Setzer macht, was er will – und das möglichst innovativ. Dazu gehört auch die Anwendung von Fingerpicking-Patterns auf Jazz-Akkorde, was vor ihm scheinbar noch niemand öffentlich gewagt hat. „Keine Ahnung, warum ich der erste bin. Ich tue es einfach, und es klingt wie eine Art Country-Jazz. Eben sehr originell.“
Genau wie die Idee, sich überhaupt mit einer E-Gitarre vor eine Big-Band zu stellen. Dieser Ansatz geht zurück auf einen Auftritt von Setzers legendärer Band Stray Cats in der berühmten Johnny Carson Show, irgendwann in den 80ern, als die drei Rockabilly-Boys mit der kompletten Late-Night-Show-Band auftraten.
Setzer spielte seit seinem achten Lebensjahr Euphonium, ein der Tuba verwandtes Blasinstrument mit beeindruckenden Ausmaßen, und erfüllte sich als Fan großer Bands wie dem Mel Lewis Orchestra den lange gehegten Traum, Leader seiner eigenen Big-Band zu sein. Und dies mit stets wachsendem Erfolg, der ihm Millionenauflagen und drei Grammies bescherte. In dem Video performt Brian Setzer mit seinem Orchester in Woodstock 1999 Rock This Town:
https://www.youtube.com/watch?v=LgKh8x-kpFI
Setzer hat lange darüber gebrütet, Arrangements komponiert und in den Annalen der Jazz-Geschichte geforscht. Der Einzige, der vor ihm etwas Ähnliches probierte, war Charlie Christian, einst Gitarrist der Benny Goodman Band – und zwar gegen Ende der Big-Band-Ära.
„Damals haben sie einfach nur drei Akkorde gespielt – mehr brauchten sie gar nicht. Das war ein tolles Rhythmus-Fundament mit ganz einfachen Bebop-Soli. Gitarren-Verstärker wurden ja gerade erst entwickelt – als sie dann auf den Markt kamen, waren die Big-Bands längst verschwunden. So wurde die Gitarre ein reines Rock-’n’-Roll-Instrument.“
Zudem bemüht sich Setzer, seine Bühnenshow laufend zu verändern. Etwa mit zwei adretten Background-Sängerinnen oder einem kleinen Rockabilly-Intermezzo: Mitten im Set schickt er das Orchester in die Kabine und interpretiert zu Standbass und Standschlagzeug alte Rockabilly-Nummern.
Ein musikalischer Hochgenuss, der den Stray Cats in nichts nachsteht – und eigentlich auch genau da anknüpft. „Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Band immer noch toll finde. Aber es gibt halt kein Zurück. Wir haben uns so lange gehalten, wie es irgendwie ging. Jetzt krame ich das nur noch ab und an zum Spaß hervor.“
Eine gute Show lieferte Brian Setzer in der Vergangenheit auch gemeinsam mit Jeff Beck ab:
https://www.youtube.com/watch?v=r06U5SVEPnM
Setzer bleibt eben immer Setzer: Ein Rockabilly-Freak mit blondiertem Pompadour, coolen Klamotten und protzigen Hot Rods. Und wenn es mit dem Orchester irgendwann nicht mehr klappt, dann hat er schon die nächste Geschäftsidee: „Ich starte eine Akkordeon-Band, und wir spielen alte Standards, die ich durch einen Verzerrer jage. Scheißegal, es kommt doch eh alles aus dem Blues. Alles, was ich mache, hat dieselben Wurzeln – und genau deshalb passt es auch so gut zusammen.“
Retro Event! Das Rockabilly Trio (Brian Setzer & Lee Rocker & Slim Jim Phantom 1981 in Köln beim Rockpalast:
Bei Setzer geht es um Fender Amps & Gretsch Guitars! Brian bevorzugt wertvolle und rare blonde 1962er Fender-Bassman-Tops mit Boxen, die mit zwei Zwölfzöllern bestückt sind. Das ist traditioneller Röhren-Sound pur! Was die Gitarre seiner Wahl angeht, ließ sich Brian Setzer ein Signature-Model bauen, das auf seiner 1959er 6120 Chet Atkins Hollowbody basiert. Diese Gretsch-Gitarre hat, wie der Name schon sagt, einen hohlen Klangkörper, zwei Humbucker und das so wichtige Bigsby-Vibrato-System.
Obwohl: Irgendwann will er dann doch rückfällig werden – mit einem Rockabilly-Solo-Album. Das ist aber vorerst nur eine fixe Idee. Brian ist ein viel beschäftigter und viel gefragter Mann: Als Werbeträger für Scotch genau so, wie als Design-Berater für einen neuen Chrysler-Pickup-Truck oder als Komponist von Soundtracks. Was die betrifft, war bereits an einigen Blockbustern beteiligt.
Etwa dem Disney-Streifen ,Stuart Little‘ oder der Komödie ,Three To Tango‘. Nette kleine Auftragsarbeiten, die viel Renommee und noch mehr Kohle bringen – obwohl Setzer von der Filmindustrie nicht wirklich begeistert ist. „Klar, ist es nett, dass sie mich engagieren. Trotzdem haben die Typen einen an der Waffel. Schon allein deshalb, weil sie keine Ahnung von Musik haben. Die rufen dich an und meinen: ,Hey Brian, könntest du das mehr lila klingen lassen?‘ Beim ersten Mal habe ich ja noch gelacht, aber irgendwann wird es peinlich. Das sind wirklich Idioten.“
Brian war bei folgenden Soundtracks beteiligt:
Setzer weiß, wovon er spricht: Anfang der 80er hat er sich selbst mal als Schauspieler versucht: Er mimte Eddie Cochrane in dem Kultstreifen „La Bamba“ – seine erste und letzte Rolle. „Was soll danach noch kommen? Ich habe mein großes Idol verkörpert – besser kann es gar nicht werden. Also überlasse ich den Rest lieber Johnny Depp oder einen von diesen hirnlosen Hollywood-Marionetten.“
Mit acht habe ich meine erste Gitarre bekommen. Es war eine Gretsch 6120 – dieselbe, die auch Eddie Cochrane benutzt hat. Hat mich damals 100 Dollar gekostet – ein echtes Schnäppchen. Ich habe sie immer noch. (grinst) Vorher habe ich übrigens Bariton-Horn gespielt. (lacht) Ja, wirklich – ich war das dünnste Kind in der ganzen Klasse, und ausgerechnet mir drückten sie diese Mini-Tuba in die Hand. Aber ich habe sie wirklich schnell begriffen.
Mein Bruder und ich spielten in mehreren Marsch-Kapellen – und das war toll. Wir hatten eine richtige Uniform mit weißem Hut und goldenen Knöpfen und traten bei Paraden und auf Schulveranstaltungen auf. Außerdem habe ich gelernt, den Bass-Schlüssel zu lesen und Bläser-Partituren zu schreiben. Zum Glück! Deswegen war ich ja auch in der Lage, die Arrangements für die Big-Band auszuarbeiten.
Ganz am Anfang habe ich mir noch mit den Gitarren-Büchern von Mel Bay geholfen. Ich lernte, wie man Musik liest und schreibt und habe eigentlich alles nachgespielt, was im Radio lief – vor allem die Allman Brothers und Credence Clearwater Revival. Eddie Cochrane kam erst etwas später hinzu – eben, als ich anfing, mich intensiv mit der Rockgeschichte zu befassen.
Ich habe definitiv meinen eigenen Sound – und der ist schon sehr speziell. Er basiert auf dem Rockabilly der 50er und impliziert die vielen unterschiedlichen Strömungen, die von dort ausgingen: BeBop, ein wenig Jazz und natürlich jede Menge Swing. Aber die Wurzeln liegen eben bei James Burton, Buddy Holly und Scotty Moore. Er ist der Meister! Er war es, der Elvis den Rock & Roll beibrachte.
Sie sind einfach anders – was nicht heißt, dass sie unbedingt besser sind. Ich habe mich jahrelang mit der Geschäftsleitung von Gretsch rumgestritten und ihnen immer neue Verbesserungsvorschläge gemacht. Etwa, dass sie das Top doch mal etwas dünner gestalten sollen – aber das haben sie immer ignoriert. Dabei war das so fürchterlich dick, dass es keine richtige Resonanz gab. Wie willst du da einen vernünftigen Ton erzeugen?
Es hat ewig gedauert, bis sie das eingesehen haben – und dann haben sie auch gleich noch auf die Original-Pickups aus den 50ern zurückgegriffen. Wir haben die Gitarren auch mit besseren Stimm-Mechaniken versehen. Außerdem habe ich noch ein paar Bünde hinzugefügt – und eine Tune-O-matic-Bridge.
Im Grunde ist sie also wie eine alte Gretsch – nur, abgesehen vom Pickup-Schalter, ohne die Reglerknöpfe – die habe ich weggelassen, weil sie eh keiner braucht. Deinen Ton kannst du viel besser über den Verstärker regulieren. Falls ich sie wirklich benötigen sollte, baue ich sie eben wieder ein.
Nur: Je weniger Kabel im Korpus einer solchen Gitarre sind, desto sauberer ist der Klang. Eben lauter und breiter. Der Ton muss nicht erst jede Menge Draht passieren, ehe er am anderen Ende rauskommt. Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist nun mein „Brian Setzer Hot Rod Model“. Die Metallic-Lackierung orientiert sich an der von Sportwagen aus den 50er und 60er Jahren.
Text: Marcel Anders
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