Für die meisten Jazz-Gitarristen beginnt die Zeitrechnung in den 30er-Jahren mit Musikern wie Django Reinhardt, Freddie Green und Charlie Christian.
Hier ein Klassiker von Django Reinhardt:
Doch tatsächlich hat der Jazz zu dieser Zeit schon einige Jahre hinter sich, mit der Phase von 1925 bis 1929, dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, sogar eine erste „goldene Epoche“. Dabei spielt die Gitarre im Jazz zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Dass sich dies ab Mitte der 1920er Jahre ändert, ist vor allem Eddie Lang zu verdanken.
Werfen wir also einen Blick zurück in das erste Viertel des vergangenen Jahrhunderts. Die Gitarre ist in diesen Jahren keineswegs ein unpopuläres Instrument. Einige Gitarristen bringen es zu erstaunlich virtuosen Leistungen. Vor allem unter Blues-Musikern, meist zur Begleitung ihres Gesanges eingesetzt, ist sie weit verbreitet.
Künstler wie Blind Blake (1893-1933), Blind Lemon Jefferson (1893-1929) und Lonnie Johnson (1900-1970) setzen dabei hohe Standards im Blues- und Ragtime-Gitarrenspiel.
Vom Spiel der Schwarzen inspiriert, gibt es auch in der weißen Hillbilly-Musik wahrhaftige Könner, wie den aus den Appalachen stammenden Fingerpicker Sam McGee (1894- 1975):
Der Saiten-Allrounder Roy Smeck (1900-1994), der sich als „Wizard of the Strings“ einen Namen macht, lässt sich stilistisch schwer eingrenzen, während im Bereich der Klassik Andrés Segovia (1893- 1987) Maßstäbe setzt. Im zeitgenössischen Jazz dagegen hat es die Gitarre äußerst schwer.
Der Sound der Jazz-Bands ist geprägt von lauten Blasinstrumenten wie dem Kornett, der Posaune und der Klarinette. Diese geballte Bläserfront, in Verbindung mit dem rhythmischen Fundament der Drums, lässt es kaum zu, dass die Gitarre gehört wird. Ihre geringe Lautstärke ist nicht nur live eine Herausforderung, sondern auch in den Studios, in denen man zu dieser Zeit mit mechanischen Aufnahmeverfahren arbeitet.
Die Bands müssen in einen Aufnahmetrichter spielen, an dessen Ende eine Membran angebracht ist. Diese überträgt die durch die Instrumente erzeugten Schwingungen auf eine Schneidnadel, mit der eine Scheibe oder eine Walze beschrieben wird. Leisere Instrumente wie der Kontrabass und die Gitarre kommen bei Jazz-Aufnahmen noch kaum zum Einsatz.
Ihre geringen Schwingungsübertragungen können mit diesen aufnahmetechnischen Möglichkeiten im Vergleich zu anderen Instrumenten nur unzureichend aufgezeichnet werden. So ist zum Beispiel das Banjo, mit seiner höheren Lautstärke und seiner besseren Durchsetzungskraft, bei Weitem geeigneter als eine Gitarre.
Mitte der 20er-Jahre jedoch, ändert sich die Situation. Die Mikrofontechnik hält Einzug in die Aufnahmestudios. Durch sie ist es möglich, differenziertere Aufnahmen zu produzieren. Außerdem bringt die Firma Gibson im Jahr 1923 eine Archtop-Gitarre mit F-Löchern auf den Markt.
Die Gibson L5 ist eine massive Gitarre mit gewölbtem Boden und gewölbter Decke. Ihre Konstruktionsweise orientiert sich grundlegend am klassischen Instrumentenbau und sie ist serienmäßig mit einem höhenverstellbaren Steg und einem schwebend montiertem Griffbrett ausgestattet.
Mit ihrer im Vergleich zu gewöhnlichen Flat-Tops mit rundem Schalloch, hohen Lautstärke und ihrem charakteristischen Sound wird sie zum Inbegriff für die Jazz-Gitarre schlechthin. Eddie Lang wechselt sehr früh zu einer Gibson L-5 und trägt somit zur großen Popularität dieser Gitarre bei. Der Mitte der 20er Jahre einsetzende Trend, weg vom Banjo hin zur Gitarre lässt sich damit maßgeblich auf Lang zurückführen.
Mehr über die Jazzgitarren von Epiphone wie die E-Gitarre Emperor erfährst du auf der Themenseite von Epiphone.
Auch Ibanez hat eine Reihe Jazzgitarren auf den Markt gebracht. Mehr dazu kannst du in der Story Ibanez Signature Jazz Gitarren und ihre Musiker nachlesen!
Pat Metheny, Wes Montgomery, George Benson, Django Reinhardt, Jim Hall, Joe Pass, John McLaughlin – neben all diesen Namen darf einer nicht vergessen werden: Eddie Lang. Mitte der 20er-Jahre entwickelt sich der Jazz durch Musiker wie Louis Armstrong, Bix Beiderbecke und die Vertreter des Chicago-Stils weg von der Kollektiv-Improvisation hin zu einer von Solisten geprägten, „moderneren“ Spielweise.
Es ist Eddie Lang zu verdanken, dass die Gitarre bei dieser Entwicklung ebenfalls als Soloinstrument in Erscheinung tritt. Langs Soli mögen für heutige Ohren etwas schwerfällig klingen und sind sicherlich nicht vergleichbar mit der Griffbrettakrobatik späterer Gitarristen. Doch sie beweisen, dass weniger oft mehr ist und etablieren die Gitarre als Melodieinstrument im Jazz.
Die häufige Verwendung von erweiterter Dur- und Moll-Pentatonik und der Einsatz von Bendings und Slides liegen dabei sicherlich in seiner Vorliebe für den Blues begründet. Interessant ist, dass sich im Spiel Langs einige Stilmittel finden, die später häufig mit Django Reinhardt assoziiert werden.
Ein Beispiel hierfür sind sehr schnell gespielte Läufe (diatonisch oder chromatisch), bei denen er die Leersaiten mit einbezieht. Auf solche virtuosen Einwürfe greift er meist an exponierten Stellen wie etwa im Intro von ,Rainbow Dreams‘ zurück:
Sie erhalten dadurch vor allem verzierenden Charakter und dienen weniger der Melodiebildung. Ebenso findet man bei Lang Passagen, in denen er die Harmonische Moll-Tonleiter und die Ganztonleiter verwendet oder übermäßige Akkorde in Ganztonabständen auf den hohen drei Saiten verschiebt.
Allerdings sind die meisten dieser Stilmittel noch nicht so virtuos ausgeprägt, wie einige Jahre später bei Django, und kommen seltener zum Einsatz. Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass Lang einen gewissen Einfluss auf Reinhardt ausgeübt hat.
Text: Jochen Hesch
In diesem Workshop bringt dir Michael Sagmeister eine klassische Jazz-Akkordfolge näher. Es handelt sich um eine II-V-I-Verbindung in Moll, in diesem konkreten Fall, in der Beispieltonart A.
Die hier nachfolgend behandelte Akkordprogression taucht in den unterschiedlichsten Stilen extrem oft auf. Seien es Jazz-Standards wie ,Stella By Starlight‘, ,Days Of Wine And Roses‘, ,Black Orpheus‘, ,How Insensitive‘, ,Blue Bossa‘, ,Beautiful Love‘, ,Whisper Not‘ und viele mehr, zählt diese Akkordverbindung zu den meist verwendeten, funktionsharmonischen Bewegungen überhaupt.
Ohne sie wäre ebenfalls ein Großteil der lateinamerikanischen Musik, des Tangos oder Chansons undenkbar und nur, wie ich finde, halb so emotional.
Schauen wir uns die Sache doch einfach mal etwas genauer an. In ihrer einfachsten Form setzt sich eine II-VI-Verbindung in Moll aus folgenden Akkorden zusammen.
So weit , so gut. So finden wir diese Akkordbewegung notiert in vielen Fake- oder Real-Books. Leider stellt diese Notation nicht das dar, was eigentlich gemeint ist.
An dieser Stelle höre ich den Leser fragen: Was meint der Autor mit dieser merkwürdigen Aussage? Nun, kommen wir zum Kern der Sache: Würde man die Akkorde tatsächlich so spielen wie sie hier dargestellt werden, hätte man sehr schnell auf jeder Probe, Session oder anderen Aktivität, bei der Musiker mit etwas mehr Erfahrung im Rudel auftauchen, ein, sagen wir mal, „Problemchen“.
Allerdings könnte dies, bei Nichtbeachtung der nachfolgenden Ausführungen, zu einem ausgewachsenen Problem führen. Also, ran an den Speck!
Hol dir weitere praktische Tipps für dein Jazz Spiel von Max Frankl!
Bei der oben aufgeführten Notierung handelt es sich um die Grundfunktion dieser Akkordfolge. In der Praxis wird meist erwartet, dass der begleitende Musiker die Regeln kennt, die ihm erlauben, innerhalb des hier existierenden Ermessensspielraum zu agieren. Auf diesen Spielraum möchte ich etwas intensiver eingehen.
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Die einfachste Form, die ganze Sache etwas stilgerechter zu gestalten, ist der Einsatz von „leitereigenen Optionen“. Sie können dazu führen, einen wesentlich interessanteren Sound der geforderten Akkorde zu kreieren.
Nehmen wir zu diesem Zweck als erstes Beispiel den Akkord Am7: Hier können als Färbung die 9 (B), 11(D) und 13 (F# ) zum Einsatz kommen. In der Praxis kann also getrost, wenn keine melodischen Gesichtspunkte im Wege stehen, munter mit diesen Optionen gearbeitet werden. Ergo kann aus Am7 Am9, Am11, Am13, Am7/9, Am7/9/11 etc. gemacht werden. Der Kreativität des begleitenden Gitarristen steht hier nichts im Weg.
Knöpfen wir uns den nächsten Akkord in dieser Verbindung vor. Es handelt sich um den Chord der V. Stufe, richtig, die Dominante E7. Hier ist ebenfalls einiges an Spielraum vorhanden. Zu diesem Akkord kann man sich folgende Regel merken. Ist ein Dominant-Septakkord klar und deutlich als Chord der V. Stufe zu erkennen, kann alteriert werden bis der Arzt kommt. Dies liegt daran, dass sich jede gewählte „Tension“ bzw. Alteration einen Halbton tiefer oder höher vernünftig in einen Akkordton der Tonika, sei es Moll oder Dur, auflöst.
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Dieses Reglement führt dazu, dass aus dem einfachen E7 in dieser Funktion E7b9, E7#9, E7#5, E7#9#5, E7b9#5 etc. gemacht werden kann.
Ist eine feine Sache, und diese Art der Variation wird, man glaube es mir, bei halbwegs erfahrenen Jazz-Begleitern vorausgesetzt. Einfach einprägen! Nach Adam Riese bleibt noch einer übrig. Genau, der II.-Chord Bm7b5.
Für diesen Akkord wird hier an dieser Stelle als einfachste Option die 11(E) empfohlen: ergo Bm7b5/11 als weitere Möglichkeit für diesen Akkordtyp in dieser Funktion. Tja, alles schön und gut, lieber Professor, höre ich die Leser/Innen dieser Kolumne sagen. Doch was nun? Wie funktioniert das in der Praxis? Ich sage nur: entspannt bleiben und alles wird gut.
Natürlich habe ich wie immer, in der gewohnten Service-Manier der Firma Sagmeister, 13 Beispiele ausnotiert die zeigen welche Konsequenzen dies in der Praxis haben kann. Die einzelnen Anregungen beginnen relativ einfach und bewegen sich dann immer weiter nach oben. Zum Ausprobieren der einzelnen Beispiele würde ich empfehlen, ein einfaches Playback mit einer hörbaren Rhythmusgruppe zu erstellen.
Mehr Jazz-Workshops findest du in dem Buch “Modern Jazz Guitar” von Max Frankl:
Peter Fischer widmet sich ebenfalls der zentralen Akkordverbindung in seinem Workshop:
Autor: Michael Sagmeister