Als in den 50er-Jahren in den USA die Solidbody-Ära begann, entstand dort auch fast zeitgleich der Do-it-yourself-Trend. Und so einige Umtriebige, die damals anfingen Gitarrenbasteleien für sich oder auch für Freunde auszuführen, wuchsen später zu weltbekannten Gitarrenbauern heran. Bei uns fingen Laien erst etwas später, in den 70ern, im Zuge des Baumarkt-Booms damit an, Arbeiten auszuführen, die nicht ihrem eigentlichen Tätigkeitsfeld entsprachen. Die Begeisterung dafür, etwas zu erschaffen oder zu reparieren, gepaart mit der Option dabei Geld zu sparen (oder auch nicht), kann eine lohnende Bereicherung des Alltags sein und, mit entsprechenden Fähigkeiten und Begabungen, durchaus zu vollprofessionellen Ergebnissen führen kann – gäbe es da nicht manchmal ein kleines Problem: Zu viele linke Hände oder fehlendes Fachwissen sind oft nicht zielführend und können wider Erwarten zu irreparablen Schäden am Instrument, und damit zu Mehrkosten führen.
Nicht jeder hat das Talent dazu, eine Gitarre oder einen Bass zu reparieren, zu restaurieren oder auch nur zu modifizieren – entsprechend fällt dann das Ergebnis aus. In den vergangenen knapp 30 Jahren hatte ich viele solcher Missetaten in meiner Werkstatt auf der Bank, um diese, im schlimmsten Fall übel verbastelten Opfer, zu retten.
Grenzen
Auch ich habe schon sehr früh damit begonnen, alles Mögliche an Gerätschaften zu ergründen und dann selbst zu verbessern oder einfach nur instandzusetzen, sei es mein Mofa, einen Plattenspieler oder eben auch meine Gitarren. An meinen ersten Versuch, einen damals so angesagten Messingsattel selber anzufertigen, kann ich mich noch sehr gut erinnern, zumal ich das Teil noch heute besitze. Der dazu gekaufte grobe Messingrohling wurde von mir mit absolut unfachmännischem Werkzeug, wie Brotmesser, Cutter und Nagelfeile solange bearbeitet, bis er seine Funktion optimal erfüllte. Und nicht nur das, selbst mit meinen speziellen Sattelwerkzeugen würde ich ihn heute nicht viel besser hinbekommen. Da war ich 15 Jahre alt, und fünf Jahre später waren solche Arbeiten schon mein Berufsalltag.
Die Grenze zwischen dem, was man selber machen kann oder wo besser die Finger wegbleiben sollten, ist eben individuell und muss jeder für sich entscheiden. Es gab in den ganzen Jahren schon etliche Kunden bei mir, auch sehr junge, die fachlich so kompetent waren, dass sie sogar komplett selber gebaute Instrumente präsentierten. Aber dies sind natürlich eher Ausnahmen. Zum Üben und Erfahrungen sammeln kann ich hier die zahlreich angebotenen Instrumentenbausätze empfehlen, wo die groben Holzarbeiten schon gemacht sind, aber so ziemlich alle Montage- und Setup-Maßnahmen noch ausgeführt werden müssen. Ein guter Einstieg in die Do-It-Yourself-Liga, ohne Gefahr zu laufen, all zuviel kaputt zu machen. Und mit ca. 70 bis 90 Euro eine akzeptable Investition in einen privaten Selbsterfahrungs-Workshop in Gitarrenbau.
Klassiker
Hier gibt es nun ein paar Ratschläge von mir, was man unproblematisch an seinen eigenen Instrumenten verändern kann oder wo es doch besser ist, den Weg zum Gitarrenbauer einzuschlagen. Fangen wir mal beim Kopf an: Mechaniken tauschen ist nix Großes, kann eigentlich jeder beherrschen, besondere Vorsicht ist nur geboten, wenn die Bohrlöcher vergrößert werden müssen. Das nötige Werkzeug dazu hat auch nicht jeder im Haus, und einmal zu groß gebohrt wird’s wacklig. So ein Bohrloch dann sauber zu verschließen und neu aufzubohren ist nicht so einfach und sollte zwecks Werterhaltung des Instruments professionell gemacht werden.
Dann kommt schon eine der größten potenziellen Baustellen des Gitarrenunfallwesens: der Kopfplattenbruch. Kommt leider oft vor, ist immer sehr ärgerlich, ist in den meisten Fällen aber relativ problemlos wieder zu leimen. Aber Obacht! Hier gilt: Der erste Versuch ist der Wichtigste und sollte so perfekt wie möglich gelingen. Wird die Leimfuge nicht richtig dicht oder die Teile verschieben sich sogar beim Pressen, gibt es kein Freispiel – ein evtl. nötiger zweiter Versuch ist dann nicht mehr optimal durchführbar. So gesehen eigentlich eher ein Fall für den Fachmann, zumal so eine Kopfplattenreparatur auch nicht die Welt kostet.
Vor vielen Jahren hatte ich mal einen witzigen Fall von völlig kurioser Reparatur eines Kopfbruchs. Der Besitzer, der wohl offensichtlich Schlosser war, hat, um den Bruch zu verstärken, eine Edelstahlmanschette angefertigt die etwa 10cm weit den Hals ummantelte und die Kopfplatte verband, gehalten durch ca. ein dutzend Schrauben. Der Mann hätte auch ein Knochenchirurg sein können, ich weiß es nicht mehr so genau …
Nächstes Thema: Dem Halsstab mit seiner Trussrod-Schraube ist ebenfalls mit Respekt zu begegnen. Lässt sich die Schraube beim Justieren leichtgängig drehen und das nötige Werkzeug passt gut, ist es kein Akt. Aber wehe die Schraube sitzt zu fest und es wird mit Gewalt, am besten noch mit minderwertigem Werkzeug versucht, sie zu bewegen. So eine Trussrod-Schraube geht sehr leicht kaputt und dann wird es wirklich kompliziert. Im schlimmsten Fall muss das Griffbrett im Bereich der Schraube geöffnet werden und diese aufwendig ausgetauscht werden.
Dann kommt einer der wesentlichen Bestandteile einer Gitarre: der Sattel. Bei kaum einem anderen Teil kommt es so auf Bruchteile eines Millimeters an, damit das Instrument klingt, gut bespielbar und leicht stimmbar ist, sowie sauber intoniert. Bei fabrikneuen Instrumenten muss meist nachgekerbt werden oder schlimmer, das minderwertige Plastikmaterial muss gegen Knochen oder Ähnliches ausgetauscht werden. Auch hier muss ich sagen, dass aufgrund der meist fehlenden Werkzeuge im Haushalt, die Bearbeitung durch einen zünftigen Gitarrenbauburschen ratsam ist.
Als nächstes kommen wir zu einem überaus wichtigen Bestandteil eines Saiteninstruments, dem Griffbrett und seinen Bünden. Das Reinigen des Bretts ist aufgrund der durch Schweiß, Oxid und Abrieb entstehenden Verschmutzung häufig notwendig und sollte somit im Repertoire eines jeden Spielers mit entsprechenden Hilfsmitteln vorhanden sein. Da fällt mir gerade ein, dass für viele selbst der normale Saitenwechsel immer noch eine Herausforderung darstellt – soviel zum Thema unterschiedliche Begabung. Aber wir leben ja im Zeitalter des Internets und zu allen erdenklichen Handgriffen kann man sich D.I.Y-Videos anschauen, z.B. wie man mit Lappen, Öl etc. zur Sache geht.
Aber nun zur Bundierung. Hier gilt ganz klar: Wer keine Ahnung hat, sollte besser die Finger davon lassen! Wie beim Sattel, kommt es auch hier auf hundertstel Millimeter an und es bedarf größter Sorgfalt beim Bearbeiten. Das Abrichten und sonstige Bundarbeiten sind daher für mich auch eher ein Auftrag für den Fachmann. Gerade das Thema Bünde verlangt jahrelange Erfahrung, und es wird in den seltensten Fällen von Laien angegangen. Von Neubundierungen ganz zu schweigen, dies ist die Königsdiziplin und wird auch häufig sogar von Profis nicht zufriedenstellend ausgeführt.
Selbermachen
„Na kann man denn als Laie gar nichts an so einer Gitarre machen, was wirklich zu einer Veränderung oder Bereicherung führt?“ Aber sicher, der Korpusbereich bietet sich für allerlei Tätigkeiten an, er ist nicht so sensibel wie ein Hals, wo man so leicht einiges verbasteln kann. Eine der beliebtesten „Frickeleien“ unter Bassisten und Gitarristen ist der Pickup-Wechsel. Hier kann fast jeder ohne große Vorkenntnisse – ein bisschen löten können sollte man schon – hörbare Sound-Unterschiede hervorzaubern. Dazu fällt mir ein Kunde ein, der zu mir kam, weil aus seinen selbst gewechselten Pickups nichts rauskam. Der Grund: Er dachte man müsste pro Pickup nur einen einzigen Pol anlöten. Da hatte man in der Grundschule ja schon mehr Elektrokenntnisse, aber so verschieden kompetent sind die Menschen & Musiker eben.
Der Pickup-Wechsel steht jedenfalls in der Do-It-Yourself-Liste mit Sicherheit auf Platz 1, zumal er auch noch eine bedeutende Verbesserung des Instruments bescheren kann. Der Austausch von Potis verlangt ebenfalls eine gewisse Sorgfalt, Lötkenntnisse sind dringend erforderlich, diese hat man sich aber schnell draufgezogen. Immer daran denken: Mit einem heißen Lötkolben kann man durchaus einen Pickup oder einen Ton-Poti-Widerstand ruinieren!
Weiter geht es zur Brücke (auch Bridge oder Steg genannt) und ihren vielen Schrauben, die zur Justage der Saitenlage und der Intonation dienen. Hier kann man nicht viel kaputt machen, solange man nicht an festsitzenden Schrauben rummurkst. Im schlimmsten Fall verstellt man die Oktavreinheit der Saiten, und es klingt in hohen Lagen verstimmt – dann ist es erst mal vorbei mit der Spielfreude.
Mich wundert es immer wieder, dass nur sehr wenige Kunden ihre Instrumente in puncto Bridge optimal einstellen können; denn das ist eigentlich keine Zauberei. Aber wo kämen wir denn hin, wenn jeder selber schrauben würde? Wir Zupfinstrumentenmacher wollen ja auch noch was zu tun haben 🙂
Lack
Auch eine Body-Lackierung wird von ganz mutigen schon mal in die Hand genommen. Ist der Lack nach Jahren nicht mehr ansehnlich oder die Farbe gefällt nicht mehr, kann man sich für ein Refinish entscheiden. Eine professionell ausgeführte Hochglanzlackierung vom Profi kostet allerdings viele hundert Euro. „Na dann mal, Ärmel hochgekrempelt, Spraydose raus und los. Das bekommt man ja wohl noch selbst hin!“
Dies kann ich so nicht bestätigen, zumal ich in meiner gesamten Gitarrenbauzeit noch keine einzige wirklich hochwertige Lackierung eines Laien gesehen habe. Die Ergebnisse können sich zwar oft auf den ersten Blick sehr gut sehen lassen, bieten aber aufgrund von semiprofessionellen Methoden (Baumarkt-Sprühdose statt Spritzpistole) meist nur eine Hobbyqualität. Die wirkt sich leider sehr negativ auf den (Wiederverkaufs-)Wert eines Instruments aus – daran sollte man denken, wenn man sich unsicher ist, ob man das gute Stück überhaupt behalten möchte.
Aber wichtig ist, dass es den Anforderungen des Besitzers entspricht und es ihm gefällt. Oft ist das Wissen, das Ganze mit viel Zeit und Arbeit selbst gemacht zu haben und dabei auch noch Geld gespart zu haben, viel befriedigender als eine professionelle Ultra-Highgloss-Oberfläche. Und das ist genau der Aspekt, warum so viele Musiker selber Hand an ihr Instrument legen: Man fühlt sich verbundener damit, es wurde personalisiert, man hat etwas geschaffen, mit dem man dann auch noch weiter kreativ sein kann.
Es muss ja nicht immer gleich eine neue Lackierung sein, oft ist weniger mehr: Ein gutes Beispiel dafür ist natürlich die Stratocaster, der man durch einen Schlagbrettwechsel oder den Tausch der Pickup-Kappen und der Potiknöpfe ein völlig neues Outfit verpassen kann. Da gibt es zwar manchmal die wüstesten Kombinationen, aber Geschmäcker sind eben unterschiedlich.
Beim Thema Do-It-Yourself halten sich Pro und Kontra in etwa die Waage. Wenn man weiß, wo seine Grenzen sind, die natürlich im Zuge der Aufgaben wachsen werden, hat manch ein Musikant etliche Möglichkeiten sein Instrument aufzuwerten und seinen Bedürfnissen anzupassen. Und wer weiß, vielleicht wird ja sogar irgendwann aus dem ein oder anderen ein guter Gitarrenbauer.
(Text: Jochen Imhoff)