Zu Beginn der 90er-Jahre hatte die „little ol’ band from texas“ alles erreicht, was man im Musik-Biz erreichen kann. Ab 1970 etablierten sich Billy F. Gibbons (voc/g), Dusty Hill (voc/b) und Frank Beard (dr) mit Alben wie ,Tres Hombres‘ oder Fandango!‘ als Kult-Band, die auf geniale Weise Blues und kernigen Rock verband. Spricht man von „Blues-Rock“, dann ist ZZ Top definitiv eine Referenz, höre Evergreens wie ,Tush‘ , ,A Fool For Your Stockings‘ oder ,Heard It On The X‘.
Anzeige
Spätestens mit dem Longplayer ,Degüello‘ (s. G&B 08/2009) hatten die drei ihren Ruf als außergewöhnliche Band gefestigt, die der Konkurrenz stets ein bis zwei Bartlängen voraus war. Vollgas gaben ZZ Top dann in den 80ern: Dank Hits wie ,Gimme All Your Lovin‘, ,Sharp Dressed Man‘ und ,Sleeping Bag‘ mutierte das Trio zum Mega-Stadion-Act. Der Band-Sound hatte sich gewandelt: Besonders auf den Erfolgs-Alben ,Eliminator‘ und ,Afterburner‘ wurde der erdige Rock durch Synthesizer und Samples mächtig aufpoliert.
Und nun? 1994 lieferte man mit ,Antenna‘ ein starkes Album ab, dass bereits die Rückkehr zu schlankeren Songs andeutete, weg vom opulenten Hochglanz-Sound der 80er. Doch erst mit ,Rhythmeen‘ sollte das Trio endgültig zu seinen blauen Wurzeln zurückfinden. Gleich die ersten funky Licks des schwer groovenden Titel-Tracks klingen sehr nach den alten ZZ Top. Vom Start weg hat Billy Gibbons einen unglaublichen Gitarren-Sound, satt und fett, die Distortion wirkt fast schon überkomprimiert, der Ton scheint stets wegzubrechen.
,Black Fly‘ beginnt mit einem scharfen Gitarren-Solo, das Erinnerungen an den ,Blue Jean Blues‘ weckt. Dann steigt Frank Beard wieder mit so einem fiesen Slo-Mo-Beat ein und die Nummer rollt nach vorne wie eine Dampfwalze!
Absolut typisch ZZ Top dann das wesentlich eingängigere ,What’s Up With That‘, sehr schön kommen die bluesigen Harp-Einlagen von Hard Harpin’ James, womit eigentlich nur James Harman gemeint sein kann, der in Live-Mitschnitten auch zu sehen ist.
Zehn Gänge zurückgeschaltet wird im ,Vincent Price Blues‘ , ein ultralangsamer Shuffle der auf einem klassischen Blues-Riff beruht, das mit überraschenden Wendungen umspielt wird, die zu einem eingängigen Refrain hinleiten. Tja, und was Billy F. Gibbons hier vom Stapel lässt, wirkt schon sehr frei, eine einzige Orgie aus Staccato-Noten, Pinch-Harmonics und Over-The-Top-Bendings, die schließlich in einem Blues-Turnaround enden, der offensichtlich dem 70er-Hit ,La Grange‘ entlehnt ist. Was für eine Nummer!
,She’s Just Killing Me‘ ist noch so ein Riff-Brecher, diesmal im geraden Uptempo-Bereich – sie tauchte übrigens in Quentin Tarantinos Kultfilm ,From Dusk Till Dawn‘ auf. Auch ,My Mind Is Gone‘ und ,Loaded‘ bieten solide erdige Unterhaltung, bevor das Trio in ,Prettyhead‘ wieder den Blues-Hammer rausholt. Experimenteller wird’s am Schluss mit ,Humbucking, Part 2‘, in dem Billy einige bös-tiefe Riffs und Licks raushaut.
Zu den im Studio verwendeten Instrumenten gehörten u. a. eine 1955er Gibson Les Paul Goldtop, eine Fender Esquire, eine Peavey Delta Muddywood und einige Gretsch-Gitarren. Verstärkt wurde mit einem 66er Marshall-Plexi-Head mit 2×10“-Marshall-Box sowie einem 1953er Alamo-Röhrenverstärker mit 10er-Speaker.
Auf der Effektseite kamen u. a. ein Bixonic-Expandora-Verzerrer, ein DigiTech-Whammy-Pedal und ein altes Echoplex zum Einsatz. Auch Kollege Dusty Hill ist bekannt dafür verschiedene Instrumente zu spielen, meist sieht man ihn mit Fender-Telecaster-Bässen. Auf ,Rhythmeen‘ soll er u. a. über einen weiteren 66er Marshall-Plexi-Amp gespielt haben.
Bluesig, rau und hart – mit diesen drei Wörtern kann man ,Rhythmeen‘ umschreiben. Puristen dürfte der neue alte Kurs gefallen haben. Die Texaner hatten sich an die großen Alben der 70er wieder angenähert, und dennoch klangen die Songs irgendwie modern. Der Zeitgeist der 90er-Jahre mit seinen runtergestimmten Gitarren war nicht spurlos an Mr. Gibbons vorbeigegangen. Allerdings ging‘s laut dessen Aussage noch tiefer runter, von der Standard-E-Stimmung runter nach D, C#, B (= dt. H) und sogar A.
Zurück in die Zukunft. Auch das Album ,La Futura‘ nimmt deutlich Bezug zur eigenen Vergangenheit. Mit ähnlich „kaputten“ Gitarren-Sounds liefern Songs wie ,I Gotsta Get Paid‘ oder ,I Don’t Wanna Lose, Lose, You‘ somit einen Anlass auch den Blooze-Rock von ,Rhythmeen‘ neu zu entdecken.