Als Gitarrist in der heutigen Zeit ist man durchaus privilegiert: Nie zuvor war das weite Feld der Effektpedale derart gut bestellt und von so viel Erfindungsreichtum und Produktivität geprägt. Sogar komplette Sonderausgaben einschlägiger Fachmagazine widmen sich diesen kleinen, bunten Tretern …
Und schließlich stehen uns nicht nur all die großartigen Effekte der letzten Jahrzehnte zur Verfügung – ob als Clones oder Reissues, oder als nahezu unbezahlbare, alte Originale –, sondern auch eine schier endlose Anzahl kreativer Neuentwicklungen!
Es gab aber auch einmal eine Zeit, in der die Erweiterung der Kombination aus Gitarre und Amp um ein einziges kleines, klangveränderndes Transistorgerät eine echte Revolution darstellte, die den Horizont der E-Gitarre enorm erweiterte. Seither hat das Konzept von Gitarren Effekten die Art und Weise, in der wir Musik machen, für immer verändert.
In den frühen Tagen der elektrischen Gitarre benötigte man, wenn man den reinen Klang der Gitarre verändern wollte, ein wie auch immer geartetes elektromagnetisches Gerät. Damals gab es keine Alternative: Wenn du wolltest, dass deine Gitarre klingt, als würde sie sich bewegen, musstest du irgendetwas in Bewegung setzen. Das hatte zur Folge, dass die frühen Effektgeräte oft groß und lange nicht so handlich waren, wie wir es heute kennen.
Vor der Einführung der Transistortechnik war Elektronik eben eine umständliche Angelegenheit. Um zum Beispiel einen Tremolo-Effekt zu erzeugen, musste man eine Verbindung im Signalweg realisieren, die physisch im Wechsel den Kontakt herstellte und wieder kappte. Für ein Echo musste man – wenn man nicht gerade in einer speziellen Kammer oder Kathedrale war – einen Klang aufnehmen und ihn den Bruchteil einer Sekunde später wieder abspielen.
Um einen Chorus-Effekt zu erzeugen, brauchte man einen sich drehenden Lautsprecher, oder zumindest eine sich drehende Blende davor. Schwere Zeiten also für Sound-Tüftler, wobei man zugeben muss, dass einige dieser frühen Ideen wirklich toll klangen. Einer der ersten Versuche, ein mechanisches Vibrato zu produzieren, findet man zum Beispiel in der Rickenbacker Vibrola, einer Gitarre, die Mitte der 30er-Jahre gebaut wurde.
Sie war mit einem Motor und Seilzügen ausgestattet, die die Bridge bewegten, um so einen automatisierten Vibrato-Sound zu kreieren. Doch die Gitarre wurde dadurch so schwer, dass man einen eigenen Ständer direkt ins Instrument integrierte.
Zehn Jahre später wurden die ersten eigenständig arbeitenden Effekt-Boxen entwickelt, allen voran das DeArmond Tremolo Control (auch bekannt als TremTrol), das ab 1946 von Rowe Industries in Toledo, Ohio, hergestellt wurde.
Dieses Gerät besaß einen Motor, der ein kleines Gefäß mit leitfähiger Flüssigkeit so in Bewegung brachte, dass es in rhythmischen Abständen geerdet wurde. Ließ man ein Gitarrensignal hindurch laufen, entstand somit ein hervorragend klingender Tremolo-Effekt. Erste Ansätze für ein mechanisches Echo finden sich im EchoSonic-Verstärker, der Mitte der 50er von Ray Butts gebaut wurde und ein integriertes Bandecho besaß.
Dieser Amp kam u. a. bei Scotty Moore (Gitarrist von Elvis Presley), Chet Atkins und Carl Perkins zum Einsatz. Schon bald sollte es aber auch externe Echogeräte, wie das Maestro Echoplex aus den USA und das Watkins Copicat aus England, geben. Beide bedienten sich derselben Tape-Loops, um die Echo-Signale aufzunehmen und abzuspielen. Im Gegensatz dazu wurde im Binson Echorec aus Italien eine sich drehende Metallscheibe verwendet. Während diese Apparate noch vergleichsweise „handlich“ waren, war der Aufwand für einen authentischen Chorus-Sound schon größer.
(Bild: Backbone Press, Jens Markfeld)
Schließlich musste ein komplettes Leslie-Cabinet von der Größe eines Kühlschranks transportiert werden. Eine Lösung dieses Problems ließ jedoch nicht lange auf sich warten, denn mit der Transistor-Revolution in den 60er-Jahren wurde nicht nur der Geldbeutel der Gitarristen, sondern auch ihr Rücken entlastet.
Effekt-Enthusiast? Ab zum Guitar Summit! Infos gibt es hier!
Auch wenn die von vielen Gitarristen bevorzugte Röhrentechnik in Verstärkern nie komplett von Transistoren verdrängt werden konnte, kam es, vor allem durch deren geringe Größe und durch ihre niedrigere benötigte elektrische Spannung, zu einer wahren Explosion von kompakten klangverändernden Geräten.
Der dadurch in den 60er-Jahren ausgelöste Effektpedal-Boom ist bis heute nicht abgeflaut. Das Leistungsvermögen und die Vielseitigkeit von Transistorschaltungen ermöglichte es den Entwicklern, zunächst die sperrigen Röhrengeräte nachzuahmen und sich später von diesen Vorbildern zu lösen und in eine ganze Welt neuartiger Sounds einzutauchen.
Die ersten Solid-State-Emulatoren waren recht gewöhnliche Geräte, die für die reine Wiedergabe des Signals ausgelegt waren. Da sich die Welt des Effekt-Designs nur langsam komplexeren Sounds öffnete, führten die Kompakt-Pedals und ihre sperrigen Vorbilder einige Jahre eine Parallelexistenz.
>> BRETTSPIELER? BOARDTRETER? PEDALOMANIAC? Hier geht es zum FX-Setup unserer Leser!
Der verzerrte Sound eines defekten Channel-Strips am Mischpult in Marty Robbins’ Hit ,Don’t Worry‘ von 1961 brachte den Toningenieur Glen Scotty darauf, diesen kantigen Sound, den wir heute als Fuzz klassifizieren, mit einem kleinen Pedal zu reproduzieren. Dieses Gitarren Effekt ging 1963 unter dem Namen Maestro Fuzz-Tone in Produktion und wurde zunächst vor allem jenen Jazz-Gitarristen ans Herz gelegt, die den Sound eines Saxophons imitieren wollten.
Doch stattdessen war dieses Pedal der Anfang einer Rock’n’Roll-Revolution! Keith Richards’ Einsatz des Fuzz-Tones im 65er Hit ,(I Can’t Get No) Satisfaction‘ ist zwar das berühmteste und prägendste Beispiel einer Fuzz-Gitarre in der Popmusik, jedoch nicht das erste: Schon ein Jahr zuvor hatte Big Jim Sullivan in P.J. Probys Hit ,Hold Me‘ über ein von Roger Mayer gebautes Fuzz gespielt:
1966 brachte die englische Firma Arbiter Electronics das Fuzz Face auf den Markt, den vermutlich bekanntesten und einflussreichsten aller Fuzz-Bodentreter, in dem ursprünglich zwei MullardNKT275-Germanium-Transistoren verbaut waren, die für diesen fetten, geschmeidigen, aber leicht bissigen Ton sorgten.
Unterdessen entwarf Arbiters späterer Geschäftspartner John E. Dallas ein nicht minder legendäres, aber einfacher gestaltetes Gerät: Beim Rangemaster-Treble-Booster verwendete einen einzigen Mullard OC44 oder NKT275 Germanium-Transistor, um nicht nur die hohen Frequenzen, sondern das ganze Spektrum ein wenig anzuheben. Damit unterstütze er Musiker wie Eric Clapton und später Brian May und Tony Iommi dabei, ihre Amps in die Verzerrung zu treiben und sich in den etwas trüben Mixen dieser Tage besser durchzusetzen.
Kreativere Formen der Sound-Gestaltung, wie das Effektgerät Fuzz Face, hielten in etwa zur selben Zeit Einzug. Anstatt das Signal zu boosten oder zu verzerren, wirkte man mittels Filtern auf das Frequenzspektrum der Gitarre ein.
Das WahWah-Pedal wurde zuerst 1966 von der Thomas Organ Company in Kalifornien hergestellt. Ziel war es, den „Wah-Wah“-Sound des oft mit Dämpfer spielenden Trompeters Clyde McCoy zu imitieren. Als das WahWah dann ein Jahr später in Form von Vox Wah und Cry Baby in Produktion ging, fand es auch seinen Weg in die Hände von Jimi Hendrix, Eric Clapton, Jeff Beck und anderen und wurde so zu einer großen Inspiration im Rock der späten 60er- und frühen 70er-Jahre.
Das WahWah veredelte unzählige Gitarrensoli mit einer neuen Dimension der vokalähnlichen Klangbearbeitung; ganz zu schweigen von den vielen Rhythmusgitarren-Parts, denen erst durch das Wah-Pedal dieses geschmeidige Quäntchen Funkyness eingehaucht wurde. Bis heute ist das WahWah ein beliebter Baustein in vielen Effektketten auf Pedalboards.
Das Octavia-Pedal war weniger verbreitet, da es ursprünglich in Handarbeit und sehr geringer Stückzahl von Roger Mayer produziert worden war. Trotzdem wurde sein Oktave-Up-Sound – vor allem bekannt aus Jimi Hendrix’ ,Purple Haze‘-Solo – ein Markenzeichen des Psychedelic-Rock, sodass der Schaltplan bald von anderen Herstellern aufgegriffen wurde – so z.B. von Tycobrahe im Jahr 1971.
Hier der Oktave-Up-Sound zum Nachhören:
Die erste wirklich erfolgreiche Nachbildung eines frühen bewegungsabhängigen, elektromagnetischen Effekts war das Uni-Vibe. Mitte der 60er-Jahre vom Japaner Fumio Mieda entwickelt, kam es in der unter dem Univox-Logo erschienenen Version auf den Markt. Gebaut wurde es von der japanischen Firma Shin-Ei.
Der Kern der Schaltung bestand aus einer vierstufigen, auf Fotozellen basierenden Phasing-Einheit, bei der jede Stufe jeweils in einer anderen Frequenz gestimmt war, um damit den Sound eines rotierenden Lautsprechers wie bei einem Leslie-Kabinett zu simulieren.
Gemessen am Sound eines Leslies oder eines Fender-Vibratones kann man das Uni-Vibe nicht gerade als erfolgreichen Klon dieses Effekts bezeichnen, aber für sich alleine gesehen, ist es dennoch ein hervorragend klingendes Effektgerät. Und Jimi Hendrix, Robin Trower, David Gilmour und andere große Gitaristen sorgten dafür, dass es bis heute seinen festen Platz in der Effekt-Historie inne hat.
Es ist bezeichnend, dass alle bis jetzt vorgestellten Effekte auch Teil von Jimi Hendrix’ Signalkette waren. Hendrix war unbestritten der experimentierfreudigste Gitarrist seiner Zeit und wann auch immer er einen neuen Effekt zum Einsatz brachte, war diesem ein Platz in der Ruhmeshalle legendärer Pedale sicher.
Weitere Musiker sowie Entwickler sprangen auf den Zug auf, sodass Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre viele originelle Effektgeräte auf den Markt kamen, die zu zahlreichen neuen musikalischen Experimenten einluden. Der Envelope Filter (auch bekannt als „Envelope Follower“ oder „Auto Wah“) wirkt aus heutiger Sicht vielleicht wie ein neuartiger Effekt, der auf Funk-Musik beschränkt ist, war aber eine Sensation als er 1972 in Form des Mu-Tron III auf den Markt kam.
Jazz- und Fusion-Gitarristen wie Larry Coryell, Herb Ellis und Pat Martino loteten die Möglichkeiten des Effekts auf kreative Weise aus und erzeugten so hippe Sounds, die nicht wirklich nach Gitarre klangen. Nichtsdestotrotz wurde der Envelope-Filter-Sound zunächst durch ein Keyboard berühmt, als Stevie Wonder ihn 1973 auf der Hitsingle ,Higher Ground‘ mit einem Hohner Clavinet einsetzte.
>>> Hol mehr Sound aus deiner E-Gitarre und bestell dir jetzt versandkostenfrei unser Sonderheft: Effektpedale ABC
Während Mu-Tron auch für sein starkes, komplexes Bi-Phase-Pedal von 1974 viele Abnehmer fand, erhielt ein anderes kleines und deutlich simpleres Phase-Shifter-Pedal Einzug in die Rigs professioneller Gitarristen. Der MXR Phase 90, ein vierstufiger Phase-Shifter, der 1972 entwickelt wurde und 1973 als erstes Produkt der Marke in den Handel ging, hatte nur einen Regler und einen Fußschalter und trotzdem einen satten Sound, der sich extrem gut mit der Gitarre ergänzte, vor allem wenn man ein bisschen Verzerrung hinzufügte.
Auf vielen Pedalboards zuhause – der MXR Phase 90:
Es ist nicht immer leicht, den genauen Gerätetyp auf den alten Aufnahmen zu bestimmen, jedoch ist sicher, dass der MXR Phase 90 von Jimmy Page, David Gilmour, Eddie Van Halen, Joe Perry und Andy Summers in den 70er- und 80er-Jahren verwendet wurde. Sein großer Bruder, der Phase 100, hingegen veredelte Songs wie ,Shattered‘ von den Rolling Stones oder ,Lost In The Supermarket’ von The Clash.
Auf der Grundlage dieses ersten Pedals erweiterte MXR das Angebot um den Distortion+, den Dyna Comp und die Blue Box und der Hersteller war auf dem besten Weg, Marktführer in Sachen Pedalboard zu werden …
Doch schon Ende der 70er-Jahre hatten sich die japanischen Hersteller Boss und Ibanez zu den erfolgreichsten Marken gemausert, noch bevor sich Electro Harmonix als die wohl experimentierfreudigste Firma etabliert hatte.
Electro Harmonix wurde 1968 von Mike Matthews gegründet, einem Keyboarder, der Abschlüsse in Elektrotechnik und Betriebswirtschaft vorzuweisen hatte. Das erste offizielle Pedal der Firma war der kleine LPB1 (Linear Power Booster), der Big-Muff-Fuzz brachte der Firma dann ab ca. 1970 wirkliche Berühmtheit.
Im Laufe der 70er-Jahre brachte Electro-Harmonix jede nur erdenkliche Effektart auf den Markt, einige davon in verschiedenen Ausführungen. Gleichzeitig erfand man verschiedene originelle und mitunter absonderliche Pedale. Die Phaser Bad Stone und Small Stone, sowie der Doctor Q Envelope Filter und der Chorus Small Clone waren exzellente und beliebte Varianten ihrer jeweiligen Effekte.
Spätere Entwicklungen wie der Deluxe Memory Man, ein Analog Delay mit Chorus, und der Electric Mistress Flanger waren wirklich revolutionär auf ihrem Gebiet, während extremere Experimente wie Knockout Attack Equalizer, Random Tone Generator, Frequency Analyzer, Ambitron Exciter und Soul Kiss (ein mit dem Mund zu steuerndes WahWah) zwar interessante Sounds hervorbrachten, die Gitarrenwelt jedoch nicht gerade nachhaltig veränderten.
Einer der ersten Transistoreffekte, die es in Pedalform Anfang der 60er Jahre gab, war eine Art Overdrive, der aber nur entfernt nach einem leicht angezerrten Röhren-Amp klang. Es dauerte noch bis in die späten 70er, bis Ibanez mit seinem TS-808 Tubescreamer (ursprünglich von Maxon hergestellt) dieses Segment revolutionierte.
Dieser legendäre Verzerrer blieb auch in Form seiner Nachfolgemodelle TS9 und TS10 extrem populär, ist bis heute vielleicht das am häufigsten kopierte Overdrive-Pedal und verkauft sich mit seinen Reissue-Modellen und modifizierten Varianten immer noch sehr gut.
Ursprünglich angetreten, einen leicht übersteuerten Röhren-Amp zu imitieren, funktioniert die Schaltung am besten in Kombination mit einem Röhrenverstärker, der schon ganz leicht in der Übersteuerung ist. Denn hier kann der Tube Screamer dann das Signal zu einem fetten, Sustain-reichen Lead-Sound formen.
(Bild: Backbone Press, Jens Markfeld)
Der OD-1 vom japanischen Konkurrenten Boss, der tatsächlich ein Jahr vor dem Tube Screamer auf den Markt kam, versucht einen ähnlichen Sound zu erreichen, verwendet jedoch asymmetrisches Clipping für eine schroffere Verzerrung. Dieses Pedal war nicht ganz so erfolgreich wie das von Ibanez, wohingegen das Boss DS-1 Distortion-Pedal seinen Weg u. a. auf die Pedalboards von Gitarrenvirtuosen wie Eddie Van Halen, Steve Vai und Joe Satriani fand. Insgesamt betrachtet, hat das Boss-Sortiment mit seiner breiten Produktpalette – inkl. Klassikern wie den Chorus-Pedalen CE-1 und CE-2 oder dem Delay DM-2 – den Ibanez-Katalog überholt, auch wenn es von diesem Hersteller nach wie vor einige Pedale gibt, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Parallel zu den Entwicklungen dieser beiden japanischen Marken erschien 1979 ein Pedal namens Pro Co Rat auf der Bildfläche, das sich der nicht ganz so dezenten Verzerrung verpflichtet fühlte und damit vor allem Rock- und Metal-Gitarristen begeisterte.
Mehr über Reverb Effekte erfährst du übrigens auf der Reverb Themenseite! Und hier geht’s zur Themenseite zu Verzerrer, Overdrive, Distortion & Fuzz.
Von den ersten Anfängen über das beinahe Verschwinden in den 80er-Jahren bis hin zu einem Boom, wie sie ihn sich die Entwickler der ersten Stunde niemals hätten erträumen können, ist die Popularität von Gitarren Effekten heute größer als je zuvor. Für experimentierfreudige Gitarristen gab es nie bessere Zeiten!
Autor: Dave Hunter