„Ich kann mit Stolz verkünden, dass ich gerade mal drei Gitarren besitze …“

Zwischen Orient und Okzident: Jonny Greenwood im Interview

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(Bild: Raph_PH, CC BY 2.0)

Wie viele Gitarren besitzt du bzw. wie groß ist deine Sammlung?

Ich habe keine – weil ich das für einen Ausdruck von Snobismus halte. Ich kann mit Stolz verkünden, dass ich gerade mal drei Gitarren besitze; mehr nicht. Und das ist eigentlich schon eine zu viel. Wenn ich die Wahl zwischen einer weiteren Gitarre und einem Instrument mit einem ganz anderen, neuen Sound hätte, würde ich mich für letzteres entscheiden. Ich würde mir zum Beispiel eher ein Cello als eine weitere Gitarre zulegen. Einfach, weil ich noch keins habe und mich gerne damit befassen würde.

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Haben konventionelle Gitarren und ein konventionelles Spiel die Faszination für dich verloren?

Nein, ich denke, man kann mit dem Instrument sehr wohl interessante Sachen anstellen und spannende Sounds kreieren, aber ich will mich nicht allein darauf festlegen. Ich will mich nicht beschränken. Und ich habe auch nie verstanden, wie Leute werweiß-wie aufgeregt über den Sound einer Gitarre sein können. Nach dem Motto: „Was hat dieses Teil für einen unglaublichen Ton.“ Das hat für mich etwas davon, als ob sie von Schriftarten in Büchern sprechen. Und ich verstehe zwar, dass Schriftarten wunderschön sein können und etwas sehr Kreatives haben, aber letztlich ist der zentrale Aspekt die Drucktechnik, die für ein Buch verwendet wurde. Von daher kann ich das ganze Theater nicht verstehen – diese Fetischisierung von Gitarren. Ich finde das ziemlich überflüssig.

Du verwendest auch so gut wie keine Effektgeräte mehr – manipulierst bzw. verfremdest du dein Spiel dann in der Nachbearbeitung?

Nein, bei uns gibt es keine Post-Produktion mehr. Momentan habe ich nur ein Delay-Pedal − und das wars. Mehr brauche ich nicht. Und was ich nicht benötige, verwende ich auch nicht.

Was ist mit Verstärkern? Warum spielst du vorzugsweise durch einen Vox AC30?

Aus demselben Grund wie bei der Telecaster: Reine Gewohnheit. Nur: Ich bin nicht darauf fixiert oder eingeschworen. Deshalb verwende ich oft einfach das, was ich in einem Studio vorfinde. Und damit komme ich immer klar. Einfach, weil es im Grunde keine großen Unterschiede gibt.

Anderes Thema: Wie steht es mit Radiohead? Warum hat die Band seit acht Jahren kein neues Album am Start?

Naja, ist es ist nicht so leicht, alles unter einen Hut zu bringen. Ed nimmt zum Beispiel gerade ein weiteres Solo-Album auf, Colin tourt mit Nick Cave und Thom und ich sind in den nächsten Monaten mit The Smile unterwegs, schließlich haben wir ein neues Album veröffentlicht. Was bedeutet, dass wir schwer beschäftigt sind und tun, was mir mögen. Nur eben nicht zusammen.

Hat es damit zu tun, dass man nach fast 40 Jahren auch mal eine Pause voneinander braucht? Oder seid ihr als Band an eure Grenzen gestoßen und sucht extern nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und Herausforderungen?

Ich denke, das wollten wir schon immer – nämlich unsere Freiheit genießen und tun, wozu wir gerade Lust haben. Oder – wie im Falle von Ed – einfach mal etwas Anderes machen und sich kreativ austoben bzw. selbst verwirklichen. Dazu ist auch immer Luft, weil wir als Band nicht ewig im Voraus planen bzw. keinen Masterplan verfolgen. Sondern: Wenn etwas passiert, dann passiert es halt. Und zwar sehr schnell. Aber wir hatten immer etwas gegen diese Vorgehensweise, bei der dein Leben über Jahre hinweg verplant und durchorganisiert ist. Das haben wir immer als extrem einschränkend empfunden. Von daher wehren wir uns dagegen – es ist nicht unser Ding. Die Ironie ist aber, dass wir uns mittlerweile schon so lange darin wiederholen, die Dinge anders anzugehen, dass es Zeit für einen Richtungswechsel wäre. Vielleicht sollten wir uns zur Abwechslung mal wieder etwas angepasster geben. (lacht)

Sprich: Was würde Radiohead wieder an einen Tisch bringen und welche Art von Album würde euch als Band reizen?

Ich weiß es nicht. Und ganz ehrlich: Wir denken auch nicht groß darüber nach. Ich würde sagen, dass wir momentan einfach viel zu sehr mit unserer eigenen Musik beschäftigt sind und da auch kein Platz für etwas Anderes ist. Im Sinne von: Jeder ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auch nur einen Gedanken an Radiohead zu verschwenden. Mich eingeschlossen – ich kümmere mich um The Smile und bin damit vollends ausgelastet. Was wohl noch einige Zeit so bleiben dürfte.


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2024)

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