte ihn in die Gitarre, schob den Hörer des Telefons unter die Saiten, um meine Gitarre zu verstärken.
Als Verstärker lieh ich mir die Radios meiner Eltern aus und das funktionierte einwandfrei: Die Kunden waren zufrieden, das Trinkgeld wurde mehr und ich wurde bekannter.“
Dies geschah in einer Zeit, als Firmen wie Rickenbacker, National und andere anfingen, die ersten kommerziellen E-Gitarren in Gestalt von gewöhnlichen Archtop-Gitarren, die mit Tonabnehmern und Reglern ausgestattet wurden, zu verkaufen.
Mitte der 30er-Jahre stieg Gibson aus Kalamazoo, Michigan, mit einer sogenannten Electric Spanish (ES) und einem Verstärker in den Markt ein, ebenso wie ihr größter Konkurrent, die New Yorker Firma Epiphone.
Lester Polsfuss verwendete schon damals eine abgekürzte Version seines Namens, mit der er bis heute berühmt ist: Les Paul. In den Jahren nach 1938 war er der Kopf eines Jazz-Trios, das durch die Fred Waring Show über die Grenzen New Yorks hinaus im Radio lief. In dieser Zeit wechselte er auch von einem akustischen Archtop-Model zu verschiedenen Gibson-Hollowbody-E-Gitarren – darunter eine ES-150, einige frühe L-7- und L-5-Modelle und eine ES-300.
Doch er wäre nicht Les Paul, wenn er nicht mehr gewollt hätte – Extras, an deren Produktion, wie er erkennen musste, keine der etablierten Gitarrenfirmen interessiert zu sein schien.
Ihm schwebte eine Gitarre vor, die den Klang der Saiten wiedergibt und unterstützt ohne ihm dabei etwas hinzuzufügen: keine Verzerrung und, wie er es später beschrieb, keine veränderte Ansprache. Er wusste, wie viele seiner Kollegen damals auch, dass diese frühen Hollowbody-Gitarren aus den 30ern Feedback-anfällig waren und generell keinen schönen Ton hatten. „Ich wollte, dass die Saiten ihre Arbeit machen können“, sagte er mir.
“Ohne Vibrieren der Decke und ohne zusätzliche Verstärkung – weder im Guten noch im Schlechten. Ich wollte sicher sein, dass du die Saiten anschlägst und auch tatsächlich nur das zu hören bekommst. Das war meine Idee, von der aus ich mich an die Arbeit machte.“
Les war für kurze Zeit Mietglied der Supergroup Jazz At The Philharmonic, die vom Chef der Plattenfirma Verve Records, Norman Granz, zusammengestellt worden war. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er für den Armed Forces Radio Service, dessen Standort in Hollywood, Kalifornien, lag. Im Zuge dieser Anstellung unternahm Les Paul weite Reisen, um die amerikanischen Truppen zu unterhalten. Unter den Sängern, die er begleitete war auch Bing Crosby, zu dem ein Freundschaft entstand.
Nach dem Krieg erlangte Les durch Crosbys Nummer-1-Hit “It’s Been A Long Long Time” landesweite Berühmtheit. Crosby zollte ihm Respekt, indem er die Aufnahme unter dem Namen „Bing Crosby With The Les Paul Trio“ herausbrachte. Dies war für Les Paul ein großer Moment: Es brachte ihm eine breitere öffentliche Aufmerksamkeit und ihm wurde schlagartig bewusst, wie seine elektrische Gitarre den Sound und die Atmosphäre einer Hit-Single prägen konnte.
Bing Crosby interessierte sich ebenfalls für das Potenzial von Neuentwicklungen in der Aufnahmetechnik und setzte schon 1947 Tonbandgeräte in seiner Radio-Sendung ein. Das Tape war ein nagelneues Medium und der neueste Stand der Technik.
Crosby muss sich Les gegenüber enthusiastisch über die neuen Möglichkeiten geäußert haben, aber Les war ohnehin schnell zu überzeugen: Crosby schlug vor, die Garage in Les Pauls neuem Haus in Hollywood in ein Studio umzubauen – und wahrscheinlich hatte Les da längst schon mit den Planungen begonnen.
Les war in seinem Element. Er hatte alle Zeit der Welt, um sich mit seinen neuen Geräten vertraut zu machen. Sobald in seinem kleinen Studio alles funktionierte, fing er an, herumzuexperimentieren und die verschiedenen Techniken zu erkunden – zunächst noch mit Platten, später dann auf Band.
Die Methode, auf die er dabei stieß, ist für uns heutzutage selbstverständlich, aber damals musste man sie noch für sich selbst herausfinden, indem man verschiedene Dinge ausprobierte und dabei herausfand, was möglich ist und was nicht. Um dabei auch auf Dinge zu stoßen, die eigentlich nicht funktionieren sollten, es aber trotzdem taten. Eine Vorgehensweise, die perfekt zu Les’ Charakter passte.
Er entdeckte die Möglichkeit mehrere Instrumente übereinanderzulegen, indem er zwei Tonbandgeräte benutzte. Er fügte einer vorhandenen Aufnahme weitere Spuren hinzu und konnte die Geschwindigkeit des Bands auch noch variieren und damit extrem hohe und schnelle Gitarrenpassagen kreieren.
Mit seinen selbstgebastelten Gerätschaften –und später mit den Möglichkeiten eines einzigen modifizierten Tape-Recorders – entdeckte Les, dass er ganz neue Klangwelten erschaffen konnte, indem er eine Art magisches Orchester aus mehreren Gitarren zusammenstellte, das er dirigieren und dazu bringen konnte, große Arrangements eingängiger Instrumental-Stücke zu spielen. Diese übereinander geschichteten Aufnahmen nannte er seine „Multiples“.
Bald stießen auch die Talent-Scouts von Capitol Records auf diese ungewöhnliche Kombination aus Musiker und Produzent und nahmen Les Paul und seinen „New Sound“ unter Vertrag. Les Pauls erste Mehrspur-Hitsingle “Lover” stieg 1948 bis auf Platz 21 in den Charts.
Zwar hatte der Jazz-Saxophonist Sidney Bechet sieben Jahre zuvor bei “Sheik Of Araby” schon eine technisch ähnliche Aufnahme gemacht (er spielte alle Instrumente nacheinander selbst ein) und auch in “Confess”, einem Hit des Sängers Patti Page, wurden Ende 1948 dieselben Techniken verwendet. Jedoch war es Les Paul, der das Overdubbing zu seinem Markenzeichen machte und damit einen Schlüssel zum Erfolg gefunden hatte.
Nach einer langen Pause, die Les Paul infolge eines Autounfalls einlegen musste, erlangte er noch größeren Ruhm, als er die Sängerin Mary Ford mit ins Boot holte.
Ihr richtiger Name war Colleen Summers und obwohl Les Paul sie seit 1945 kannte, heirateten sie erst vier Jahre später. Diese Hochzeit war Les Pauls zweite und fand im Dezember 1949 statt. Im Jahr darauf veröffentlichten die beiden ihre erste gemeinsame Single mit den Songs “Cryin” und “Dry My Tears”.
Les nahm auch von Marys Stimme genau wie von seiner Gitarre mehrere Spuren auf, was Les Paul & Mary Ford zu weiteren großen Hits verhalf. “The Tennessee Waltz” landete 1950 noch auf Platz 6 der US-Charts, aber schon im April 1951 konnte das Duo mit “How High The Moon” einen Nummer-1-Hit mit Goldstatus verbuchen, das ihr im folgenden Video sehen und hören könnt.
Das Time Magazine widmete Les & Mary 1951 ein Feature: „Die Pauls nehmen auf, wo immer sie gerade sind“, schrieb der Reporter. „Sie haben ihre Geräte auf ihren Tourneen immer dabei und schicken stapelweise Aufnahmen an ihre Plattenfirma, die sie dann presst und vermarktet.“
Ihr erster großer Hit “How High The Moon” entstand in einem Keller in Jackson Heights, NY. Paul nahm zuerst mit einer Gitarre den rhythmischen Bass auf, legte ein paar Gitarrenakkorde darüber und schmückte das ganze dann mit weiteren Gitarren aus.
Anschließend legte er zwölfmal Marys Stimme darüber um einen Unisono-Harmonie-Effekt zu erzielen. Das Ergebnis besteht also aus insgesamt 24 Spuren. Darüber hinaus machte sich Les Paul weitreichende Gedanken über Echos. Ein guter Echo-Effekt konnte in einem Radiostudio mit dem Drehen eines einzigen Knopfes erzeugt werden.
Aber Paul fand das unpassend. „Ich erhalte ein besseres Echo, wenn ich Mary und ein Mikrofon im Badezimmer postiere. So haben wir die Rheingold Beer Werbung aufgenommen.“ Für einen noch größeren Delay-Effekt verwendete er zwei Aufnahmegeräte, die er für den Bruchteil einer Sekunde versetzt laufen ließ.
Das Duo gab viele Konzerte, bei denen Les seine Tonbandgeräte immer dabei hatte. Zwischen 1949 und 1950 spielten Les & Mary sechs Monate lang jede Woche in der „Les Paul Show“ des Radiosenders NBC und wurden durch die Fernsehsendung „The Les Paul & Mary Ford Show“, die sie in ihrem Luxusdomizil in Mahwah, New Jersey zeigte und von 1953 bis 1955 auf Sendung war, auch zu TV-Stars. Die Presse bezeichnete das Duo als „America‘s Musical Sweethearts“. Sie gehörten zu den größten Stars der 50er-Jahre in den USA.
Heutzutage denkt man gar nicht an die Magie dieser Arbeit, wenn man zu Hause am Computer mehrere Tracks übereinander legt. Damals in den 50ern muss es gewirkt haben, als sei da Hexerei im Spiel. Les hatte Spaß daran, diese Sicht zu fördern und fand sie mitunter amüsant.
Ein britischer Journalist war offensichtlich so verwirrt vom Sound von “How High The Moon” und von dessen Entstehung, dass er Folgendes schrieb: „Abgesehen von der Tatsache, dass die Aufnahme aus zwölf Gitarren- und neun Gesangsaufnahmen besteht und dass Les seine Kunstgriffe zuhause mithilfe eines Tonbandgerätes umsetzt, verweigert Capitol Records jede weitere Information, die somit als topsecret einzustufen ist.“
Es gab noch mehr Hits, die sich dieser Kunstgriffe bedienten. “The World Is Waiting For The Sunrise” ging 1951 bis auf Platz 2 in den Charts, genau wie “Tiger Rag” im Jahr darauf und der “Bye Bye Blues” schaffte es 1953 immerhin auf Platz 5. “Vaya Con Dios” war im selben Jahr der zweite Nummer-1-Hit des Duos und wenig später landete “I‘m Sitting On The Top Of The World” auf Platz 10. “I‘m A Fool To Care” erreichte 1954 Platz 6.
Les Paul hatte geschafft, wovon viele Musiker bis heute träumen: großen kommerziellen Erfolg mit der Musik zu haben, die er machen wollte und dabei fast alle Produktionsschritte unter eigener Kontrolle zu haben.
Zu Beginn der Erfolgssträhne mit seiner Musik spielte Les eine halbakustische E-Gitarre. Schon damals hatte er Paul Bigsby damit beauftragt, ihm ein kleines Solidbody-Instrument mit durchgehendem Hals zu bauen und auch selbst schon eine eigenartige Headless-Gitarre aus Metall angefertigt. Les Paul war eben immer schon ein begeisterter Bastler…
Er zerlegte Gitarren in ihre Einzelteile, nahm Tonbandgeräte und Verstärker auseinander, nur um sie nach und nach zu verbessern. Er hatte die Vision, dass eine Gitarre mit einem massiven Block im Korpus ein besseres Sustain und einen klareren Sound haben würde und dass sie nicht so anfällig für Feedbacks sein würde wie seine Gibson ES-300, wenn er den Amp zu laut aufdrehte.
An den Wochenenden fuhr er in die leere Epiphone-Fabrik, um seine Ideen auszuprobieren. Das Ergebnis war eine Reihe modifizierter Gitarren, von denen die eine „The Log“ getauft wurde, die anderen bezeichnete er als „Clunker“.
Wie auch immer er sie nannte, es waren eigenartige Arbeitstiere. Durch den Korpus von The Log verlief ein massiver, ca. 10×10 cm starker Block Kiefernholz, woher auch ihr Spitzname stammte. Les sägte zwei Seiten einer zerlegten Epiphone ab und klebte sie an diesen Block, um sie wenigstens wie eine Gitarre aussehen zu lassen.
Danach verpasste er ihr einen Gibson-Hals, ein Larson-Brothers-Griffbrett, ein Kauffman-Vibrato und einen Bigsby-Pickup. In den frühen 50ern spielte Les Paul sowohl auf der Bühne als auch im Studio seine halbakustische Epiphone Clunker. Mary Ford benutzte ebenfalls die Epi Clunker oder eine modifizierte Gibson L-12, die Les für sie gebaut hatte. Es muss im Jahr 1946 gewesen sein, als Les mit seiner Log an Maurice Berlin, Chef des Mutterkonzerns von Gibson in Chicago, herantrat.
Les hatte gehofft, Berlin davon überzeugen zu können, dass diese neue Art der E-Gitarre auch als Gibson-Modell eine gute Figur machen würde. Les, der Entwickler, wusste, dass er da etwas interessantes erdacht hatte und Les, der Geschäftsmann, dachte, dass er damit auch ein wenig Geld machen könnte.
Berlin jedoch nahm ihm, fraglos auf eine charmante, diplomatische Art, den Wind aus den Segeln. „Sie lachten über die Gitarre“, erinnert sich Les, der auf Berlin wie einer von vielen dieser verrückten Musiker gewirkt haben muss, die mit komischen Ideen aufwarten.
Die Lokalzeitung brachte eine Story über den Trend, dass Gibson inzwischen stapelweise Akten mit Ideen von Laien im Schrank hatte – genug, „um einen Höllenlärm zu produzieren“. Darunter war natürlich auch Les’ eigenartige Semi-Solid-Gitarre.
Und dann erschien Fender auf der Bildfläche und deren neuartige Telecaster, die 1950 auf den Markt kam und einige Gitarristen begeisterte, überzeugte die Gibson-Manager davon, selbst mit einer Solidbody-Gitarre in Produktion zu gehen, und damit Fender Konkurrenz zu machen. Der Chef von Gibson, Ted McCarty, fiel Les Paul wieder ein. Nicht der Gitarren-Designer, sondern vielmehr der berühmte Gitarrist, der gerade mit “How High The Moon” einen Nummer-1-Hit gelandet hatte.
McCarty beauftragte sein Team damit, eine Gibson-Solidbody zu entwickeln. Als diese fertig war, suchte er Les Paul auf und schlug ihm einen Deal vor, den man heute als Endorsement bezeichnen würde, damals aber eher unüblich war. Das Gibson-Les-Paul-Modell, das 1952 auf den Markt gebracht wurde und heute als die Goldtop bekannt ist, war somit die erste moderne Signature-Gitarre.
Die neue Goldtop wurde zu einer Serie ausgebaut und Ted schickte Les pflichtbewusst seine Muster. Umgehend machte sich Les ans Werk, sie nach seinen Vorstellungen zu verändern. Gibsons Team hatte das Les-Paul-Modell mit seiner eigenen Zielsetzung entwickelt und hergestellt: Man wollte damit so viele Gitarristen wie möglich ansprechen. Les hingegen wollte eine Gitarre, die zu ihm passte, und weil sie dies nicht auf Anhieb tat, zögerte er nicht, seinen Werkzeugkoffer herauszuholen.
Wenn man sich Fotos aus den 50er-Jahren anschaut, auf denen Les Paul diese Gitarren spielt, sieht man, dass er eigene Vorstellungen davon hatte, wie eine Solidbody-E-Gitarre zu sein hatte – und diese Vorstellungen standen im krassen Gegensatz zu denen von Gibson.
Gibson produzierte zwar auf Les zugeschnittene Instrumente, inklusive einiger Les Paul Customs (z.B. das schwarze Modell von 1954) mit flachem Korpus anstatt der normalerweise gewölbten Decke, und teilweise auch mit weniger als den üblichen vier Poti. Trotzdem modifizierte Les sie immer noch auf die eine oder andere Weise.
In einem Fall beschloss er, den originalen P-90-Tonabnehmer durch einen Pickup von Gretsch zu ersetzen. Ein anderes Mal verwendete er ein klobiges Vibrato-System anstelle der Bridge. Anschließend entschied er sich dazu, die goldenen Gibson-Poti gegen Chickenhead-Pointer-Knobs auszutauschen. Es gab also immer etwas zu verbessern oder auszuprobieren und Les hatte stets sein Werkzeug zur Hand und war nicht verlegen, es auch zu benutzen.
So ungewöhnlich ist das gar nicht: Gitarristen haben schon immer ihre Instrumente nach ihren eigenen Vorstellungen modifiziert, jedoch trieb Les es ins Extreme. Gibson schickte ihm permanent Gitarren, die er dann auseinanderbaute und veränderte. „Bei Gibson haben einige Leute graue Haare bekommen ob der Vorstellungen, die ich hatte“, sagte er.
Seinem Endorsement-Vertrag Folge leistend verwendete Les Paul nach Unterschrift die neuen Gibson-Solidbody-Gitarren. Zum ersten Mal mit einem solchen Instrument auf der Bühne war er 1952 im Paramount Theater in New York City.
Les & Mary gingen anschließend für einige Monate in Europa auf Tournee und einer britischen Zeitung fielen die ungewöhnlichen Instrumente auf, die der „Gitarren-Wissenschaftler“ und seine Gesangspartnerin spielten. „Er brachte seine eigenen speziellen Verstärker mit“, schrieb der Reporter, „und vier speziell angefertigte und überraschend kleine Gitarren mit Korpusausschnitten für die hohen, schnellen Töne – und außerdem eine Menge an Ersatzröhren.“
Ein paar Jahre später stellte Gibson die Produktion der Les Paul ein und ersetzte sie durch das neue SG-Design – auch wenn sie diese Gitarren zunächst Les Paul nannten. Les hatte indes nicht viel für sie übrig: Er mochte ihre Form mit den Hörnern und Cutaways nicht, und fand den Hals zu dünn. Zwar posierte er mit ihnen auf offiziellen Gibson-Werbefotos in den frühen 60ern und später auch auf dem Cover seines Albums “Les Paul Now”.
Wenn er aber live spielte – ein äußerst seltenes Ereignis, auf das ab Mitte der 60er-Jahre eine zehn Jahre dauernde Ruhephase folgte – benutzte er nach wie vor seine altmodischen Gibson Les Pauls, wenn auch, wie immer, nach seinen Vorstellungen modifiziert.
Ab 1963 tauchte Les Pauls Name auf den neuen Gitarren nicht mehr auf, die ab diesem Zeitpunkt als SG (Solid Guitar) bezeichnet wurden. Mitte der 60er-Jahre gab Gibson nach, nahm die Verhandlungen mit Les wieder auf und brachte die originalen Single-Cutaway-Les-Pauls wieder auf den Markt.
Gibson wurde natürlich einsichtig, weil Eric Clapton, Jimmy Page, Peter Green und viele andere eindrucksvoll demonstrierten, was mit diesen Instrumenten alles möglich war. Gibson beschloss, auch ein paar neue Les-Paul-Modelle zu produzieren, die viel näher an dem dran waren, was Les Paul bevorzugte. Diese Modelle nannten sich Les Paul Professional und Les Paul Personal.
In Spielerkreisen gilt ein Gewicht von 4 kg im allgemeinen als ideal für eine Les Paul. Wobei es da nicht nur um das Gewicht an sich, sondern um ihr Klangverhalten, ihren Sound geht. Ein Gewicht von 4 kg bedeutet, dass nicht zu schweres Mahagoni genommen wurde, was für einen luftigen, eher transparenten Sound eine wichtige Grundlage darstellt. Das ist natürlich eine Art Vintage-Sound, der hier als Messlatte dient. Es gibt leichtere Les Pauls bis hinunter zu 3,5 kg, die alle diesen Vintage-Toncharakter besitzen. Dann gibt es aber viele schwerere Les Pauls bis hin zu unfassbaren 6 Kilo Lebendgewicht! Auch diese schweren Les Pauls haben ihre Fans, weil sie eben einen eher kompakten, direkten Sound produzieren, der sich bei stark verzerrenden Amps sehr gut durchsetzt.
Eine schwere Les Paul Custom, bestückt mit EMG-Pickups, gilt als eine der archetypischen Gitarren des Metals. Und das aus gutem Grund, denn in dem Umfeld hätte eine Vintage-Les-Paul schlechtere Karten. Du sprichst oben von einer normalen Les Paul – dann lassen wir mal all die „chambered“ und anderweitig ausgefrästen Les Pauls mal außen vor. Denn die gibt es natürlich auch, und deren Gewicht liegt eigentlich auch immer unter 4 kg, klanglich unterscheiden sich diese dann aber doch von den „normalen“ Les Pauls.
Eine von Les’ Vorlieben waren Niedrigimpedanz-Tonabnehmer, womit er ziemlich alleine dastand. Die meisten elektrischen Gitarren und das meiste Equipment im Gitarrenbereich hatten und haben eine hohe Impedanz. Niedrige Impedanz bietet ein breites Klangspektrum, was aber nicht jedermanns Geschmack ist.
Als Les 1967 zu Gibson zurückkehrte und mit ihnen die Wiederauflagen diskutierte, prieß er mit Leidenschaft seine Niedrigimpedanz-Tonabnehmer an und gab Tipps, wie Gibson sie verwenden sollte. Bemerkenswerterweise schaffte er es, sie zu überzeugen. Die Les Paul Personal war, wie der Name andeutet, einer von Les’ modifizierten Les Paul nachempfunden, ein-schließlich einer eigenartigen Mikrofonbuchse im Body.
Beide Modelle – Personal und Professional – hatten komplexe Schaltungen und man kam nicht umhin zu denken, dass diese Gitarren eher für Aufnahme-Engineers als für Gitarristen entworfen worden waren. Sie hatten einen Drehregler, der in 11 Positionen auf die Übertragung der Höhen wirkte, einen Pickup-Phasen-Schalter und einen Dreiweg-Schalter, der in einer Position alle Regler aktivierte und in den beiden anderen Positionen die Bass- und Höhen-Regler aus der Schaltung herausnahm. Die Personal bot sogar einen Volume-Regler für den Mikrofoneingang im Gitarrenkorpus.
Die Les Paul Personal und die Les Paul Professional waren allerdings nicht erfolgreich und blieben nicht lange im Programm. Genau so wenig wie die artgleichen Les-Paul-Recording-Modelle.
Les fuhr damit fort, seine Gitarren zu modifizieren, nachzurüsten, neu zu verkabeln und generell an ihnen herumzuschrauben. Die meisten dieser Anpassungen hat nie jemand zu Gesicht bekommen.
Manchmal, wenn er in seiner späteren Karriere auf der Bühne stand – er spielte bekanntermaßen fast jede Woche im Fat Tuesday‘s Club in New York und später, ab Mitte der 90er bis zu seinem Tod, im Iridium – konnte man ihn mit einer dieser zusammengestückelten Les Pauls und ab und zu sogar mit „The Les Paulverizer“ sehen.
Diese Gitarre war noch charakteristischer als die Les Paul Personal. Sie hatte natürlich die Niedrigimpedanz-Tonabnehmer, eine ganze Reihe an Knöpfen und einen Tape-Loop-Controller, mithilfe dessen Les Paul das Publikum mit einer Annäherung an seinen berühmten Overdub-Gitarrensound beeindrucken konnte.
Ich habe Les einige Male interviewt und er hat mir jedesmal tolle Geschichten erzählt. Seine Geschichten waren wie die Gitarren, die er verbesserte und ergänzte. Sie veränderten sich und wuchsen, je nachdem was Les mit ihnen erreichen wollte. Als ich ihn zum ersten Mal sprach, fragte ich ihn, ob er Millionär sei. Ich hoffte es, denn ich konnte mir niemanden vorstellen, der eine Menge Geld mehr verdient hätte als er. „Sicher!“ antwortete er.
„Und ich denke, das habe ich meiner Hartnäckigkeit zu verdanken. Du musst für deine Überzeugungen kämpfen –das sage ich auch meinen Kindern. Es gibt immer jemanden, der versucht, dir Steine in den Weg zu legen und es gibt ständig Hindernisse. Egal was du auf dieser Welt tust, es gibt immer Widerstand. Das war bei keiner meiner Platten anders. Ich ging mit “How High The Moon” zu Capitol und musste ein Jahr lang dafür kämpfen, dass sie es veröffentlichen. Du musst einfach daran glauben.“
Vier Jahre später, als ich mein erstes Buch über die Gibson Les Paul schrieb, hatten wir ein längeres Gespräch. Die Geschichten hatten sich weiterentwickelt und ich wollte die neuesten Versionen hören. Ich fragte ihn, was er an den damals aktuellen Les Pauls gerne noch geändert hätte.
„Ach je“, sagte er grinsend. „Wenn du einen Klassiker wie diesen hast, denke ich nicht, dass man etwas verändern sollte. Aber es gab einige Kleinigkeiten, für die ich gekämpft habe, weil sie mir wichtig waren, die ich aber nie bekommen habe. Er hatte scheinbar noch immer dieses Entwickler-Gen und sah immer noch Dinge, die er verbessern wollte.
Das letzte Mal, dass ich mit Les sprach, war 2008, etwas mehr als ein Jahr vor seinem Tod. Mich interessierte, ob er dieser Vintage-Theorie zustimmt, die sagt, dass alte Gitarren besser seien als neue und dass aus diesem Grund alte Gitarren zurecht so viel Geld kosten. „Ich bin der Meinung, dass die Gitarren, die sie heute herstellen, viel besser sind als die, die wir damals hatten“, sagte Les.
„Aber die Gitarren damals waren absolut in Ordnung. Wir haben über die Jahre einfach gelernt, wie wir sie noch besser machen können.“ Les wusste sehr genau, dass jeder Gitarrist seinen eigenen Sound im Kopf hat und dass jeder Gitarrist diesen Sound in seinem Kopf auch wiedergeben will.
Und, so erklärte er mir, wenn andere Gitarristen diesen Sound nachzuahmen versuchen, nehmen sie auch das Instrument wahr, mit dem er erzeugt wird. „Keine zwei Leute suchen nach demselben Sound oder spielen auf dieselbe Weise“, sagte er.
„Und das bedeutet, dass, wenn einer sein Ding durchzieht, es auf einer ganz bestimmten Gitarre vielleicht noch besser klingt. Leute folgen seinem Beispiel und so geht dann der Preis hoch. Ich glaube, wenn wir jemanden bewundern und der dann mit einem Waschbrett auftaucht, würden wir auch 50.000 Dollar für ein Waschbrett bezahlen.“
Les war wie jeder von uns: Er wollte eine Gitarre, die für ihn gut funktionierte. Und trotzdem war er anders als die meisten von uns, denn er nahm die Dinge selbst in die Hand und vertagte sie nicht auf einen anderen Zeitpunkt – einen Zeitpunkt, der in den meisten Fällen niemals eintrifft.
Er tat, was jeder Musiker tun sollte, aber nur wenige erreichen: Er lotete die Möglichkeiten aus und sorgte für Veränderung. Les ging sein Leben lang seinen eigenen Weg und bei nichts war er so hartnäckig und selbstbewusst wie bei seinen Gitarren.
Les Paul starb am 13. August 2009 im Alter von 94 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in einem Krankenhaus in New York.
„Als ich aufwuchs, gab es nur eine einzige Gitarre in der ganzen Stadt“, erzählte er mal. „Es gab nicht einmal ein Musikgeschäft. Damals war ja alles noch im Aufbruch, wie zu den Zeiten der Indianer und Planwagen. Damals wusste der Gitarrenbauer nichts über Elektronik und der Elektroniker hatte keine Ahnung von Musik. Jetzt sind sie verheiratet, und das ist ein Glücksfall.“ Thank you, Les!
Mehr über Les Paul, die Marke Gibson und den Custom Shop erfährst du in dem großen Gibson Special!
Story: Tony Bacon, Übersetzung: Marian Menge