Wir haben wieder ein Gitarre-&-Bass-Sonderheft am Start! Nach dem G&B-„Do It Yourself“-Special, erschienen Ende 2017, veröffentlichen wir jetzt das JIMI HENDRIX ABC, das sich komplett der Musik, den Gitarren, Amps & Effekten und natürlich auch der Spieltechnik dieses einflussreichen Gitarristen widmet. Wir stellen alle wichtigen Signature-Instrumente vor, und wir haben mit einigen bekannten Jimi-Fans über das Thema gesprochen: JOE SATRIANI, ULI JON ROTH, NGUYÊN LÊ, MICHAEL LANDAU, ROBIN TROWER u.a. haben uns von ihrem Verhältnis zur Musik von Hendrix erzählt, die Bassisten NOEL REDDING und BILLY COX, sowie Produzent EDDIE KRAMER über die Zusammenarbeit mit dem legendären Gitarristen berichtet. Es geht um Rock, Blues, Jazz und alles dazwischen, um Sounds, Spielweisen & Schubladen.
Das G&B-SPECIAL: JIMI HENDRIX ABC kann VERSANDKOSTENFREI über www.gitarrebass.de/shop bestellt werden. Hier gibt’s übrigens auch weiterhin die vielen anderen G&B-SPECIALS, die wir in den vergangenen Jahren veröffentlicht haben.
Jimi Hendrix wurde als John Allen Hendrix am 27. November 1942 in Seattle geboren. Sein Vater, der Soldat James Allen Hendrix, war zum Zeitpunkt seiner Geburt in Alabama stationiert und änderte den Namen nach seiner Rückkehr 1946 in James Marshall Hendrix um.
Seine Mutter Lucille Jeter bekam 1948 zwei weitere Söhne, Leon und Joseph („Joey“). Doch Jimis Vater erkannte die Vaterschaft von Joseph nicht an – vier Jahre später 1950 ließen sich die Eltern scheiden. Jimi wuchs fortan beim Vater auf.
Mit vier bekam Jimi eine Mundharmonika geschenkt, mit 13 erhielt er von seinem Vater eine einseitige Ukulele, 1957 endlich seine erste Akustikgitarre. Diese hatte sein Vater für fünf Dollar gebraucht gekauft. Seine erste elektrische Gitarre war eine „Supro Ozark 1560S“.
Die Garfield High School musste Hendrix 1959 wegen schlechter Noten verlassen. 1961 trat er der Army bei, nachdem er nach einem Autodiebstahl die Wahl hatte: Armee oder Gefängnis. Doch schon nach 13 Monaten wurde er wegen schlechter Führung entlassen. Doch der Militärdienst hatte auch sein Gutes – dort lernte er Billy Cox kennen, mit dem er die Band The King Kasuals gründete.
Mit der Debüt-Single ,Hey Joe‘ begann im Dezember 1966 die Karriere von Sänger & Gitarrist Jimi Hendrix und seiner Experience mit Noel Redding am Bass und Drummer Mitch Mitchell. Sicher ist, dass Jimi das Stück nicht selbst geschrieben hat, die wahre Urheberschaft wird bis heute kontrovers diskutiert, meist wird sie dem amerikanischen Singer/Songwriter Billy Roberts (eigentlich William Moses Roberts Jr.) zugeschrieben.
Wie dem auch sei, offenbar hatte das Power-Trio den psychedelischen Nerv des Zeitgeists getroffen, denn bereits einige Wochen später knackte ,Hey Joe‘ die Top10 der britischen Charts – kein schlechter Start für einen Newcomer. Hendrix hat sich später von diesem „Cowboy-Song“, wie er ihn nannte, distanziert, er habe nichts mit dem zu tun, was er und seine Band eigentlich spielten. Und tatsächlich, die im Mai 1967 erschienene Single ,Purple Haze‘ klang wesentlich progressiver und wurde beherrscht von bislang nicht gekannten, virtuosen Gitarren-Lines.
Jimi Hendrix! Die Musik des Sängers, Gitarristen und Innovators aus Seattle ist ein Planet für sich, dessen Entdeckung und Erforschung immer wieder neue Aspekte zutage fördert und viele Künstler inspiriert(e). Seine zu Lebzeiten erschienenen Alben sind, um im Bild zu bleiben, so etwas wie die Kontinente, von denen jeder einzelne seine eigenen Reize bietet.
Seit 1966 hatte die Jimi Hendrix Experience, mit Mitch Mitchell (dr) und Noel Redding (b), neben zahlreiche Singles und einer Hit-Compilation drei Studio-Alben herausgebracht. 1969 wurde die Band aufgelöst, im selben Jahr trat Jimi beim „Woodstock Music And Art Festival“ in größerer Besetzung mit Gypsy Sun & Rainbows auf. Den Bass spielte jetzt Billy Cox, ein alter Freund aus der Army-Zeit.
Schließlich präsentierte Hendrix zum Jahreswechsel 1969/70 die Band Of Gypsys, zu der neben Cox nun Buddy Miles gehörte, der schon auf dem letzten Experience-Album ,Electric Ladyland‘ bei zwei Nummern getrommelt hatte. Dieses neue Trio gab in der Sylvesternacht und an Neujahr insgesamt vier Shows im Fillmore East, New York. Aus den Mitschnitten landeten schließlich sechs Songs auf Jimis erstem Live-Album ,Band Of Gypsys‘.
Und für den ein oder anderen Fan dürfte es eine Überraschung gewesen sein: Kein ,Hey Joe‘, kein ,Purple Haze‘, kein ,Foxy Lady‘, kein ,All Along The Watchtower‘, von all diesen großen Hits war nichts zu hören. Stattdessen startete das Album mit dem hypnotischen ,Who Knows‘. Ein treibendes Groove-Monster, das auf einem einzigen bluesigen Riff basiert, das Gitarre und Bass unisono spielen und später von der Band dynamisch in Szene gesetzt wird.
Von Beginn an ist der unglaublich tragende Bass-Sound auffällig, den Billy Cox laut Interview von 2008 größtenteils mit einem Fender-Bass und Marshall-Amps produzierte. Wesentlich eingängiger wirkt das von Buddy Miles gesungene ,Changes‘ (eigentlich ,Them Changes‘). Auch die zweite Miles-Nummer ,We Gotta Live Together‘ klingt erstaunlich locker und funky.
Gegen Ende steigern sich die Musiker in einen ultraschnellen Beat – was für eine großartige Band-Dynamik! Das aggressive ,Machine Gun‘ ist die zentrale Nummer des Albums, die auf über zwölf Minuten ausgedehnt wird. Richtig scharf kommen immer wieder die abgedämpften Staccato-Einwürfe, mit denen Hendrix die Salven eines Maschinengewehrs imitiert. In den Solo-Parts beeindrucken Hendrix‘ Feedbacks, die mit expressiv-brutalen Vibratohebel-Attacken kombiniert werden, ähnlich packend wie die Dive-Bombs in ,Star-Spangled Banner‘ vom Woodstock-Festival.
Im Kontrast dazu standen die eher ruhigen Strophen-Parts, deren bluesige Vibes an die Hendrix-Nummer ,Voodoo Chile‘ erinnern. In Video-Mitschnitten der Band Of Gypsys sieht man Jimi mit einer Rechtshänder-Fender-Stratocaster, die der Linkshänder wie gewohnt seitenverkehrt spielte. Laut seines Technikers Roger Mayer hat Hendrix seine Gitarren mit Saiten in den Stärken .010, .013, .015, .026, .032 und .038 bestückt.
Hinter Hendrix standen die obligatorischen Marshall-Stacks. Und zu den Live-Pedalen gehörten in der Regel ein Dallas Arbiter FuzzFace, ein Vox Cry Baby WahWah und ein Univox Uni-Vibe. Der legendäre Zerr-Sound des Albums inspirierte übrigens den Effektgeräte-Hersteller Dunlop zu einem limitierten „Band Of Gypsys Fuzz Face Distortion“-Pedal.
Mittlerweile ist auch eine preisgünstigere Mini-Version erhältlich. Durch die neuen Songs zog sich eine düstere Härte, die man so von Hendrix noch nicht gehört hatte. Vielleicht spiegelt sich darin wieder, dass ,Band Of Gypsys‘ in einer schwierigen Phase entstanden war. Um Vertragsauflagen gegenüber seinem Ex-Manager Ed Chalpin zu erfüllen, war Hendrix gezwungen für Capitol Records noch ein letztes Album abzuliefern – wirklich schlechte Voraussetzungen um kreativ zu sein. Doch trotz widriger Umstände ging Hendrix mit diesem Album erneut einen künstlerischen Schritt nach vorne.
Nach den wegweisenden Studio-Experimenten auf ,Electric Ladyland‘ standen auf der Bühne nun Groove und Improvisation im Vordergrund. Die Modernität der Songs ist nicht zu überhören. Die Verschmelzung aus Rock und Funk verweist in Richtung solcher Bands wie Red Hot Chili Peppers, Living Colour oder auch Rage Against The Machine. Und sicher hat dieses Album auch Allround-Talenten wie Prince und Lenny Kravitz musikalische Perspektiven aufgezeigt.
Welches Potential in der Musik von damals steckte, zeigten in den 90ern verschiedene US-HipHop-Acts wie u.a. Digital Underground und Penthouse Players Clique, die in ,The Way We Swing‘ bzw. ,They Don‘t Know‘ das Hauptthema aus ,Who Knows‘ sampelten – Erstere übrigens mit genialem, Letztere mit eher schwachem Ergebnis. ,Band Of Gypsys‘ war das letzte Album, das Jimi Hendrix veröffentlichen sollte – mal abgesehen vom Live-Mitschnitt der im August 1970 erschienenen Split-LP ,Monterey International Pop Festival – Otis Redding/The Jimi Hendrix Experience‘.
Jimi Hendrix wurde nur 27 Jahre alt, die Wucht seiner letzten noch zu Lebzeiten veröffentlichten Aufnahmen wirkt bis heute nach.
Text: Arnd Müller
Jimi Hendrix starb am 18. September 1970 mit nur 27 Jahren an einer unbeabsichtigten Schlafmittelvergiftung im St. Mary Abbot’s Hospital in London. Das offizielle Statement vom 28. September nennt als Todesursache „Ersticken an Erbrochenem aufgrund der Einnahme von Schlaftabletten in Kombination mit Alkohol“. Die Dosis des eingenommenen Schlafmittels schließt eine Suizidabsicht aus, so dass von einem Unfall ausgegangen wird.
Bereits die letzten Jahre vor seinem Tod hatte Hendrix jedoch seinen Drogenkonsum erheblich verstärkt. In der Nacht seines Todes war seine Freundin Monika Dannemann in dem Hotelapartment – die deutsche Eiskunstlauftrainerin war es auch, die ihn fand und den Notarzt alarmierte.
Aufgrund des fehlenden Testaments ist nach Jimis Tod ein unschöner Familienstreit um das Erbe ausgebrochen. Sein Vater Al Hendrix und dessen Adoptivtochter Janie Hendrix-Wright wurden zwar vom Nachlassverwalter als Haupterben bestimmt – nach dem Tod von Jimis Vater 2002 ging der Erbstreit um das Unternehmen Experience Hendrix, die James (Jimi) Marshall Hendrix Foundation, die Tantieme und Verwertungsrechte jedoch weiter. Sein Bruder Leon verklagte seine Adoptivschwester, da er lediglich eine goldene Schallplatte erhalten hatte. Sein Vater hatte ihn aufgrund von Alkohol- und Spielsucht jedoch vom Erbe ausgeschlossen.
Der Produzent Alan Douglas und der Rechtsanwalt Leo Branton spielen im Erbstreit ebenfalls eine Rolle. Sie hatten die Mitglieder der Jimi Hendrix Experience 1974 davon überzeugt, eine Freigabe-Erklärung zu unterschreiben, wonach die Musiker einmalig 50 000 Dollar erhielten. Leo Branton ließ auch Al Hendrix einen dubiosen Vertrag unterschrieben. 1993 klagte Janie und erhielt vom Gericht die Zusage, dass die Erben die Rechte nie abgetreten hatten.
Das gesamte Vermögen hat heute einen geschätzten Wert zwischen 150 Millionen und 240 Millionen Dollar.
Hendrix selbst hat sich nie als Schauspieler versucht – sein aufregendes, wenn auch kurzes, Leben wurde jedoch bereits öfters verfilmt. In dem Film „Hendrix“ von Regisseur Leon Ichaso aus dem Jahr 2000 spielt der US-Schauspieler Wood Harris die Gitarrenlegende. In dem Drama „Jimi: All Is by My“ Side von 2013 mimt der Outcast-Musiker André 3000 Hendrix. Regisseur der britisch-irischen Produktion war John Ridley.
Hier der Trailer von Jimi: All Is by My:
https://www.youtube.com/watch?v=nMGJJepTN1w
Ein weiterer nennenswerter Hendrix-Film ist die 1973 veröffentlichte Rockumentary „Jimi Hendrix“ von Joe Boyd , John Head und Gary Weis. Diese enthält Konzertmitschnitte aus den Jahren 1967 bis 1970 und Interviews mit Freunden und Familie von Hendrix.
Playalongs und Karaoke-Versionen von Jimi Hendrix-Stücken findest du in unserem Playalong-Shop!
Jimi Hendrix (1942 – 1970), ob wir es wollen oder nicht, ist unser aller Vorbild, unser Meister, der Wegbereiter unserer Passion. Als er 1966 die große Bühne der Rock-Welt betrat, war es für viele wie eine Offenbarung. Die Suche hatte endlich ein Ende, der Himmel öffnete sich, die Erlösung war da. Hendrix kam, erklomm den Berg, hielt ein paar Jahre lang seine Predigt und starb nicht viel später an den Folgen seines Tuns & unglücklicher Umstände.
Vorher jedoch half er dem lahmenden Rock ’n’ Roll auf die Beine, verwüstete den Pop-Markt der konservativen Musikwelt und brachte Steine ins Rollen, die bis heute nahezu jeden unserer Zunft mitgerissen haben.
Jimi Hendrix ist der Hirte, der uns auf steinigen Pfaden den Weg in eine bessere Zeit, den Weg nach Rock-’n’- Roll-Land gezeigt hat. Und er konnte sogar auf der E-Gitarre akustisch spielen. Und so weiter. Und so weiter …
Schreit da jemand Blasphemie? Nein, das ist es nicht. Es ist lediglich ein Versuch, zum Ausdruck zu bringen, wie groß meiner Meinung nach das Erbe von Gitarrengott Jimi Hendrix ist. Und man könnte diesen leicht hinkenden Vergleich durchaus noch ein wenig fortsetzen, aber Hendrix ist natürlich nicht Jesus und schon gar nicht der Allmächtige selbst, zumal bei ihm ja auch nicht ein Dornenbusch, sondern die Gitarre in Flammen aufging.
Und doch sind die Hendrix-Aufnahmen für Gitarristen wie die Bibel für Gläubige. Hier hört man wie es gehen soll, und wie der richtige Weg auszusehen hat. Doch genug davon. Fest steht wenigstens, dass jeder E-Gitarrist von ihm beeinflusst ist – der eine unmittelbar, der andere über ein paar Ecken. Doch wenn es um Rock-Gitarre geht, steht Hendrix immer an vorderster Stelle auf der Liste der Einflüsse. Durch seine Licks, durch seinen Ton oder bloß durch seine Attitüde. Nach ihm war einfach nichts mehr wie vorher. Und man braucht sich ja nur einmal die Red Hot Chili Peppers oder Rage Against The Machine anzuhören: Da ist überall auch eine gute Portion Hendrix mit drin.
Text: Marian Menge
„Jimi Hendrix kam vom Blues, wie ich. Und deshalb haben wir uns auch auf Anhieb gut verstanden. Er war ein Blues-Gitarrist.“
„Ich legte eine Hendrix-Platte auf, und mein Sohn fragte mich: ‘Daddy, wer ist das?’ Und ich sagte: ‘Weißt du, das ist Gott.’“
„Jimi Hendrix hatte einen sehr großen Einfluss auf mein Leben. Als ich 14 war, habe ich ihn in einem kleinen Club live spielen gesehen. Er war einer der Menschen, die in mir den Wunsch geweckt haben, unbedingt Musiker zu werden.
„Manchmal willst du die Gitarre einfach hinschmeißen, dann hasst du dein Instrument. Aber wenn du ihm trotzdem treu bleibst, wirst du dafür belohnt werden.“
G&B: Hast du vielleicht noch einen speziellen Tipp für aufstrebende Gitarristen?
Collins: Genau das ist die Story, die ich allen jungen Gitarristen erzähle: Spiel’ weiter, mache deine eigenen Sachen! Weißt du, das Problem, das viele junge Musiker heute haben ist, dass sie sich ständig Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan u. a. angehört haben – und jetzt spielen sie eben auch Sachen, die klingen wie Jimi Hendrix und Stevie Ray Vaughan. Spiel’ deinen eigenen Kram, wenn du das kannst – das habe ich auch immer gemacht! Dann wird aus dir auch was eigenes werden …
„Ich hatte bis zu meinem 12. Lebensjahr kein großes Interesse an Musik, schaute mir im Fernsehen auch keine Musiksendungen an und besaß noch nicht mal ein Radio. Und dann hörte ich (um 1983) Van Halens erstes Album, das damals schon relativ alt war. Ich war sehr inspiriert von Eddies Sound, der unterschied sich so stark von dem, was andere Gitarristen machten.
Ich empfand das als so revolutionär, wie ich heute Jimi Hendrix sehe. Beide haben die Gitarre auf ihre eigene Art neu definiert; und der Sound von beiden ist auch gleichermaßen schwer zu imitieren. Das hat auch nichts mit ihrem jeweiligen Equipment zu tun; diese Art von Sound kommt zu 75% aus den Fingern, vom Vibrato und vom Anschlag.“
„Für Clapton, Hendrix, die Stones und andere Leute aus den Sechzigern habe ich mich erst sehr spät interessiert; meine ersten Hendrix-Alben kaufte ich vor drei oder vier Jahren (lacht). Ich beschäftigte mich eben mehr mit ganz straightem Blues… – obwohl Jimi Hendrix vielleicht, mmh, vielleicht einer der besten Blues-Gitarristen überhaupt war, wenn er echten Blues spielte.
Ich habe einige Bootleg-Versionen von ,Red House‘ zu Hause. Bei einer Aufnahme spielt er sehr, sehr langsam, mit cleanem Ton und auch sonst sehr sauber, ohne Fehler. Das ist wirklich toll … Aber es waren eigentlich Leute wie die Fabulous Thunderbirds und Stevie Ray Vaughan, die mir die Türen geöffnet haben. Stevie Ray hatte in dieser Hinsicht für meine Generation eine ähnliche Bedeutung wie Clapton in den 60er Jahren. Diesen Musikern schulden wir daher eine Menge.“
Stern: Ich liebe die ,Band Of Gypsies‘, aber auch ,Are You Experienced‘, ,Axis: Bold As Love‘. Wow! Großartige Musik, und auch heute noch absolut großartige Platten! You can put that shit on, and it’s like … come on! He did a lot of great stuff!
G&B: Ein größeres Publikum ist während deiner Zeit mit Miles Davis zum ersten Mal auf dich aufmerksam geworden. Dein Stil war damals sehr Rock-orientiert.
Stern: Miles wollte, dass ich in dieser Art spielte. Es gab auch Gelegenheiten, bei denen ich meine eigenen Vorstellungen stärker verwirklichen konnte; eine Art zu spielen, die ich als wesentlich dynamischer empfinde. Aber Miles wollte mir am liebsten immer an jede Saite einen eigenen Amp anschließen, er wollte diesen Wowwww!!!-Sound. (macht Miles Davis’ Stimme nach) „I’ll get you an amp for every string!“. Er wollte anfangs immer, dass ich laut spiele, dass ich wie Hendrix klinge. Aber später durfte ich auch mal etwas leisere Töne anschlagen …
Reeves Gabrels: Eine Sache, die David Bowie mir sagte, als ich den Job in seiner Band bekam, war: „Wenn wir live spielen brauche ich einen Gitarristen, der eine Mischung aus Jeff Beck, Jimi Hendrix, Albert King, Mick Ronson, Aaron Copland …“ usw. Er hatte eine ellenlange Liste! „Du sollst nämlich die Lücken füllen, wenn ich mal nicht singe, du sollst den Ball aufnehmen und weiterspielen, den ich dir zuwerfe. Und wenn du den Ball zu mir zurückwirfst, dann muss es nicht mehr derselbe sein, dann kann er ruhig wie ein Würfel aussehen.“ Ich antwortete ihm: Oh, vielen Dank, dass du jeden Druck von mir nimmst! Hahaha!
G&B: Und welche Gitaristen haben dich beeinflusst?
Reeves Gabrels: Sonny Sharrock war ganz wichtig für mich. Und Vernon (Reid) – wir sind ja eine Generation. John McLaughlin ist jemand, mit dem ich mehr und mehr anfangen kann. Und Allan Holdsworth interessierte mich zeitweise sehr. Aber meine Wurzeln liegen eher im Standard 1970er Blues-Rock: Leslie West & Mountain, Clapton bis zu ,Layla‘ und natürlich Jeff Beck. Jimi Hendrix habe ich mir eigentlich erst sehr viel später angehört, wobei er heute derjenige ist, mit dem ich die größte Seelenverwandtschaft spüre. Leider war ich damals zu jung, ihn selbst live zu erleben …
G&B: Über die Musik deiner Band The Raging Honkies war einmal zu lesen, es sei „Blues with grungy overtones“. Was bedeutet „Grunge“ für Dich?
Michael Landau: Grunge? Das steht meiner Meinung nach für einen dreckigeren, verrückteren Sound. Ich mag Nirvana, aber sie würden mir auch gefallen, wenn sie nicht aus Seattle kämen. (grinst) Aber Jimi Hendrix kam schließlich aus Seattle, also mag ich auch den Seattle-Sound. Soundgarden finde ich gut, Alice in Chains – mir gefallen eine Menge Bands aus dieser Ecke. (lacht) Diese Kinder! Einige von ihnen sind gute Songwriter.
G&B: War Hendrix in seinen Live-Shows nicht vielleicht auch extrem grungy?
Michael Landau: Wenn du ungestimmte Gitarren so bezeichnest, stimmt das. Viele gute Aufnahmen von ihm sind eben im Studio entstanden – live war das schon manchmal eine etwas andere Sache. Als ich zehn oder elf Jahre alt war, und mit der Gitarre anfing, war Hendrix einfach der Größte überhaupt, und seitdem höre ich seine Musik. Aber damals waren auch die Beatles sehr wichtig für mich. Und die Musik mit der man aufwächst, begleitet einen eben ein Leben lang.
Erst viele Jahre nach der Erfindung der Stratocaster entlockte ein talentierter Nachwuchsmusiker dem eigentlich für sanfte Country & Western-Klänge gebauten Instrument so unglaubliche neue Sounds, dass seinen Zeitgenossen zunächst der Atem stockte. Jimi Hendrix war der erste, der die Verstärker-Technologie nicht nur dazu benutzte, um nahezu tonlose Brettgitarren auf Band-Lautstärke zu bringen.
Er kreierte aus Phänomenen, die zuvor als technische Unzulänglichkeiten einer noch nicht voll ausgereiften Technik abgetan wurden – dem Übersteuerungsverhalten von Röhren-Endstufen, dem bei hoher Lautstärke auftretenden Feedback und den mikrophonischen Eigenschaften der Pickups – eine neue Definition der Klangästhetik. Als Pionier des Signal-Processing läutete er mit Verzerrern, WahWah-Pedalen und anderen Zauberkästchen die Ära der Elektrifizierung der Musik ein. Deren zentrales Prinzip, die Verfremdung von Naturklängen auf meist elektronischem Wege, trat kurze Zeit später ihren Siegeszug quer durch praktisch alle Stilistiken an.
Miles Davis revolutionäres Album ,Bitches Brew‘, Jean Luc Pontys radikale Experimente mit seiner Geige, Frank Zappas bösartige Verstümmelung des Gitarrentons (,My Guitar Wants To Kill Your Mama‘) – das alles sind Marksteine einer Entwicklung, die mit dem Revolutionär aus Seattle begann, und die ohne ihn nicht denkbar ist. Jimi Hendrix’ musikalischer Einfluss auf die Welt der Gitarristen ist naturgemäß besonders deutlich spürbar.
Abgesehen davon, dass die heute in praktisch jedem Verstärker eingebauten Vorstufen, mit denen sich verzerrte Sounds realisieren lassen, einem klanglichen Standard entsprechen, der vor Hendrix gar nicht vorstellbar war, sind in spieltechnischer Hinsicht viele Phrasen und Tricks (Unisono-Bendings, Whammy-Bar-Spielereien, Feedback etc.) heute Allgemeingut, die von Hendrix im wörtlichen Sinne erfunden wurden. Wer hier Bildungslücken hat, dem seien die drei CDs der Jimi Hendrix Experience ,Are You Experienced?‘ (1967), ,Axis: Bold As Love‘ (1967) und ,Electric Ladyland‘ (1968) empfohlen.
Auch auf das Lager der Crossover-Fraktion hat der Linkshänder kräftig Eindruck gemacht. ,Under The Bridge‘ von den Red Hot Chili Peppers ist gespickt voll mit Hendrix-Zitaten (vgl. z. B. ,The Wind Cries Mary‘, ,Little Wing‘), und auch Bands wie Living Colour oder 24–7 Spyz haben sich aus dem reichen Fundus des 1970 verstorbenen Meisters bedient.
Im Zeitalter der Sampler und Loops werden kurze Ausschnitte aus oft uralten Songs in eine neue musikalische Umgebung implantiert und nicht selten bekannter als die geplünderten Originale. Wir wollen an dieser Stelle natürlich nicht zum musikalischen Diebstahl animieren, sondern vielmehr zeigen, welches Potential in den oben schon erwähnten drei Experience-Alben steckt. Manche Songs warten förmlich darauf, von einer groovigen Crossover-Combo gecovert zu werden.
Musikalische Bearbeitung des Originalmaterials ist nicht nur erlaubt, sie kann auch zu interessanten Resultaten führen, wie die folgenden Beispiele zeigen. Wo heute auf jeder zweiten Pop- oder Rock-Produktion gesamplet wurde bis zum Abwinken, kann sich (nach Meinung der G&B-Redaktion) auch der überwiegend analog arbeitende Musiker im endlosen Ideen-Reservoir von einigen Jahrzehnten Rock-Geschichte bedienen.
Kreativ mit genialem vorhandenen Material umzugehen führt zu eigenen Ideen und Sicherheit beim Komponieren und Arrangieren. Unsere Beispiele zeigen im Grunde schon wie’s geht: Man schnappt sich einfach ein Lick, ein Riff oder einen Song-Part den man mag, variiert die Rhythmik, konzipiert eine neue Basslinie, erweitert oder vereinfacht die Harmonik, modernisiert den Sound… – und schon hat man interessant zitiert oder aber mehr eigene Ideen verarbeitet, als fremde geklaut.