Joe Knaggs & Peter Wolf

Joe Knaggs war nicht weniger als 20 Jahre bei Paul Reed Smith und federführend an der Entwicklung vieler PRS-Modelle und der Etablierung des Private Stock, des PRS Custom Shops, beteiligt, dem er viele Jahre lang vorstand. Man kann sagen, dass Knaggs nach Paul Reed Smith selbst das Aushängeschild der Firma war und speziell für die Qualität und außergewöhnliche Verarbeitung der Produkte dieser Firma stand.

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Die beiden Firmengründer: Peter Wolf (l.) und Joe Knaggs (Bild: Knaggs Guitars)

Peter Wolf, Joe Knaggs’ Partner in Crime bei Knaggs Guitars, hat eine schillerndere Vergangenheit. In Deutschland leitete er mit einem Kompagnon einen der erfolgreichsten Läden der 70er- und 80er-Jahre, Prosound in Koblenz.Parallel dazu und in der Zeit danach etablierte er durch eine gleichermaßen engagierte wie clevere Vertriebsarbeit große US-Marken wie z.B. Hamer und PRS auf dem deutschen Markt, was in die Gründung von PRS Guitars Germany mündete. Eine Firma, die nicht nur die Stellung von PRS in Deutschland manifestierte, sondern die auch interessante Top-Marken wie Soldano und Lakland auf deutschen Boden holte.

In dem Video erzählt Joe Knaggs über die Produktion:

1997 lockte ihn der Ruf von PRS in die USA, wo er zuerst als International Sales Manager und später als Director of Global Sales & Marketing eine prominente Rolle spielte. So war er unter anderem durch den gekonnten Aufbau eines internationalen Vertriebsnetzes letztendlich für den weltweiten Erfolg der Marke PRS hauptverantwortlich.

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Die Entstehung von Knaggs Guitars

Knaggs, Wolf und ihre überschaubare, sehr gut ausgebildete Crew mit insgesamt zehn Mitarbeitern scheinen damals die Zeichen der Zeit richtig gedeutet zu haben. Und die hießen: Weg von jeder Art von Massenproduktion, und hin zu einer kleinen, individualisierten Herstellung auf allerhöchstem Niveau.

Bezeichnend, dass alle Mitarbeiter Ex-PRSler sind, darunter mit Danny Dedo und Dave Hazel zwei Experten, die zusammen mit Joe Knaggs früher die ursprüngliche Besetzung des PRS Private Stock bildeten!

Außerdem ist John Ingram mit an Bord, mit dem zusammen Paul Reed Smith 1985 seine Firma gegründet hatte. Er ist bei Knaggs Guitars der Mann für die Setups und laut Peter Wolf darin „einer der besten auf der Welt“!

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Das fast vollzählige Knaggs-Guitars-Team: Überschaubar und hoch qualifiziert. (Bild: Knaggs Guitars)

Auf dem großen amerikanischen Boutique-Markt, wo in den letzten Jahren verstärkt europäische Gitarren Furore machten, stellt Knaggs Guitars mittlerweile eine richtige und wichtige amerikanische Größe dar. Aber Knaggs setzen auch viele Gitarren nach Europa und Japan ab, wo starke Vertriebspartner gute Arbeit machen. Dennoch – der Anfang war alles andere als leicht.

Ende 2009 hatte sich die USA ihre Finanzkrise geholt und Kredite für die Neugründung einer Firma waren dünn gesät und teuer. Und neben dem rein Finanziellen mussten natürlich auch alle anderen Umstände geregelt werden, die für die Produktion von Gitarren notwendig waren: geeignete Räumlichkeiten, Maschinen, Werkzeuge, Hölzer und andere Materialen wollten organisiert werden …

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Früher wurden hier Baseball-Handschuhe hergestellt, heute Gitarren. (Bild: Knaggs Guitars)

Im Mai 2010 hatte man dann das Gebäude gefunden, das den Ansprüchen genügte und in dem Knaggs Guitars auch heute noch zu Hause ist: Ein altes, charismatisches Backsteingebäude von 1912, in Greensboro, Maryland, das sich ungefähr in der Mitte zwischen Annapolis und dem Atlantik befindet.

In diesem Gebäude wurden bis Ende der 1940er-Jahre hochwertige Baseball-Handschuhe hergestellt – und auch heute noch riecht es hier ein wenig nach Leder. Die alte Fabrik ist so groß, dass sie genügend Platz für eine eventuelle Expansion bietet, und sie war wie eine Spielwiese für die Visionen von Knaggs und Wolf.

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Die Visionen von Knaggs und Wolf

Und Knaggs und Wolf hatten ihre Visionen. Ersterer wollte die eigenen Ideen von Gitarren-Sounds und Gitarrenbau endlich in die Tat umsetzen; in seiner eigenen Firma gab es niemanden, der ihm da hätte reinreden können.

Peter Wolf hatte eine mehr ökonomisch ausgerichtete Vision: Die Etablierung von Knaggs Guitars als eine respektierte, ehrenwerte und profitable Firma, die sehr gute Gitarren für Musiker, Händler und Vertriebsfirmen herstellt. Und der Aufbau eines starken Netzwerkes mit all den Leuten, die Teil dieser Reise werden wollen.

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Joe Knaggs beizt eine Sheyenne-Semiacoustic. (Bild: Knaggs Guitars)

Von vornherein war klar, dass er den Spagat anstrebt, Boutique-Qualität, -Image und -Preispolitik über ein weltweites Händler- und Distributoren-Netz zu verbreiten.Diese unternehmerisch interessante, aber auch riskante Aufgabenstellung, insbesondere für eine Firma, die gerade erst am Anfang ihres Weges stand, wird von kaum einer anderen Firma umgesetzt. Denn entweder ist man Boutique-Hersteller und verkauft direkt an Musiker oder an vereinzelte Läden, oder man fertigt industriell und verkauft traditionell über ein Händler- und Vertriebssystem.

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Abalone-Einlagen in der Decke einer Severn (Bild: Knaggs Guitars)

Dennoch, der von Wolf geplante Spagat scheint geglückt. So wurde die Start-Up-Phase, in der jeder der Beteiligten Abstriche an Freizeit, Geld und Komfort machen musste, in Rekordzeit absolviert und Knaggs Guitars ist mittlerweile tatsächlich eine Marke, die international akzeptiert und etabliert ist.

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Welche Gitarren stellt Knaggs Guitars her?

Manche sahen anfangs in Knaggs-Gitarren nichts anderes als PRS-Instrumente mit etwas anderen Korpusformen und einem anderen Namen auf der Kopfplatte. Dieser Gedanke liegt nahe, denn sowohl Knaggs als auch PRS bedienen den High-End-Markt. Aber wenn man sich die Knaggs-Instrumente und die Struktur des Kataloges näher ansieht, wird man markante Dinge erkennen, die den Unterschied ausmachen.

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Fertig machen zum Lackieren. (Bild: Knaggs Guitars)

Zum einen die Übersichtlichkeit des Programms: Es gibt zwei unterschiedliche, fast schon streng getrennte Serien. Die Chesapeake-Instrumente sind eher kalifornisch orientiert mit einer Mensur von 648 mm, überwiegend Singlecoil-Pickups, Trem-Option etc..

Die Influence-Serie hingegen hat Eigenschaften, die z.B. auch Gibson aufweist: Eine Mensurlänge von 628 mm, gewölbte Ahorn-Decken, Mahagoni-Bodies und vorwiegend Humbucker- oder P-90-Pickups.

Aber: Alle Knaggs-Instrumente haben eingeleimte Hälse mit einem ergonomisch extrem komfortablen Hals-/Korpus-Übergang. Denn Joe Knaggs ist der Meinung, dass ein geleimter Hals die Gitarre stabilisiert, überflüssige Vibrationen minimiert und dadurch die Schwingungsübertragung intensiviert.

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Lackiert! (Bild: Knaggs Guitars)

Jedes Modell dieser beiden Serien ist in drei Ausstattungsvarianten erhältlich: Tier 1 bezeichnet die opulenteste, Tier 3 die einfachste Ausstattung. Wobei Tier hier englisch zu verstehen ist – als Rang, oder Abstufung.

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Wie klingen Knaggs Guitars?

Joe Knaggs‘ Vorstellungen von einem guten Gitarren-Sound unterscheiden sich deutlich von dem seines ehemaligen Arbeitgebers. Er strebt stets nach einem Sound, der sich durch klare, tiefe Bässe, satte Tiefmitten und runde Höhen auszeichnet. Obere Mitten sind jedoch nicht gerne gesehen, weil sie schnell dazu tendieren, nasal und aufdringlich zu klingen.

Um diesen seinen Sound zu erreichen, ließ Knaggs sich unter anderem neue, innovative Brückensysteme einfallen, deren großer Benefit die Tatsache ist, dass sie die Schwingungsübertragung der Saiten in den Korpus wie kaum eine andere Konstruktion ohne nennenswerte Verluste bewerkstelligen.

Alle drei Konstruktionen (Hardtail, Trem, Influence) sind in sich geschlossene Systeme, deren einzelne Teile so fest miteinander verbunden sind, dass an den Übergangsstellen keine Verluste an Schwingungsenergie auftreten können.

Die Influence-Brücke z.B. kombiniert eine Art Stop-Tailpiece mit einer Tune-o-matic-style Brücke – beide Teile sind über eine Grundplatte fest miteinander verbunden und garantieren so eine möglichst direkte Übertragung ohne Verluste – in der Art eines Einteiler-Steges wie der Wraparound, aber mit dem Vorteil der perfekten Einstellbarkeit.

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Die Influence Bridge ist ein Meisterwerk des modernen Instrumenten-Brücken-Baus. (Bild: Knaggs Guitars)

Oder: Der bewegliche Teil des Trem-Systems, ist über Scharniere (!) so eng mit einer fest auf den Korpus verschraubten Grundplatte verbunden wie es nur eben geht. Und eben nicht nach den Messerkanten- oder Vintage-Prinzipien, denen nahezu alle anderen Hersteller folgen. In der Grundplatte sitzt der Steg-Tonabnehmer, komplett umgeben von Stahl, was bekanntlich bei der alten Telecaster schon für einen ganz besonderen Sound gesorgt hat. So muss nicht alles, was alt ist, erneuert werden.

Neben diesen innovativen Brückensystemen fallen vor allem die prächtigen Deckenhölzer, ihre wunderbaren Lackierungen und die teilweise ungewöhnlichen Oberflächengestaltungen wie Holz-Schlagbretter oder der dreidimensionale Aufbau einiger Modelle mit deutlich abgesetzter Deckenschicht auf.

Grundsätzlich geht es Knaggs darum, die Gitarre jederzeit „atmen“ zu lassen. Joes Credo: Den Lack so dünn wie möglich halten und keine gummiartige, farbige Beize verwenden, wie dies manch andere Hersteller tun.

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Welche Pickups verwendet Knaggs Guitars?

Knaggs Guitars hat keinerlei Bestreben, Pickups selbst herzustellen, sondern vertraut hier in der Regel auf die Zusammenarbeit mit etablierten Herstellern wie Seymour Duncan und Lindy Fralin. Beide haben nicht nur ein großes Sortiment, sondern auch immer ein offenes Ohr für Sonderwünsche.

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Knaggs Chena mit Bigsby. (Bild: Knaggs Guitars)

Auch bei der Pickup-Wahl gilt, dass ein Sound mit dominierenden oberen Mitten nicht das Maß aller Dinge ist. Der Pickup soll den vollen, klaren Sound der Gitarre unterstützen, bei eher geringem Output – ein Vintage-geprägter Aspekt.

Was aber auch der Grund dafür war, dass die Steve-Stevens-Signature-Gitarre spezielle Pickups von Bare Knuckle bekommen musste, um eben genau den mittigen, extrem druckvollen Sound zu erreichen, den der Billy-Idol-Gitarrist im Ohr hatte.

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Nils Lofgren von Springsteens E-Street-Band spielt ein Knaggs-Signature-Modell, eine Severn T2 mit Holz-Pickguard und drei OBL-Humbuckern in Singlecoil-Form – also die Features, die Lofgrens bekannte, alte Fender Strat auch hat. (Bild: Knaggs Guitars)

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Was bedeuten die Modellnamen bei Knaggs Guitars?

Eine Nebensächlichkeit, die aber Joe Knaggs als naturverbundenen und bodenständigen Typen kennzeichnet, ist die Benennung der einzelnen Modelle nach nordamerikanischen Flüssen.

Früher hat er Tage und Wochen in der freien Natur verbracht, und das meist in der Nähe von Flüssen und Wasserfällen. Viele dieser Namen wie Kenai, Sheyenne, Keya etc. sind indianischen Ursprungs; zum einen, weil sie, wie er sagt, besser als die „weißen“ klängen, zum anderen, weil Knaggs sich dem Spirit der Ureinwohner Amerikas sehr verbunden fühle.

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True leadership

Über Knaggs stand vor einiger Zeit zu lesen, er sei der „true leader in the new wave of american luthiers“. Ein Kompliment, das dem sympathischen, eher bescheidenen Gitarrenbauer sicher sehr gut getan hat. Denn er hatte 2013 eine sehr schwere Zeit: Im August war bei ihm eine Krebserkrankung im Halsbereich diagnostiziert worden. In den Wochen und Monaten, in denen Joe durch das ganze Chemo- und Bestrahlungsprogramm ging und nur temporär in seiner Firma sein konnte, rückte das Knaggs-Team ganz eng zusammen und wurde durch Geschäftspartner, Ex-Kollegen und Musiker wie Steve Stevens und anderen dabei unterstützt, die Firma am Laufen zu halten.

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Zurzeit sicherlich der wichtigste Knaggs-Botschafter: Steve Stevens, wieder omnipräsent als Gitarrist der Billy-Idol-Band und mit seinen Solo-Projekten. Seine SS ist eine Sonderform der Kenai. (Bild: Knaggs Guitars)

Im Februar 2014 gaben die Ärzte Knaggs dann wieder grünes Licht, denn der Krebs war besiegt. Und alle Menschen rund um Knaggs Guitars waren um eine prägende und stärkende Erfahrung reicher. Mehr als je zuvor fühlen sie sich heute als eine verschworene Einheit, die gemeinsam an dem Ziel arbeitet, die Visionen ihrer beiden Masterminds in die Tat umzusetzen.

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Die Creation-Serie von Knaggs Guitars

Auch Joe Knaggs Tatendrang ist längst wieder erwacht. Sein Katalog steht – wo sind also bitte die nächsten Aufgaben? Er könnte sich z.B. vorstellen, verstärkt Akustikgitarren zu bauen, ein Thema, dass bei Knaggs Guitars im Moment eher noch am Rande mitläuft.

Mehr über die Serie erzählt Wolf in dem Video von der NAMM 2014: 

Er sieht sich aber auch vermehrt „One Offs“ bauen – also Einzelstücke mit ungewöhnlichen bis spektakulären Features. Wie z.B. in die Decke eingelegte Edel- oder Halbedelsteine, was ein spektakuläres Bild von der Harmonie der Elemente ergibt. Passend zu diesen Ideen wurde eine neue Serie ins Leben gerufen, die Creation heißt.

Hier wird das Thema, das bei anderen Firmen Custom Shop, Masterbuilt oder Private Stock heißt, auf die Spitze getrieben. Denn der Kunde, der ein Creation-Modell haben möchte, macht lediglich Angaben zum gewünschten Modell und zur Holz- und Hardware-Bestückung, und gibt ein Thema an, dass dieser Gitarre zugrunde liegen soll. Ab dann verlässt er sich ganz auf den Gitarrenbauer und Künstler Joe Knaggs, der speziell für ihn diese Gitarre bauen wird. Der Kunde wird das Instrument dann erstmals bei seiner Auslieferung sehen.

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Knaggs Fitarre mit Edelsteinen (Bild: Knaggs Guitars)

Die ersten Modelle der Creation-Serie wurden bereits gebaut und sind tatsächlich wundervolle Unikate auf allerhöchstem Niveau – optisch, spielerisch und klanglich.

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Wie sieht die Zukunft von Knaggs Guitars aus?

Und was können wir von Peter Wolf in Zukunft erwarten? Er, der vor fünf Jahren als Deutscher in der Neuen Welt eine eigene Gitarrenfirma gründete und damit in einer Reihe mit so illustren Namen wie Christian Friedrich Martin und Friedrich Gretsch steht, wird mit all seinem Wissen, seinem Gespür fürs Business und seinen guten Connections dafür sorgen, dass Knaggs Guitars auf der großen Landkarte der Gitarrenhersteller den Platz bekommt, der der Firma zusteht.

Fakt ist, dass Knaggs Guitars auch in Zukunft übersichtlich bleiben wird. Was bedeutet, dass das Team zwar langsam und kontinuierlich ausgebaut, aber eine überschaubare Größe von 25 bis 30 Mitarbeitern nicht überschreiten wird.

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Wie viele Gitarren stellt Knaggs im Monat her?

Zurzeit baut man in Greensboro 40 bis 45 Gitarren im Monat, davon 85% E-Gitarren. Der Rest verteilt sich auf Akustikgitarren und E-Bässe. Vielleicht erreicht man mittelfristig eine Zahl von 100 bis 150 Instrumenten, aber es herrscht keine Eile, dieses Ziel unbedingt bald erreichen zu wollen.

Außerdem hat man kein Interesse daran, in Fernost herstellen zu lassen. „Been there, done that“ wird in USA gerne gesagt – und das trifft im Fall von Wolf und Knaggs wohl den Kern ziemlich genau. Sie haben aus ihrer Vergangenheit die für sie richtigen Schlüsse gezogen, sie werden ihren eigenen Weg gehen … und wir werden sie dabei beobachten.

Autor: Heinz Rebellius (erschienen in Gitarre & Bass 01/2015)