Im Vollröhrenbiotop hat die Evolution eine neue Verstärkerspezies her vorgebracht. Untersetzte Kerlchen, nicht allzu kräftig, aber in Aktion sehr beweglich, Freund und Helfer in unterschiedlichen Lebenslagen, dank moderater Ausgangsleistung, kompakter Maße und einer praxiseffizienten Ausstattung, die unter anderem einen Power-Soak umfasst: Rock on stage, play at home, record at night, so der Wahlspruch, mit dem Hughes & Kettner den TubeMeister 18 in den Wettbewerb schickt.
Es handelt sich sozusagen um eine zweite Generation der Lunchbox-Amps. Vox mit dem Nighttrain, Mesa mit dem Transatlantic, Burriss mit dem Bluesman und einige andere mehr haben die Brotdosenverstärker hoffähig gemacht. Jetzt sieht man – noch vereinzelt – dieses Konzept verfeinert auf den Markt kommen, wobei Engl mit dem Gigmaster im vorigen Jahr die Vorreiterrolle übernommen hat.
Der TubeMeister 18 tritt mit ähnlichen Eckdaten an, eher zufällig wie Hughes & Kettner betont, denn der kleine Kerl sei schlicht nichts anderes als – u. a. durch die Custom-Endorser mit angestoßene – logische Konsequenz aus der bisherigen Technik- und Produktphilosophie. Der entscheidende Fortschritt liegt darin, dass beide Amps neben dem besagten Power-Soak auch über einen filigranen D.I.-Ausgang verfügen, der den mikrofonierten Ton eines Lautsprechers simuliert.
Was das angeht, konnte Hughes & Kettner bei der Entwicklung des Tubemeister 18 auf langzeiterprobte Technik aus dem eigenen Hause zurückgreifen. Schließlich hat man schon vor etlichen Jahren mit der Red-Box als erster Hersteller ein solches Tool vom Stapel gelassen, und damit gleich für lange Jahre eine Benchmark gesetzt.
Noch zur Information: Während wir hier die Kombination aus Head und 1×12-Cabinet zum Thema haben, steht alternativ ein 1×10″-Combo mit vollkommen identischem Verstärkerteil zuzüglich Hall zur Wahl.
Hughes & Kettner hat es offensichtlich darauf angelegt, die Dimensionen des Verstärkerkopfes auf das mögliche Minimum zu reduzieren. Man halte sich das vor Augen, der Tubemeister 18 erreicht in etwa das Volumen eines Schuhkartons, erfreut sich aber dennoch der Vollausstattung eines ausgewachsenen Topteils: Zwei Kanäle, mit zuschaltbarem Extra-Boost in der Lead-Sektion, die sich eine passive Dreibandklangregelung mit Bass, Mid und Treble teilen, ein serieller Einschleifweg, ca. 18 Watt Leistung aus einer 2xEL84-ClassAB-Gegentaktendstufe plus Power-Soak und Red-Box-Speaker-Simulation.
Obendrein ist auch noch Hughes & Kettners TSC-System (Tube Savety Control) integriert, das den Funktionsstatus der Endstufe überwacht. Kopfschütteln, was alles reingeht in so eine Kiste?! Kein Wunder, dass drinnen drangvolle Enge herrscht. Um eine große Hauptplatine gruppieren sich zwei kleinere Subboards. Außer den Hochspannung führenden Schaltern und Buchsen sind alle Bauelemente auf den Printplatten untergebracht. Trotz des knappen Platzangebots finden sich in der Schaltung mehrere Feinsicherungen zum Schutz der Schaltung bei Röhrendefekten o. ä., löblich. Die Substanz macht mit ihren wertigen Bauteilen und der soliden Fertigungsqualität aber auch ganz allgemein einen sehr guten Eindruck.
Interessant ist im Falle dieses Winzlings die Gehäusekonstruktion. Die Basis bildet ein flacher Stahlblechkasten. Auf dem stehen die Trafos bzw. ragen oben die vier Röhren heraus, zwei 12AX7 und zwei EL84, sichtbar durch das Hughes & Kettner typische Plexi-Design der hintergrundbeleuchteten Front. Hinten schließt sich ein Lüftungsgitter an. Die angeschraubten quadratischen Seitenteile halten das Ganze zusammen und fungieren gleichzeitig als Tragegriffe.
Der kleine Würfel ist hinten mit einer angeschraubten Rückwand verschlossen, vorne in der Schallwand sorgen allerdings zwei runde Öffnungen für Ventilation. Die Machart des aus Schichtholzplatten gefertigten Gehäuses erweist sich ansonsten als schlicht, zweckmäßig, mit Gummifüßen, Metallkappen an allen Ecken und einem großen Koffergriff an der Oberseite.
Das versenkte Anschlussfeld ist mit zwei parallel gelegten Klinken-Inputs bestückt. Der intensiv luftdurchlässige Stoff an der Front wurde stramm aufgespannt und bietet so dem von hinten mittels Einschlaggewinden montierten Speaker, einem G12-Vintage 30 von Celestion, guten Schutz. Leider ist die Bespannung nicht abnehmbar.
Es ist alles andere als eine neue Erkenntnis, dass Röhren-Amps mit einer Leistung um 20 Watt eine Art Idealmaß darstellen. Als 1×12-Combo beweist dies spätestens seit den Blackface-Tagen exemplarisch Fenders dauerbrennender Deluxe-Reverb. Damals wie heute ermöglicht die moderate Leistung einen idealen Arbeitspunkt, d. h. satte und entsprechend reaktive Aussteuerung des Verstärkers bei kommoder Lautstärke.
Wir sprechen von dem sensiblen, musikalisch lebendigen Verhalten einer Endstufe unter Volllast, ist klar, nicht?! Und natürlich zielt die Konzeption des Tubemeister 18 mit dem vierstufigen Power-Soak genau darauf ab, diese variabel nutzbar zu machen, mit Leistungsreduzierungen von 18 auf fünf oder ein Watt und einem Stumm-Modus.
Dazu gleich vorab eine wichtige Erkenntnis. Es zeichnete sich in der Hörphase des Test schnell ab, dass der Amp rein vom Klangergebnis her betrachtet durchaus mit unterschiedlichsten Lautsprecherboxen zurechtkommt. Grundsätzlich kann er auch 4×12-Cabs zu ordentlichen Leistungen antreiben, aber in Sachen physisch erlebbarer Dynamik stellen sich noch längst nicht immer die gewünschten Eigenschaften ein. So tönt etwa ein Greenback-Quartett sehr angenehm, nur schlagen bei ihm die Fäuste des TubeMeisters ein wenig ins Leere, bzw. seine Muckis reichen nicht aus, um mit den Speakern auf Augenhöhe in den Clinch zu gehen. Es will nicht recht der Druck aufkommen, die Interaktion zwischen Spieler und Amp wirkt gehemmt. Bildlich gesprochen spielt man quasi ohne Gegendruck ins Leere hinein. Ganz anders als in der Kombination mit des TubeMeisters 1×12-Adlatus.
Die kleine Box scheint im Resonanzverhalten sorgfältig auf die Fähigkeiten des Amps abgestimmt. Jedenfalls leistet das Duo beeindruckende Teamarbeit. Und das ist von entscheidender Bedeutung, denn schließlich will man mit Hughes & Kettners Weltergewicht-Stack doch das Benehmen eines großen Halfstacks in dezente Gefilde transferieren, nicht wahr? Insofern beziehen sich die nun folgenden Ausführungen primär auf das Zusammenwirken beider Komponenten, des Amps und der Box.
Thomas Blug präsentiert den Hughes & Kettner TubeMeister 18:
Es ist zunächst überraschend, wie füllig sich das Klangbild im Bassbereich ausbildet. Der Clean-Kanal stellt daher einen relativ großen Ton bereit, klar, transparent, brillant ohne aufdringliche Präsenzanteile, bei Bedarf auch dunkler, da die Klangregelung effizient arbeitet. Macht im Übrigen Sinn, den Treble-Regler unter 12 Uhr zu halten, da die Klangfülle und die Wirkung der anderen beiden Regler zunimmt. Wegen der Feinheit in den Höhen könnte man fast von so etwas wie einem Hi-Fi-Sound sprechen.
Damit die Wiedergabe ihre Lebhaftigkeit zum Tragen bringen kann, müssen Gain und Volume ziemlich weit aufgedreht sein. Was dazu führt, dass man sich alsbald in der Zwielichtzone zwischen Clean und Overdrive wiederfindet. Damit hat man im Grunde die optimale Arbeitsebene des Clean-Kanals betreten. Zumindest was die Live-Anwendung angeht, denn wirklich clean ist in der Lautstärke doch recht begrenzt. Die feinen Übersteuerungen bilden sich bei Akkorden schön harmonisch aus, während der Amp mit einer angenehmen Nachgiebigkeit auf die Attacks reagiert.
Schlicht ein gutes Spielgefühl. Das sich noch weiter ins Positive entfaltet wenn man den Lead-Kanal aktiviert. Ohne Boost steht hier moderater Crunch zur Verfügung, der beherzt die schönsten Seiten puristischer Röhrenverstärkung offeriert. Man spürt förmlich, wie beim Hochregeln von Gain und Master der Punkt erreicht wird, wo die Endstufensättigung einsetzt und die Wiedergabe aufbläht. Klar, ist einigermaßen laut dann, aber vollkommen zivil und angenehm.
Noch zuviel? Okay dann schlägt die Stunde des Power-Soak, der, unter Berücksichtigung der physiologischen Gegebenheiten bewertet, tatsächlich den Schallpegel herabsetzt, ohne den Charme des Klangbilds zu beeinträchtigen. Beide Daumen hoch, funktioniert prima. Die Stärke des crunchenden Lead-Kanals, diese dynamischen Anzerrungen, die mit einer Vintage-Strat eine Art entschärften, weniger rigorosen John-Mayer-Ton heraufbeschwören, kommen weiter voll zur Geltung. Gasen mit der Paula? Auch kein Problem, denn ihre breiten Hüften lassen sich, falls nötig, mit dem Bassregler leicht auf eine kleinere Konfektionsgröße abspecken. Der TubeMeister 18 bleibt also Herr der Lage.
Lead-Boost-On, immenser Gain-Nachschub, krasser Unterschied, ganz anderes Programm, schafft er es jetzt auch noch die Konturen zu bewahren? Nicht nur das, er setzt noch einen oben drauf. Diese Sound- Ebene ist das Highlight der Wiedergabe. In der klanglichen Ausrichtung in etwa einem ultra heißgemachten Vintage-Marshall gleich, fördert und unterstützt sie moderne Lead-Eskapaden mit gesund dosierter Kompression, extremer Obertonfreundlichkeit, Biss und sauberer Artikulation. Es braucht dafür keine hohe Lautstärke, die Vorstufe alleine sorgt schon für dieses fette Fundament. Der Reiz liegt nun darin, Gain und Master so auszupegeln, dass sich das „ideale“ Konglomerat aus Endstufen-Sag und Preamp-Gain einstellt. Heißt Gain zurücknehmen, je nach Pickups 10 bis 14 Uhr, Volume nachführen, sodass die EL84 die Muskeln spielen lassen können. Schön wie das pumpt und eine wohl dosierte Gegenwehr erzeugt. Wie von selbst entfalten sich kontrollierte Feedbacks, in der Tonhöhe alternierend, als stünde man vor einem fetten Verstärkerturm, hehe, da monstern brodelnd die Chords und es blüht farbenreich im Solo-Nirvana.
Gut, man muss von dieser Art der Tonformung etwas verstehen, und ein wirklich gutes Instrument zu verwenden kann auch nicht schaden, aber die Anlagen des Tube-Meister-Stacks sind dabei schon in hohem Maße zielführend. Was umso mehr frappiert, als es auch hier wieder seine Manieren tatsächlich weitestgehend beibehält, wenn wird; was für eine gelungene Vorstellung. Dass der Sound absolut gesehen kraftloser wirkt, hat physische Gründe: Die geringere Körperschallwahrnehmung suggeriert nachlassende Power (wie im Studio, wo fette Stacks über die kleinen Abhörmonitore schlapp klingen). An sich bleibt die Wiedergabe aber ziemlich ausgewogen.
Bisher haben wir von den grundsätzlichen Fähigkeiten gesprochen, zu denen unter anderem gehört, dass der Charakter des Instruments penibel dargestellt wird und in der Preamp-Sektion weitestgehend ausgeglichene Sound-Verhältnisse herrschen. Woraus sich für die Live-Anwendung ergibt, dass sich das Stack als vollwertiger Zweikanaler einsetzen lässt. Da für die meisten Anwender der Pegelsprung von Lead-Boost-On/Off vermutlich als günstig empfunden werden wird, ist der TubeMeister 18 eigentlich sogar ein dreikanaliger Könner seines Fachs. Dank des überzeugend funktionierenden Power-Soaks findet sich live sicher ein günstiger Arbeitspunkt, der im 1-Watt-Modus wirklich so dezent wird, dass man nicht gleich seinen Mietvertrag gefährdet. Aber Obacht, Lead-Master und -Gain auf Vollgas geht nicht, das ist noch immer im Pegel bedenklich. Tragfähige Lead-Einstellungen bekommt man aber wie gesagt auch bei heruntergeregeltem Master geboten.
Dank des exzellent arbeitenden seriellen FX-Weges, der mit einem Halbleiter-Buffer auf hohem Pegelniveau arbeitet, kann die ohnehin schon elegante Tonformung des TubeMeister 18 durch Effekte noch um einiges aufpoliert, abgerundet werden. Dort ein ordentliches Echogerät eingeschleift, und schon geht die Sonne noch heller auf. Ein weiterer, ganz dicker Pluspunkt geht an den Red-Box-D.-I.-Ausgang. Die Sound-Ergebnisse sind sehr überzeugend, lassen live eine Mikrofonierung nahezu überflüssig erscheinen. Ein weiterer positiver Aspekt in dem Kontext: Der TubeMeister 18 macht auch im ganz stillen Kämmerlein (Stumm-Modus) beeindruckende Ergebnisse möglich. Er erweist sich letztlich sogar als sehr potentes Recording-Tool, denn die drei Gain-Ebenen addieren sich zusammen mit der effizienten Klangregelung zu einem breit gefächerten Sound-Angebot auf.
Sowas, und ist denn da gar nichts, was man dem Meister ankreiden könnte? Ankreiden nein, aber man wird schon bemerken, dass die allerletzte Portion Markanz im Ton, die ihn zum erwiesenen Charakterdarsteller machen könnte, nicht vorhanden ist. Aber gucken wir noch einmal auf das Preisschild: Wovon reden wir?! Alles okay, die Bäume wachsen schließlich nicht in den Himmel. Freuen wir uns lieber, dass Hughes & Kettner dem kleinen Topteil quasi als Sahnehäubchen das TSC gegönnt hat. Es überwacht automatisch den Ruhestrom der Endstufenröhren und regelt nach. Das Auslesen kann manuell gestartet werden, der Röhrenwechsel geht schneller vonstatten, ein Defekt ist dank der LEDs schnell erkannt. Praktischer geht es kaum noch.
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Mit dem eingangs zitierten Motto verspricht Hughes&Kettner nicht zuviel. Der TubeMeister 18 besteht wirklich in allen drei Bereichen, auf der Bühne, daheim und beim Recording. Und er übt sein Multitasking überaus lebendig und klanglich souverän aus. Ein Wolf im Schafspelz, angesichts der extremen Gain-Reserven des Lead-Kanals, insgesamt gesehen erfreulich variabel im Sound, geeignet für unterschiedlichste Stilistiken.
Das 1×12-Cab ist dank seiner voluminösen Wiedergabe eine sehr gute Ergänzung zum Topteil. Dies oder ein adäquates Pendant gehören unabdingbar dazu, will man die Qualitäten des TubeMeister 18 vollends auskosten. Im Preis-/Leistungsverhältnis steht der Amp zweifellos günstig da. Auch bei der solide gefertigten 1×12-Box ist es unkritisch.
Autor: Udo Pipper, erschienen in Gitarre & Bass 06/2011
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