Grundsätzlich lassen sich Gitarrenboxen anhand der Anzahl der Lautsprecher, mit denen sie ausgestattet sind, und ihrer Impedanz, des Wechselstromwiderstands in Ohm, unterscheiden. Gebräuchlich sind Impedanzen zwischen 2 und 16 Ohm und eine Bestückung von zwei bis vier 12″ Speakern.
Ganz pauschal gesprochen werden 10“ Lautsprecher eher selten in Gitarrenboxen verbaut und finden eher in Combos Verwendung. Ihre kompaktere Bauweise hat logischerweise den Vorteil der Gewichts- und Platzersparnis. 10“ Lautsprecher sind beispielsweise innerhalb von Übungs-Combos ziemlich weit verbreitet.
Aufgrund ihrer handlichen Abmessungen werden 1×12-Boxen gerne primär als Kompromisslösung zugunsten des bequemen Transports verstanden. Eine leichtfertige Haltung, die unterschlägt, dass diese Bauart gegenüber mehrfach bestückten Gehäusen akustisch handfeste Vorteile zu bieten hat. So ist für den Hörer die Ortung eines solchen Cabinets deutlicher, Details der Gitarre können präziser wahrgenommen werden.
Für eine 1×12 kann zuweilen auch gerade die Tatsache sprechen, dass sie mit ihrem einen Lautsprecher leiser spricht als eine 2×12
Die Erfahrung hat mancher Kollege bestimmt schon gemacht: Der Röhren-Amp soll in der Endstufe zerren, ist dann aber an einem großen Cabinet zu laut für den Club. Mit einer 1×12-Box geht der Schalldruck zurück, es lässt sich leichter ein situationsgerechter Arbeitspunkt finden.
Ein geschickt gewähltes 1×12-Gehäuse kann andererseits die Tonfülle eines Combos erheblich aufwerten. Unter dem selben Aspekt sollte man immer auch ernsthaft prüfen, ob man wirklich einen Combo kauft, oder das betreffende Verstärkermodell mit einem sorgfältig ausgewählten 1×12-Cabinet kombiniert, dass ausdrücklich nicht zwangsläufig aus derselben Modellserie stammen muss.
Grundsätzlich können bei 2x12er-Boxen die Lautsprecher waagerecht (nebeneinander) sowie senkrecht (übereinander) angeordnet sein. Vorteil der ersteren Bauweise ist, dass man den Amp meist problemlos draufstellen kann. Vorteil der zweiten Bauweise dagegen ist, dass der Lautsprecher tendenziell näher am Ohr ist.
Grundsätzlich sind 2x12er-Boxen der logische Mittelweg für alle, denen nur ein Lautsprecher nicht genug Power bietet, eine 4x12er jedoch zu groß und sperrig erscheint.
Eine mit vier 12“ Lautsprechern bestückte Box ist wohl der Klassiker schlechthin. Erfunden wurde sie von John Marshall, den wir dazu am besten auch selbst zu Wort kommen lassen:
“Unsere ersten Boxen waren ja 2×12-Modelle. Da die frühen Celestion-Alnico-Lautsprecher aber nur je 25 Watt Leistung verkraften konnten, knallten die dauernd durch. Unsere Verstärker hatten aber Peaks von über 45 Watt. Um diesen Missstand zu beseitigen, entwickelte ich die 4×12-Box mit 100 Watt.
Das Witzige daran ist, dass ich mir bei dem Design dieser Box überhaupt nichts gedacht habe. Sie sollte einfach nur relativ klein und sehr stabil sein. Ich glaube, ich habe einfach vier 12-Inch-Lautsprecher auf ein großes Stück Papier gelegt und darum einen Rahmen gezeichnet. Die ersten Boxen waren dann die gerade Version. Das sah aber mit dem kleinen JTM45 Topteil irgendwie komisch aus. Die Proportionen stimmten nicht.
Also habe ich sie vorn ab der Hälfte abgeschrägt, damit das Design besser wird. Der Amp passte in seiner Tiefe genau auf die verbleibende Fläche. Als mich dann Micky, der Gitarrist der Tremeloes, fragte, warum die Box abgeschrägt ist, lieferte ich ihm spontan eine pseudo-wissenschaftliche Erklärung:
‚Tja, die Box ist so gebaut, dass der Klang ungehindert über die Köpfe des Publikums abgestrahlt wird und auch am anderen Ende der Halle noch zu hören ist.‘ Ich hatte mir diese Erklärung nur ausgedacht, aber als ich ans andere Ende der Halle ging, hörte ich, dass ich doch keinen Quatsch erzählt hatte! Aber noch einmal: Die Boxen wurden nur aus optischen Gründen abgeschrägt gebaut.”
Mehr zu diesem Dreamteam erfährst du in unserem Workshop: Marshall & Celestion!
Natürlich gibt es diverse Sondermodelle, die von der Norm abweichen und eher weniger verbreitet sind. Beispielsweise der 15-Zoll-Lautsprecher, welcher aufgrund seines warmen Tons besonders von Jazz-Gitarristen geschätzt werden. Hybrid-Boxen mit verschiedenen Lautsprechergrößen existieren zwar, sind aber nicht wirklich weit verbreitet.
Auch Lautsprecher auf Neodym-Basis werden immer beliebter: Wir haben einen groß angelegten Vergleichstest für euch durchgeführt!
Das Bewerten und Auswählen der individuell ideal geeigneten Box ist sicher kein leicht zu bewältigendes Problem. Die Aufgabenstellung gleicht der Entscheidungsfindung für ein Hifi-Boxen-Pärchen, nur dass alles ziemlich laut stattfindet und das Gehör noch schneller ermüdet.
Wichtig ist daher, dass man sich nicht beim Dudeln davontragen lässt, sondern möglichst kurz und knapp einige unterschiedliche musikalische Elemente, immer wieder dieselben, konkret vergleicht, z. B. cleane Akkorde, Crunch-Chords, verzerrte Single-Note-Figuren auf den tiefen Saiten, Solo-Lines.
Und unverzichtbar: Man bringe sein eigenes Instrument und den Amp an den Start! Ist schon schwer genug, akustische Verhältnisse in einem fremden Raum zu abstrahieren. Noch besser wäre natürlich, wenn man versucht die Box im Einsatz mit der Band zu hören und zu beurteilen.
Noch zwei wichtige Punkte:
Ein alter Celestion Greenback G12M aus den Sechzigern oder ein Jensen Alnico aus den Fünfzigern sind schon echte Sound-Legenden. Zurecht haben die gut gepflegten Exemplare den Ruf, besonders musikalisch zu klingen. Sie tönen meist wärmer und farbenfroher als ihre neueren Reissues.
Doch was heißt eigentlich „gut gepflegt“? Auch wenn sie noch funktionieren, verlieren Lautsprecher über die Jahre ihre ursprüngliche Qualität. Der Schwingspulenträger aus Papier oder Pappe kann sich verformen und die Sicken und Membranen können schleichend zerbröseln.
Das Ergebnis ist ein Sound mit wenig Dynamik und Lautstärke, eine zu hohe Kompression und ein Verlust an Auflösung. Daher ist der Kauf im Internet immer ein Risiko. Zumal für diese Lautsprecher in der Regel sehr viel Geld verlangt wird.
Natürlich klingen diese Lautsprecher in gutem Zustand sagenhaft. Doch der lässt sich schwer überprüfen.
Manche Verkäufer geben zuerst die Lautsprecher ab, die nicht gut klingen, obgleich sie ja noch funktionieren. Es ist also ein Glücksspiel, das nicht selten zum Frust führt. Besser wäre, man könnte gebrauchte Lautsprecher vorher ausprobieren, um sicher zu gehen, dass die Klangvorstellungen auch erfüllt werden.
Im schlimmsten Fall hilft nur noch eine Reparatur, ein sogenanntes Reconing. Dabei werden eine neue Schwingspule und eine neue Membran eingesetzt. Geschieht das fachmännisch, können diese Lautsprecher wieder hervorragend klingen. Es kostet natürlich nochmals rund 100€ und zerstört den Sammlerwert.
Heutzutage ist das Angebot an 12-Zoll- Speakern so vielfältig, dass man auch bei aktuellen Modellen fündig wird. Bonamassa oder Keith Richards spielen etwa neuere Celestions in ihren alten Fender Tweed Twins, The Edge bevorzugt bekanntlich einen Celestion Blue Alnico Reissue in seinem Tweed Deluxe und Neil Young kauft alte Jensen Ceramics (C12N) und lässt sie grundsätzlich reconen.
Wenn man Vintage-Verstärker besitzt und diese auch live einsetzen möchte, empfiehlt es sich grundsätzlich, die Lautsprecher zu tauschen, wenn man den oft altersbedingten fragilen Zustand der Original-Speaker nicht gefährden möchte. Im Falle eines Verkaufs kann man dann guten Gewissens die Original-Lautsprecher wieder einbauen und erhält somit den vollen Wert des guten Stücks.
Salopp gesagt haben geschlossene Gehäuse mehr Wucht und Punch. Dafür strahlen sie vorwiegend nur nach vorne ab. Steht man nicht direkt im Sound-Kegel einer Marshall-Box, hört man sich schlecht. Offene Gehäuse strahlen eher kugelförmig ab, sind also fast überall auf der Bühne gut zu hören.
Dafür haben sie weniger Punch und haben manchmal etwas weniger Kontur im Bassbereich. Mit einem JTM45 müsste man dann die Bässe stark reduzieren, was viele Musiker ohnehin bei diesem Amp bevorzugen. Beim Tube Amp Doctor in Worms gibt es beispielsweise Leergehäuse, bei denen die Rückwand aus drei Teilen besteht.
Das Gehäuse spielt sogar eine erhebliche Rolle, wenn es um den Sound der Gitarrenbox geht. Es gibt Gehäuse aus MDF (Mittel-Dichte-Faser), Sperrholz (Multiplex) oder Vollholz. Zudem spielen Material und Stärke der Frontplatte eine entscheidende Rolle. Zuletzt macht sich natürlich auch die Anordnung und Anzahl der Lautsprecher bemerkbar.
Eine Box aus Massiv-Holz verhält sich beispielsweise selbst wie ein Klangkörper und liefert ordentlich Resonanzen. Der Ton ist indirekter, da ein großer Teil der Schwingungsenergie der Lautsprecher an das Gehäuse „verloren“ geht. Man kann diesen Effekt aber auch als Teil des Gesamtklangs betrachten.
Ganz extrem ist dieses Phänomen bei Tweed Combos zu beobachten, die aus Vollholz gefertigt werden (solid pine) und zudem ein sehr dünnes Baffle- Board (Speaker-Front) haben. Ein Tweed Deluxe schwingt bei hohen Lautstärken so stark, dass er fast über den Boden wandert.
Für straffe Heavy-Metal-Staccato-Riffs wäre das natürlich völlig ungeeignet. Für hohe Lautstärken braucht man daher ein Gehäuse-Material, das sich nur schwer zum Schwingen anregen lässt. Dickes Multiplex oder MDF sind hier im Vorteil. Eine dünne 9-Millimeter-Frontwand in einem Fender Tweed Combo würde auch einen schweren Electro-Voice- oder JBL-Lautsprecher kaum tragen.
Die Lautsprecher brechen nicht selten aus der Frontwand. Somit ist es eine – wenn man so will – empirische Tatsache, dass jeder Lautsprecher seine Klangeigenschaften mit dem jeweiligen Gehäuse in Kombination bringt.
Es macht ja überhaupt keinen Sinn, Lautsprecher ohne Gehäuse anzuhören. Man würde da auch nicht viel hören, denn es ist der wichtigste Bestandteil des Klangergebnisses. Ohne Gehäuse kein Sound! Das macht es auch so schwierig, auf Anfragen zur Speaker-Auswahl Stellung zu nehmen.
Klar sind eigentlich nur die zu erwartenden Eigenschaften bestimmter Holzarten und Masseverhältnisse. Dicke Gehäusebewandung und bedämpfende Materialen „klingen“ weniger als dünne Wände aus Vollholz. Daher tönen stabilere Konstruktionen straffer und konturierter als resonierende Gehäuse.