Drei Serien wurden von Jensen in den fünfziger Jahren angeboten: Standard, Concert und Professional. In den Gitarrenverstärkern von Fender oder Gibson kamen die Modelle der Concert-Serie zum Einsatz. Diese unterscheidet vier Typen, die mit unterschiedlich großen Schwingspulen bestückt und daher mit Buchstaben gekennzeichnet waren (R, Q, P und N).
N besaß die größte Voicecoil (1,5 Zoll), R mit 1 Zoll die kleinste. Ein weiterer Buchstabe vor der Maßeinheit des Lautsprechers kennzeichnete seinen Magnet-Typen: P stand dabei für Alnico, der Buchstabe C für Keramik.
Findet man in einem Fender-Verstärker einen Lautsprecher mit der Bezeichnung P12R, handelt es sich also um einen Alnico-Speaker der Concert-Serie mit 1-Zoll-Schwingspule, ein C12N wäre dann ein Keramik-Typ mit 1,5-Zoll-Schwingspule.
Die Concert-Lautsprecher waren in den Größen 8, 10, 12 und 15 Zoll erhältlich. Den 8-Zöller findet man in den frühen Champ-Modellen, die 10er in dem berühmten Bassman, Vibrolux oder im Super, die 12er im Tremolux, Deluxe oder Twin und den 15er im Pro. Je nach Leistung dieser Verstärker wurden die Modelle mit unterschiedlichen Schwingspulen variiert.
Der Bassman kommt mit vier P12R, von denen jeder mit nur etwa 10 Watt belastbar war, ein Tweed Twin dagegen mit zwei P12N, die dank ihrer großen Schwingspule mit mindestens 20 Watt belastet werden konnten.
Hat man einen alten Fender Tweed mit intakten Jensen-Lautsprechern, besitzt man einen echten Schatz, denn diese Lautsprecher waren für den legendären Tweed-Sound unglaublich wichtig. Doch auch hier findet man nur noch selten Exemplare, die einwandfrei funktionieren, denn ihre Lebenszeit ist bekanntlich begrenzt. Meist leiden diese Lautsprecher an verformten Schwingspulen, die leicht anschlagen und keine optimale Effizienz mehr bieten.
Man kann den Besitzern demnach nur raten, diese Lautsprecher sofort auszubauen und durch Repliken zu ersetzen, denn der Wert eines alten Gibson- oder Fender-Tweed wird durch defekte Lautsprecher stark eingeschränkt. Sollte man den Verstärker später einmal verkaufen wollen, können die originalen Lautsprecher auf Wunsch wieder eingebaut werden. Ich würde jedenfalls alte Jensens nicht mehr mit auf ein Live-Konzert nehmen und mit diversen Boostern in die Sättigung treiben. Gefährlich!
Die meisten Lautsprecher geben durch eine sogenannte EIA-Nummer Informationen über ihre Herkunft. Man findet diese Nummer meist auf dem Rahmen des Lautsprechers. Bei Jensen ist dieser Code eine 220 (137 bei CTS, 285 bei Rola Celestion, 328 bei Utah/Oxford oder 649 bei ElectroVoice).
Hinter dieser Code-Nummer stehen das Baujahr und sogar der Herstellungsmonat. 220348 würde bedeuten, dass dieser Lautsprecher von Jensen in der 48sten Woche des Jahres 19?3 hergestellt wurde. Ob es sich dabei um das Jahr 1953 oder 1963 handelt, muss man aus den Spezifikationen des jeweiligen Verstärkers herauslesen. Aufschluss kann auch der Zustand des Lautsprechers geben, seine Farbe oder die Magnetbestückung.
Es ist manchmal sehr schwierig herauszufinden, ob der Lautsprecher noch original ist oder bereits „reconed“ wurde. Hier helfen nur Vergleichsmodelle, die die Unterschiede bei der Membran zeigen, denn die originalen Membranen aus den 50er Jahren sind nicht mehr erhältlich. Ein echter Concert-Jensen besitzt z. B. einen graublauen Korb mit einer (hell-)grauen Papier-Membran. Restaurierte Lautsprecher zeigen meist eine dunklere anthrazitfarbene Membran.
Die amerikanischen Originale von Jensen waren reversed gepolt. Das heißt, dass diese Lautsprecher bei korrekter Verpolung (Plus an Plus, Minus an Minus) rückwärts spielen. Die Membran bewegt sich also bei jedem Impuls zunächst nach hinten und nicht nach vorn.
Die Hub-Richtung eines Lautsprechers ist allerdings abhängig von der Phasenlage, in der ein Verstärker läuft. Manchmal sind das sogar zwei unterschiedliche in einem Amp. Bei Fender-Blackface- oder -Silverface-Modellen mit Hall „spielt“ zum Beispiel ein Kanal vorwärts und ein Kanal „rückwärts“. Brückt man etwa beide Kanäle, erhält man bei identischer Lautstärke (beide Volume auf 4) eine Phasenauslöschung. Der Amp wird sehr leise und dünn.
Das Gleiche kann demjenigen widerfahren, der alte Jensen-Lautsprecher mit neuen Modellen oder restaurierten Exemplaren mischt. Ich hatte zum Beispiel einen Fender Bassman in Reparatur, der verdächtig dünn und harsch klang. Die Untersuchung zeigte, dass zwei der vier P12R-Lautsprecher reconed und gegenüber den alten Modellen verpolt waren. Man kann das übrigens sehr leicht mit einer (alten) 9-V-Blockbatterie überprüfen. Hält man die entsprechenden Pole kurz an die Lautsprecher-Anschlüsse, kann man sehen, in welche Richtung sich die Membran bewegt. Dieser Test ist Pflicht für jeden Amp mit mehreren Lautsprechern.
Bis Ende der 90er Jahre ging in puncto Jensen-Repliken eine lange Durststrecke zu Ende. Die Recoton-Company hatte sich die Rechte an dem Produktnamen Jensen gesichert und begann in Italien wieder detailgetreue Modelle der legendären Concert-Serie zu fertigen. Nach einer Produkt-Präsentation orderte ich damals die ersten Lautsprecher zum Test und war sowohl von der optischen Akribie als auch dem fantastischen Sound dieser Speaker beeindruckt. Der damalige Entwicklungsleiter war sichtlich stolz auf diese Repliken, die endlich den „alten“ Jensen-Sound wieder beleben sollten.
Unterschiede zeigen sich nur in der stärkeren Belastbarkeit der neuen Modelle. Ein P12R kann heute 25 Watt vertragen, ein P12N schafft es auf stattliche 50 Watt. Das macht die modernen Lautsprecher betriebssicherer und natürlich leistungsstärker. Sofort stürzten sich die gängigen Boutique-Amp-Hersteller und natürlich auch Fender selbst auf diese Alternative, die seither zu einer Größe im Lautsprechermarkt gehört. Geboten werden neben der Alnico-Serie auch die begehrten Keramik-Modelle, die ein perfekter Tipp für Fender-Black- oder -Silverface-Amps sind.
In Deutschland werden die Jensen-Repliken vom Tube Amp Doctor in Worms, der uns gleich drei Testmodelle zur Verfügung stellte, vertrieben. Der P12R ist mit einer Belastbarkeit von 25 Watt der schwächste Kandidat. Dieser Lautsprecher ist eine perfekte Bestückung für den Tweed Deluxe. Er klingt durch seinen vergleichsweise kleinen und daher leichten Magneten äußerst spritzig und antrittsstark. Für nur etwa € 80 erhält man den günstigsten Alnico-12-Zoll-Lautsprecher am Markt. Sein Sound erinnert sofort an die süßen und fast kehligen Klänge der alten Vorbilder. Warm und dennoch mit einem Oberton-Spektrum versehen, dass diesen Speaker zur Legende machte.
Ein Original von 1959 klang im Vergleich etwas wärmer, aber auch instabiler und weniger konturiert im Bass. Ein Parade-Beispiel für diesen Ton ist ZZ-Tops ,Blue Jean Blues’ vom Album ,Fandango‘, auf dem Billy Gibbons eine Telecaster über einen Tweed Deluxe verstärkt. Hier hört man ganz deutlich die Stärken dieses Lautsprechers. Vor allem Blues-Gitarristen und -Harp-Spieler schätzen diesen direkten, kernigen Klang.
Der Speaker ist leicht zu übersteuern und bringt so ein sahniges Frequenz-Chaos zutage, das seinesgleichen sucht. Im Bass-Bereich sind seine Fähigkeiten allerdings begrenzt. Bei höheren Lautstärken wird es leicht flabbig, das heißt die Bässe werden verschluckt und damit ungenau, erst Recht, wenn man nur einen einzigen 12-Zöller betreibt. Abhilfe kann das nächst größere Modell P12Q (€ 112) mit 1,25-Zoll-Schwingspule und 40 Watt Belastbarkeit schaffen.
Die Höhen sind hier allerdings etwas milder oder verhangener. Dieser Lautsprecher strahlt nicht mehr mit diesem typischen Glanz des kleineren Modells. Dafür zeigt sich der Q im Bass wesentlich kräftiger und runder. Wer gerne mit Vorschaltgeräten wie Boostern oder Verzerrern arbeitet, sollte diesen Lautsprecher daher unbedingt in Erwägung ziehen, denn der R kann dabei leicht überfahren werden. Erst der Q klingt mit einem Booster wie er soll.
Das größte Modell ist der P12N (ab € 180), schon vom Klangcharakter her ein ganz eigenständiger Lautsprecher. Hier sind die Bässe geradezu fett und die Mitten und Höhen wesentlich aggressiver und punchiger als bei den kleineren Modellen. Er klingt nicht ganz so atmend und offen, dafür aber stabiler und konturierter. Verzerrer oder Booster steckt er mühelos weg und schenkt dem Spieler einen sagenhaften Crunch-Sound, der sehr an Tom Petty oder Keith Richards erinnert.
Ein perfekter Rock-’n’- Roll-Speaker, der immer noch diese vereinnahmende Kehligkeit in sich trägt, die die Celestion-Typen vermissen lassen. Allen Lautsprechern sollte man eine ausgiebige Einspielzeit gönnen (circa 60 Stunden), denn erst dann entfalten die Jensens ihre Eigenschaften voll und ganz.
Im Neuzustand überwiegen leider etwas störrische Hochtonfrequenzen, die leicht dazu führen können, dass man die wahren Fähigkeiten dieser Serie verkennt. Zum Schluss noch einige Bemerkungen zu Ted Webers (Weber VST) Jensen-Interpretationen, die seit geraumer Zeit in aller Munde sind.
Text: Udo Pipper