Leo Fender und seine Crew überraschten die Gitarrenwelt 1958 mit der Fender Jazzmaster: Die Gitarre war das neue Top-of-the-line-Modell und laut ihren Machern selbst der erfolgreichen Stratocaster um Längen überlegen… Gitarre & Bass erzählt die wahre Geschichte der Jazzmaster!
1958 war ein Jahr der Entscheidungen, ein Jahr, in dem viele Firmen ihren bisherigen Weg in Frage stellten und neue Richtungen diskutiert wurden: mal kreativ, mal jedoch so neben der Erfolgsspur, dass man sich fragen musste, wie man eigentlich auf diese Ideen gekommen war? Gibsons futuristische Gitarren wie Flying V und Explorer wirkten damals beispielsweise wie von einem anderen Stern und nicht für diese Welt gemacht. Und floppten natürlich erst einmal wie keine andere Gibson-Gitarre, weder in der Vergangenheit noch in den nachfolgenden Jahren.
(Bild: Archiv, Fender, Sony bmg)
Doch man feierte an der Ostküste in diesem speziellen Jahr 1958 auch große Errungenschaften, die von Anfang an nicht nur viel Erfolg hatten, sondern auch neue Maßstäbe setzten: Gibson stellte die erste Semiakustik-Gitarre mit einem rückkopplungsarmen Konzept vor – die ES-335 mit ihrem durchgehenden Holzblock im Inneren, die zu allem Überfluss auch noch mit den neuen, brummfreien Doppelspul-Tonabnehmern, den sogenannten Humbuckern, bestückt war.
Auch Gretsch, wie Gibson eher dem traditionellen Gitarrenbau verbunden, störte sich am Brummen der bis dato verwendeten DeArmond-Singlecoils und präsentierte zeitgleich die Filter-Tron-Humbucker. Es war so, als wollte man gemeinsam Abschied nehmen vom Wilden und Ungezügelten der ersten Jahre als E-Gitarren-Hersteller und sich ab sofort in etablierten, glatten und eher gemäßigten Bahnen bewegen.
Ähnliche Tendenzen machten sich auch bei dem radikalsten aller E-Gitarren-Hersteller breit. Seit der Einführung der Fender Tele- und Stratocaster-Modelle galten die Instrumente von Leo Fender beim Musik-Establishment als revolutionär, ja als anstößig, während die jungen Gitarristen jedoch geradezu auf sie flogen und ihre neue, wilde Musik damit spielten: Rock & Roll!
Die amerikanischen Teens wussten, dass Solidbodies der neueste Trend waren, und sie wussten genauso zielsicher, dass sie nicht die Instrumente ihrer Väter, eben jene dickbauchigen, langweiligen Jazz-Gitarren, spielen wollten. Selbst die Les Paul war nicht wirklich interessant, denn sie erinnerte doch viel zu sehr an eine dieser alten Jazz-Gitarren.
Die Entwicklung der Fender Solidbody-Instrumente und die der lauten Rock-Musik Amerikas gingen Hand in Hand, sie befruchteten sich gegenseitig und waren unzertrennbar miteinander verbunden. Da mutet es fast schon tragisch an, dass ausgerechnet Leo Fender diese neue Musik nicht mochte – er war eher ein Fan traditioneller Country-Musik, aber auch leichtem Jazz nicht abgeneigt. Und jetzt spielten ausgerechnet aufrührerische Musiker wie Buddy Holly, Carl Perkins, Gene Vincent und viele andere auf seinen Instrumenten! Da musste etwas passieren!
Strat vs. Jazzmaster – Marty Music wagt auf Youtube den Vergleich:
So begann man ganz bewusst, sich ab 1958 von diesen jungen Wilden zu distanzieren und baute stattdessen an einem neuen, cleanen Image. Diese Trendwende zeigte zum einen der Fender-Katalog von 1958, in dem von 14 abgebildeten Musikern nur noch vier aus der Country-Szene kamen, während der Rest bis auf einen Hawaii-Musiker das Pop- und Jazz-Genre bedienten – und kein einziger Rock & Roller- oder gar ein Blues-Musiker für würdig befunden wurde, Werbung für eine Fender-Gitarre zu machen.
Gleichzeitig entwarf der neu engagierte Designer und Werbefachmann Bob Perine die legendäre Anzeigen-Serie „You won’t part with yours either“ (Du würdest dich von deiner auch nicht trennen), die über zehn Jahre regelmäßig in verschiedenen amerikanischen Magazinen lief und Fender-Gitarren und ihre Musiker in ungewöhnlichen Situationen zeigte, wie z. B. auf einem Surf-Brett, bei einem Fallschirmsprung, bei einem Tauchgang, bei einem Einsatz im Militärflugzeug, auf dem Beifahrersitz der BMW Isetta (während die Freundin dem Gefährt traurig hinterher schaut).
Man hatte keinerlei Skrupel, Fender-Instrumentarium an den ungewöhnlichsten Plätzen zu zeigen, und nur ein einziger Anzeigenentwurf wurde laut Richard R. Smith (in „The Sound Heard ´round the World“) von Don Randall und Leo Fender nicht genehmigt; das Motiv zeigte einen Priester betend vor einem Sarg stehend, aus dem eine Hälfte einer Fender Jaguar heraus ragte … Das war den republikanisch gesinnten Don Randall und Leo Fender doch ein bisschen zuviel des Guten.
Auf all diesen neuen Publikationen und Anzeigen bemühte sich Fender um ein sauberes, frisches Image eines jungen Amerikas, weil „dies zum Großteil der Markt war“, wie Bob Perine sagte, und sprach bewusst mit modisch-chic gekleideten Models die neue Generation der finanzstarken Mittelschicht an.
Diese Betrachtung wirft ein neues Licht auf das Instrument, mit dem Leo Fender und seine Crew die Gitarrenwelt 1958 überraschten: Die Jazzmaster war das neue Top-of-the-line-Modell und laut ihren Machern selbst der erfolgreichen Stratocaster um Längen überlegen; schließlich kostete sie auch $ 50 mehr. Und wie der Name schon sagte, sollte mit ihr vor allen Dingen Jazz gespielt werden können.
Jazz-Musik genoss bei nahezu allen Gitarristen höchsten Respekt, für viele stellte bis dato eine Telecaster oder eine Stratocaster nur eine Zwischenlösung dar, bis man sich eben eine richtige Gitarre, eine Gibson ES-175 oder besser noch eine L-5 oder Super 400 leisten konnte, die bis zum Dreifachen einer Stratocaster kosteten.
Einen kleinen Abriss über die Geschichte und die Konstruktion der Jazzmaster bekommst du auch in dem Video von Chicago Music Exchange:
Sprachen solch renommierte Künstler wie Herb Ellis, Barney Kessel, Jim Hall, Tal Farlow und viele andere – alles Gibson-Spieler – nicht eine deutliche Sprache? Und wen konnte Fender dagegen setzen?
Forderten nicht auch Pop-Produzenten und Band-Leader von ihren Gitarristen immer wieder den Sound einer Gibson Archtop? Nun, mit der Jazzmaster wollte Fender in genau diese Liga aufsteigen, und in ihren Träumen hörten Randall und Fender ,Blue Moon‘, ,Misty‘ und all die anderen Standards, gespielt von berühmten Musikern auf ihrer neue Solidbody-Gitarre. Doch es sollte anders kommen. Ganz anders …
Leo Fender war besessen von dem Gedanken, die Welt von den Vorzügen einer Solidbody-Jazz-Gitarre zu überzeugen. Ihm wäre nie in den Sinn gekommen, eine Halb- oder Vollresonanz-Gitarre zu konstruieren, denn seiner Meinung nach hatte er genau das mit der Jazzmaster realisiert, was Jazz-Musiker von einer Gitarre erwarteten – und noch viel mehr. Diese Gitarre brachte tatsächlich alle Vorzüge (und Nachteile) einer Solidbody-Konstruktion, allerdings in einer modernisierten Form mit vielen interessanten Details.
Am auffälligsten waren die neuen Pickups, die breite, flache Spulen hatten und an die Abnehmer erinnerten, die auf frühen Fender-Lapsteel-Gitarren montiert waren – von denen übrigens viele Steelplayer damals behaupteten, dass sie ihnen nicht (!) jazzig genug klingen würden. Aber diese neuen Pickups klangen nicht so schneidend und brillant wie die Singlecoils der Strat- und Tele-Modelle, sondern weicher und runder. Zwecks elektronischer Abschirmung waren alle Fräsungen mit Messingfolie ausgelegt und auch das Schlagbrett hinten mit einer Alufolie bezogen, denn die breiten Singlecoils fingen noch sensibler Störgeräuschen ein als die Pickups der anderen Fender-Gitarren. Immerhin waren beide Jazzmaster-Tonabnehmer unterschiedlich gewickelt und gepolt, so dass im Betrieb beider zusammen eine Brummunterdrückung erreicht wurde.
Eine aufwendige Zweiwege-Schaltung brachte nicht nur einen am unteren Korpushorn montierten Dreiweg-Schalter und je einen Master-Volumen- und Master-Ton-Regler, sondern einen zusätzlichen Schaltkreis, der ganz allein dem Hals-Pickup gewidmet war. Mit zwei Rollpotis oberhalb des Hals-Pickups wurde dessen Volumen und Ton eingestellt, und per kleinem Schiebeschalter am oberen Korpushorn aktiviert.
So konnte z. B. von einem prägnanten Solo-Sound blitzschnell auf einen beliebig dumpfen Rhythmus-Sound umgeschaltet werden, ohne dass an Klang-, Volumen- und Dreiweg-Schalter hantiert werden musste. Dieser zusätzliche Sound war von vornherein schon etwas dumpfer kalkuliert als der Hals-Pickup-Sound des ersten Schaltkreises.
Zwar regelte, wie auch in dem ersten Schaltkreis, ein höhenfreundliches 1-MegOhmPoti das Volumen, aber für den Tonregler wählte man einen Widerstand von 50 kOhm aus; und der sorgte von sich aus schon für eine kommode Bedämpfung der Höhen. Einen weitereren vermeintlichen Meilenstein stellte das neue Vibrato-System dar, das „Synchronized Floating Tremolo“. Floating war in der Tat das richtige Wort, denn nicht nur das System selbst schwamm, sondern auch die Brücke, die auf zwei spitzen Stützen lose in im Korpus eingelassenen Hülsen saß und bei jeder Bewegung des Vibrato-Systems mitwackelte.
Im Gegensatz zum Vibrato-System der Stratocaster verwendete Fender hier getrennte Brücken und Saitenhalterungen – zwischen beiden lag immerhin eine Distanz von ca. 12 cm. Weiterhin wies das System die Trem-Loc-Funktion auf, mit der das Vibrato-System blockiert werden konnte, um z. B. einen Saitenwechsel zu erleichtern, oder bei einer gerissenen Saite das Weiterspielen ohne völlige Verstimmung der Gitarre zu ermöglichen. Nicht nur hier wird deutlich, dass Fender und Randall Meinungen von Musikern eingeholt und ihre Schlüsse daraus gezogen hatten.
Wobei man nicht immer sagen kann, dass es die richtigen Schlüsse waren. Zwar unterstützte die lange Distanz, die die Saiten zwischen Halterung und Brücke zurücklegten, einen jazzigeren Ton-Charakter mit wenig Sustain; aber der Winkel, in dem sie auf den Saitenreitern auftrafen, war so flach, dass Gitarristen, die mit einem kräftigen Anschlag spielten, die Saiten aus den Rillen der Böckchen hebelten.
Es erscheint auf den ersten Blick seltsam, dass solch ein Detail dem stets kritischen Auge Leo Fenders entgangen sein soll, aber wenn man bedenkt, dass Fender diese Gitarre für die Verwendung mit dicken (eben Jazz-)Saiten konzipiert hatte, bei denen die Gefahr, ausgehebelt zu werden, deutlich geringer war – vor allem wenn man gepflegten Jazz und Pop damit spielte – dann erscheint diese Konstruktion gar nicht mehr so abwegig.
Das Vibrato-System der Stratocaster war damals vor allem zu dem Zweck entwickelt worden, Gitarristen Pedalsteel- und Lapsteel-Sounds zu ermöglichen, die zu dieser Zeit sehr populär waren. Doch nur wenige Gitarristen konnten glaubhaft damit solche Sounds erzeugen.
Leo Fender und seine Kollegen sahen sich dann plötzlich mit einem Mann namens Les Paul, aber vor allem mit einem Chet Atkins konfrontiert, der sein Bigsby-Vibrato-System nicht dazu benutzte, um Lapsteel-Sounds nachzuäffen, sondern eigene, mehr schimmernde, elegante Verzierungen in sein Spiel einbrachte.
Das gefiel den Fender-Leuten, und da die Musik des Chet Atkins äußerst erfolgreich für ihn selbst und auch für Gretsch war, konstruierten sie für die Jazzmaster ein Vibrato-System, das in ähnlicher Art und Weise wie das Bigsby funktionierte – und nicht mehr so direkt und intensiv wie das System der Stratocaster.
Da vor allem Jazz-Musiker die neue Gitarre akzeptieren sollten, erschien es Fender wichtig, dass sie im Sitzen perfekt zu spielen war. Die meisten Jazzer spielten ja sitzend, während nur die Rocker standen, ja sogar tanzten, wie z. B. Elvis!
Diese Vorgabe resultierte in einer neuen Korpusform, der sogenannten „offset waist body“, also eine unsymmetrische Taille, die ein bequemes Spielen in Sitzposition ermöglicht, selbst wenn man die Gitarre auf das linke Bein aufsetzte. War die Stratocaster schon ein Wunder an Ergonomie, wurde sie in dieser Disziplin von der Jazzmaster noch übertroffen.
Der Tribut, den die Jazzmaster an diese Ergonomie-Vielseitigkeit zahlte, war jedoch ein recht großer Korpus, der weder in einem Gitarrenständer sicher steht noch in einen Standardkoffer passt; wobei der Originalkoffer in den 70er Jahren, als Fender billiges Eschenholz verwendete, eine Tonne wog.
Die Jazzmaster hatte von Anfang an ein dezent aussehendes Palisander-Griffbrett, ein Novum für Fender und eine deutliche Abkehr von den Telecaster- und Stratocaster-Gitarren, die bis dato mit optisch auffälligen einteiligen Hälsen aus hellem Ahorn ausgestattet waren.
Palisander war jedoch der Stoff, aus dem auch die Gibson- und Gretsch-Fretboards waren – und da lag es nahe, dass Fender diesen Schritt unternahm, um der gewünschten Klientel auch in diesem Detail einen Schritt entgegenzukommen.
Bestückt man eine Jazzmaster mit dicken Flatwounds, kommt man recht schnell an den Punkt, an dem man Leo Fender zu verstehen lernt. Denn erst mit solchen Saiten offenbart sich die Zielsetzung dieser Gitarre, und die Erkenntnis, dass Fender ihr tatsächlich verdammt nahe gekommen ist: Die Jazzmaster klingt dann in der Tat fast wie eine Jazz-Gitarre!
Sie hat dieses hölzerne „Plonk“, das anteilig durch den großen Korpus, die lange Saiten-Strecke zwischen Brücke und Saitenhalterung und die runder als sonst bei Fender üblich klingenden Pickups bewirkt wird; sie hat relativ wenig Sustain, wegen des geringen Saitendrucks auf die Brücke; sie hat genügend Bauch für satte Rhythmus-Sounds auf dem Hals-Pickup, und sie hat dank ihrer Beschaltung mit 1-MegOhm-Potis aber auch den gewissen Knack im Anschlag, der schnelle, präzise Melodien leicht nachverfolgen und einzelne Töne komplexer Akkorde erkennbar lässt.
Die Jazzmaster bot einem professionellen Musiker, der mehrere Auftraggeber bedienen wollte, also auch den offenen, hellen Klang, der bei vielen Pop-Produktionen von damals gewünscht wurde. Und wenn man will, lassen sich dem Steg-Pickup sogar Klänge entlocken, die in Richtung Telecaster gehen.
Dann wird das Trem-Loc in Funktion gebracht, und Country-mäßige Licks in Fender-Klangqualität erzielt. Ganz zu schweigen von der überragenden Ergonomie, die der Korpus der Gitarre mit seiner unsymmetrischen Taille beim Spielen vor allem im Sitzen, aber auch im Stehen bot. Natürlich war auch die Anfälligkeit gegenüber Rückkopplungen, der sich die Jazzer in den immer lauter werdenden Ensembles ausgesetzt sahen, bei Fenders Solidbody-Jazz-Gitarre kein Thema.
Dennoch – obwohl sich die Profis darin einig waren, dass die Jazzmaster tatsächlich milder und gezähmter klang als Tele- und Stratocaster, ließen sie sich nicht von den Attributen dieser neuen Gitarre überzeugen, sondern blieben konservativ bei alten Werten. Kaum ein renommierter Jazzer oder Pop-Gitarrist ließ sich erweichen, diese merkwürdige Solidbody-Gitarre, die im Vergleich zu den hohlen Archtop-Gitarren zudem recht schwer war, zu spielen.
Zwar wird gerne kolportiert, dass einer der besten Jazz-Gitarristen aller Zeiten, Joe Pass, 1961 eine Schallplatte mit einer Jazzmaster aufgenommen hat, aber wer die Umstände dieser Aufnahmen kennt, wird dem in Bezug auf die Jazzmaster keine weitere Bedeutung beimessen: Zu jener Zeit befand sich Pass in dem Synanon Rehab Center, um seine Drogensucht auszukurieren. Hier nahm er die Platte ,Sounds Of Synanon‘ auf und benutzte, weil er selbst kein Instrument mitgenommen hatte, die Gitarre der Klinik – zufälligerweise eine Fender Jazzmaster.
Fender kämpft also wieder einmal gegen die Windmühlen der Tradition, die sich jedoch beständiger zeigten als die, die sich bei Erscheinen der Telecaster zehn Jahre zuvor noch so ablehnend aufgeplustert hatten.
Die waren längst eines besseren belehrt worden; aber die Jazzer und Profi-Musiker waren von einem anderen Kaliber als wilde Teenager, und dieses Kaliber konnte Leo Fender nicht knacken.
Zwar hatten Anfang der 60er Jahre alle Studio- und Miet-Gitarristen neben ihrer Gibson-Archtop auch eine Fender-Solidbody im Gepäck – aber das war in der Regel die Telecaster, mit der gängige Rock-&-Roll- und Country-Klangvorstellungen bedient werden konnten. Doch Gibson schien sowieso den Spagat zwischen Tradition und Moderne mit ihrem Konzept, traditionelle Optik mit moderner Technik zu verknüpfen, besser bewältigt zu haben, denn auch ihr neuester Trumpf stach; besonders in der Studioszene erfreute man sich an dem Ende 1957 entwickelten Doppelspulen-Tonabnehmer, der im Vergleich zu den Singlecoils der Fender-Gitarren eben nicht mehr brummte.
So bewegte sich Fenders neues Top-Modell nach einer anfänglich kurz aufgeflackerten Euphorie auf direktem Weg hin zu einem Riesen-Flop – bis nicht etwa der Mainstream oder der Jazz, sondern ausgerechnet Kaliforniens Sub-Kultur sich ihrer mehr oder weniger liebevoll annahm.
Insbesondere eine neue Musikrichtung machte Anfang der sechziger Jahre von sich reden: Surf! Wilde, braungebrannte Burschen, die sich tagsüber den Kampf mit den Wellen lieferten und abends für sich und die Bikini-Girls die Garagen der Westküste mit ihrem heißen Instrumental-Sound befeuerten, scherten sich einen Dreck darum, was die ältere Generation mit ihren Gibson- und Gretsch-Gitarren anstellte.
Ausgerechnet diese Rebellen und Nichtsnutze, die nichts weiter als ihr Leben genießen wollten, zeigten sich von der Gitarre begeistert, die Leo Fender eigentlich für biedere Profi- und Jazz-Musiker konzipiert hatte!
War das nicht zum verrückt werden? Dabei liegt der Grund auf der Hand: Zum einen bot sie einen Sound, der so hell und klar ist wie ein Sonnenaufgang über dem Pazifik, ein Sound, den man nicht überhören konnte und der auch in den Hall-Orgien der Fender-Amps nicht unterging; zum anderen war sie eben nicht die längst etablierte Tele- oder Stratocaster, und mit Assoziationen wie Country und kommerziellem Rock & Roll belegt, sondern ein Modell, das genau wie die Surf-Musiker auch bis dato eher ein Außenseiter-Dasein geführt hatte – mit vielen guten inneren Werten, aber unverstanden von dem Rest der Welt. Hier kamen zwei Welten am richtigen Ort zur richtigen Zeit zusammen, die einfach perfekt zueinander passten.
Ist es nicht paradox, dass ein einfacher, traditionsbewusster und konservativer Mensch wie Leo Fender mit seinem Versuch, sich dem Mainstream-Jazz und -Pop anzubiedern, ein Instrument schuf, das sich erst in den Händen von Musik-Rebellen zu entfalten lernte?
Damals wie heute spielt man die Jazzmaster vor allen Dingen aus dem Grund, um andere, etablierte Gitarren eben nicht zu spielen! Weil man sich selbst und seine Musik als nicht etabliert verstanden wissen will. Und genau diese Attitüde ist in erster Linie die Existenzberechtigung der Jazzmaster, da kann sich Leo Fender so oft im Grabe umdrehen, wie er dies gerne möchte.
Im Vergleich zu Strat- und Tele-Musikern fallen einem hier spontan kaum Namen bekannter Musiker ein. Selbst erfolgreiche Surf-Bands der 60er Jahre spielten bald schon eher Stratocaster, allenfalls der Rhythmusgitarrist eine Jazzmaster.
Sie war und ist das Instrument der nicht etablierten, der Intellektuellen, der Andersdenkenden, der Aufständischen und der Erneuerer – das belegt die bescheidene Liste der Musiker, die zumindest einen Teil ihres Weges mit einer Jazzmaster gingen. So gab es ein Revival der einstigen Top-of-the-Line-Gitarre durch einige Punk-Bands in den späten Achtzigern, und zornige, junge Musiker der Post-Punk-Ära wie z. B. Elvis Costello und Billy Bragg hängten sich aus Protest gegen alles Etablierte gerne eine Jazzmaster um den Hals. Ähnliches passierte in der Grunge-Szene etwa zehn Jahre später, wo gleichermaßen auch die ähnlich gearteten Fender Jaguar und Mustang zu neuen Ehren kamen.
In dem Video spricht Costello über seine Jazzmaster:
Eher künstlerisch orientierte, eigenständige Noise-Pop-Bands wie Sonic Youth, die härteren Dinosaur Jr. oder die deutschen Post-Punker Tocotronic halten bis heute treu an der Jazzmaster fest – sie ist eins der letzten Attribute eigenständiger Musik-Rebellen, die Piratenflagge der Aufständischen im Heer der vermeintlich Gleichgeschalteten. Doch diese Musiker stellen die Ausnahmen von der Regel dar; symptomatisch erscheint z. B. Elvis Costello, der, als er erfolgreich geworden war, die Jazzmaster in die Ecke stellte und sich lieber mit Gibson-L-5-Modellen, teuren Akustikgitarren und weiteren Klassikern des anderen großen Herstellers sehen ließ. Oder Pete Townsend, der auch einmal eine Jazzmaster spielte, aber mit SG, Les Paul und Tele seine Markenzeichen fand.
Die Jazzmaster ist und bleibt die Gitarre der Underdogs und das wird sie auch bleiben. Sie ist das Ergebnis mehrerer Missverständnisse und tiefen Scheuklappendenkens auf mehreren Seiten, sodass ihr Charakter nur schwer herauszuarbeiten und einzuordnen ist. Die einen sagen, eine Jazzmaster ist weder Fisch noch Fleisch; doch kann manch einer auch andere Dinge als eben Fisch und Fleisch verzehren und bestens damit leben. Und wenn man sich darauf einlassen kann, wird man Dinge entdecken, von denen die anderen nichts wissen. Die Jazzmaster ist eine geborene Außenseiterin, und genau das macht sie so sympathisch.
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1958 Vorstellung der ersten Jazzmaster, noch im Prototyp-Status – 3-Tone-Sunburst lackierter Erle-Korpus, Gold-anodisiertes Aluminium-Schlagbrett, Chrom-Potiknöpfe, schwarze Pickup-Kappen und ein „slab“- Palisander-Griffbrett. Die ersten Jazzmaster der regulären Produktion waren aus zwei oder dreiteiliger Erle, während Esche nur für die blonden Ausführungen verwendet wurde. Der Datumstempel findet sich in der Ausfräsung des Steg-Pickups.
Die Pickups werden mit Enamel-Draht gewickelt, die Spulen sind teilweise so voll, dass der Draht an die Kappen stößt. Die Magnete sind von Hand abgeschrägt und schauen leicht aus dem Cover heraus. Beide Pickups haben schwarze und weiße, stoffummantelte Kabel. Das Faser-Material für die Spulen ist schwarz.
1959 Mitte des Jahres muss das anodisierte Alu-Schlagbrett einem dreischichtigen aus Tortoise weichen. Das Plastik an der Gitarre (Potiknöpfe, Pickupkappen, Schalterund Vibrato-Arm-Spitze) ist nun weiß.
1961 In dem Decal (Aufkleber auf der Kopfplatte) erscheinen zum ersten Mal Patentnummern, drei an der Zahl. Der Datumsstempel findet sich in der Regel in der Ausfräsung des Vibrato-Systems.
1962 Einführung des dünneren, so genannten Veneer-Griffbrettes aus Palisander und nun fünf Patentnummern im Decal. Der Erdungsdraht wird eingeführt, der von der Saitenhalterung zum E-Fach gelegt wird. Auf der Platte des Vibrato-Systems steht nun die Patentnummer 2,972,923, anstelle der vorher verwendeten „Pat Pending“-Gravierung. Als Pickup-Draht wird nun Formvar verwendet, die Spulen sind gleichmäßiger gewickelt.
1964 Das Spaghetti-Logo wird – wie bei allen anderen Fender-Instrumenten – durch das goldene Transition-Logo ersetzt und durch nun sechs Patentnummern ergänzt. Außerdem kommt anstelle des teureren Celluloids ein Plastik-Schlagbrett in Tortoise-Optik. Die Single-Line-Kluson-Mechaniken werden durch Double-Line-Typen ersetzt. Das Faser-Material der Spulen ist nun grau (statt schwarz) und erstmals werden die Pickups datiert.
1965 Die Potiknöpfe, bis jetzt die gleichen wie bei der Stratocaster, werden durch spezielle ersetzt, die eine Chrom-Spitze haben. Später im Jahr bekommt der Hals eine weiße Plastikeinfassung und das Logo nun insgesamt sieben Patentnummern.
1966 Die Punkt-Einlagen werden durch rechteckige Block-Einlagen ersetzt; statt der Kluson-Deluxe- finden F-style-Mechaniken Verwendung. Außerdem wird die Kopfplatte vergrößert. Insgesamt gibt es drei verschiedenartige Logos. Sunburst-, Blond- und Olympic-White lackierte Jazzmasters haben das Transition-Logo mit sieben Patentnummern. Helle Farben wie z. B. Inca Silver oder Ice Bue Metallic haben das schwarze CBSLogo mit den größeren Buchstaben. Dunkle Custom-Farben wie Schwarz, Ocean Turquoise, Charcoal Frost u. a. haben das CBS-Logo mit dem Zusatz „Offset Contour Body Pat Pending“ in goldener Farbe.
1967 Das CBS-Logo wird konsequent verwendet, jetzt mit einem ® hinter dem Wort Fender. Der Datumstempel findet sich in der Regel in der Halstasche, ist aber nicht immer vorhanden. Fender beginnt nun, mit Polyurethan-Farben zu lackieren, wobei bei farbigen Lackierungen zumindest teilweise noch Nitro- oder Acryl-Farben verwendet werden.
1968 Einführung des schwarzen FenderLogos. Statt Nitrocellulose- wird PolyesterLack verwendet.
1977 Schwarze Pickup-Kappen. Statt Erle wird auch Esche für die Jazzmaster verwendet.
1980 Die Produktion der Jazzmaster wird eingestellt.
1986/87 Reissue-Modelle – Made in Japan – werden vorgestellt. Sie haben einen Basswood-Korpus und neuartige Tonabnehmer.
1994/95 Fender Japan stellt eine limitierte Edition der Jazzmaster mit blond lackiertem Korpus und GoldHardware vor.
1996 Fender Japan bringt die v62 Jazzmaster auf den Markt – Crafted in Japan – mit Erle-Korpus, in 3-ToneSunburst, Candy Apple Red und Vintage White. Sie wird bis heute produziert. Fender Japan stellt ebenfalls die limitierte Ventures Jazzmaster vor, mit Esche-Korpus, Seymour-Duncan-Pickups, weißem Schlagbrett, eingefasstem Palisander-Griffbrett mit Blockeinlagen, 22 Bünden und in der Lackierung Midnight Black.
1996 bis ‘98 Der Fender Custom Shop USA bringt eigene Reissue-Versionen der Jazzmaster in einer kleinen Stückzahl auf den Markt – teilweise als MasterbuiltInstrumente.
1999 Fender USA bringt das ‘62-VintageReissue-Modell heraus, inkl. klassischem NitroFinish. Farben: 3-ColorSunburst, Candy Apple Red, Olympic White, Sherwood Green, Dakota Red. Bis heute in Produktion.
2001 Überarbeitete Farbpalette für die USA-Reissue: Black, 3- Color-Sunburst, Olympic White, Inca Silver, Dakota Red, Ice Blue Metallic 2002 Eine neue Farbe ergänzt die USPalette: Ocean Turquoise. Fender Japan bietet für den Markt außerhalb der USA Custom Colors inkl. Matching Headstock an.
2003 Fender Japan stellt die ‘66 Reissue vor, stilecht mit eingefasstem Hals, Blockeinlagen und in den Farben 3-ToneSunburst und Vintage White. Dieses Modell wird bis heute produziert, aber nicht für den westlichen Markt.
2016 Troy Van Leeuwen, Gitarrist u.a. bei Queens Of The Stone Age bekommt seine eigene Signature-Jazzmaster:
2018 feiert Fender das 60-jährige Jubiläum der Jazzmaster mit drei neuen Limited-Edition-Modellen: ’58 Jazzmaster Guitar, Triple Jazzmaster und Classic Jazzmaster.