Zum Tod des legendären Gitarrenbauers Rick Turner: Ein Altersvorbild
von Teja Gerken,
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Wenn sich Gitarristen über legendäre Gitarrenbauer und Designer unterhalten, dann werden meistens die typischen Namen angesprochen: Leo Fender, Les Paul, Orville Gibson, C.F. Martin, Bob Taylor. Dabei gibt es auch andere Kandidaten, auf die der Begriff Legende ohne Zweifel zutrifft. Rick Turner gehört auf jeden Fall dazu, und nicht nur weil er auf 60 Jahre Erfahrung mit Gitarren und Bässen verweisen konnte! Am Ostersonntag ist der Gitarrenbau-Pionier überraschend von uns gegangen …
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Rick Turners Lebenslauf beinhaltet viele wichtige Stationen: Er arbeitete mit den Grateful Dead an deren „Wall of sound“-PA-Anlage, war Mitbegründer von Alembic, Highlander und D-Tar, baute Instrumente für Lindsey Buckingham und modifizierte/reparierte Gitarren und Bässe für fast alle berühmten West-Coast-Musiker, hielt Patente für Graphithälse, arbeitete für Gibson, schrieb für Guitar Player und Acoustic Guitar und leitete seit mehr als drei Jahrzehnten seine eigenen Firmen: Rick Turner Guitars, Renaissance Guitars und Compass Rose Ukuleles.
Rick Turner 1943 – 2022
Als ich früh am Ostermontag eine Message auf meinem Handy bekam dachte ich nicht viel dabei, aber dann kam der Schock: „Rick Turner ist gestorben!“ Es konnte nicht wahr sein, denn ich hatte Rick die Woche davor noch in seinem Shop in Santa Cruz besucht, und da sah ich keinerlei Zeichen, dass es das letzte Mal sein würde! Ein schneller Blick auf Facebook bestätigte die traurige Wahrheit: Ein Post von Ricks ältestem Sohn Ethan Turner, dass sein Vater am Ostermorgen unerwartet im Alter von 78 Jahren verstorben war. Zwei Tage später stehen über 800 Eintrage auf Ethans Post, von Freunden, Kollegen, Fans, alle liebevoll geschrieben, denn Rick hatte die Leben vieler Menschen bereichert.
In den Jahren seit ich Rick für Gitarre & Bass interviewte baute er weiterhin seine bekannten Instrumente, aber er vollendete auch den Kreis den er in den 60er Jahren mit der Grateful Dead-Community anfing. Zum Beispiel restaurierte er Jerry Garcias ursprünglich von ihm in den frühen 70er Jahren modifizierte „Alligator“-Stratocaster, welche heute von ihrem jetzigen Besitzer an verschiedene Bands geliehen wird, wodurch Rick wieder zu einem Star in der Szene wurde.
Am Tag nach meinem spontanen Besuch am 5. April fuhr Rick zum Skull & Roses Festival in Ventura, Kalifornien, wo er einen kleinen Stand hatte und sich um diverse Instrumente kümmerte. „Rick hatte eine wunderbare Zeit auf dem Festival“, erzählte mir der Gitarrist, Grateful-Dead-Experte und Autor David Gans. „So viele Leute kamen auf ihn zu und sagten ihm wie viel ihm seine Instrumente und Projekte bedeuteten, und Rick wahr einfach happy!“ Leider begann Rick sich gegen Ende des Festivals krank zu fühlen, er ließ sich in ein Krankenhaus bringen und erlag kurze Zeit später einem Schlaganfall und Herzversagen.
Während meines letzten Besuches in Ricks Shop zeigte er mir eine neue Akustik-Gitarre die er baute, er erzählte mir davon, wie er Reproduktionen von alten Alembic-Pickups herstellen wollte („I’m the only guy who can do it“) und sein Shop war so viel beschäftigt wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Als ich zurück zu meinem Hotel in Santa Cruz fuhr dachte ich, „Mann, wenn ich fast 80 bin, hoffe ich, dass ich auch so enthusiastisch auf neue und spannende Dinge blicken kann wie Rick.“
Es ist zu früh zu sagen was mit Rick Turner Guitars passieren wird, aber zum Zeitpunkt dieses Schreibens gibt es Hoffnung, dass Ricks Tochter Juniper in Kooperation mit seinen Mitarbeitern den Shop in bis jetzt unbekannter Kapazität weiterführen kann.
Teja Gerken
Vor einigen Jahren traf Teja für Gitarre&Bass den Altmeister Rick Turner in seiner Werkstatt (erschienen in Ausgabe 07/2013). Wir blicken zurück auf diesen aufschlussreichen Besuch und eine einzigartige Karriere:
Zu Besuch bei Rick Turner: Das Multitalent
Ich besuchte Turner in seinem Shop in Santa Cruz, Kalifornien, wo er seit 1998 tätig ist und mit drei Angestellten überwiegend von Hand seine Instrumente baut. Seine Werkstatt ist in einer alten Lagerhalle zwischen dem Highway 1 und dem Strand einquartiert, und es herrscht eine relaxte Atmosphäre.
Turner’s Arbeitswelt ist in vier Bereiche aufgeteilt: Große Maschinen, so wie seine CNC-Fräse, Band- und Kreissägen, verschiedene Schleifgeräte befinden sich in einem L-förmigen Raum mit Ladeeingang. Der eigentliche Bau der Instrumente geschieht in einem getrennten, vor Staub gesicherten und klimakontrolliertem Bereich. Pickup-Installationen und Endmontage werden in dem Raum mit den meisten Fenstern der Werkstatt unternommen. Und es gibt ein kleines Büro.
Außerdem hat Turner eine voll ausgerüstete Lackieranlage, wo außer ihm auch noch Finish-Spezialist Addam Stark die Gitarren für viele andere Gitarrenbauer lackiert. Wo immer man hinschaut, gibt es etwas Interessantes zu sehen; ob es drei abgebrochene Turner-Kopfplatten sind („Lindsey war mal wieder zu hart bei der Sache“), oder ein Regal voll mit Model-One-Gitarren verschiedener Jahrgänge, oder Turner’s Sammlung von alten Howe-Orme-Gitarren und Mandolinen, die im Büro an der Wand hängen.
FLOWER POWER
Turner wächst in der Nähe von Boston in Marblehead, Massachusetts auf. Obwohl er schon als Kind anfing mit Holz zu arbeiten und Gitarre zu spielen, beginnt seine Karriere in der Gitarrenwelt erst richtig, als er 1962 auf die Boston University geht. Die Beatnick-Coffeehouse-Szene ist in vollem Gange, er sieht Konzerte von Joan Baez und Reverend Gary Davis, spielt selber in Bands mit Musikern, die sich wenig später als The Youngbloods einen Namen machen.
Turner beginnt Gitarren zu reparieren und findet im Team von Jazz-Gitarrist Don Gabois – er hatte fürchterliche Angst sich bei der Arbeit die Hande zu verletzen – und Schreiner Stan Stansky, die sich zusammengetan hatten, um Instrumente zu bauen, seine ersten Mentoren. „Zusammen wussten die beiden genug, um einfache Reparaturen vorzunehmen,“ erinnert sich Turner. „Es gab damals kaum Bücher über das Thema, wir hatten nur zwei kleine Hefte über Gitarrenbau, die aus England kamen. Außerdem waren Materialien und Werkzeuge nur sehr schwer zu finden, wir mussten vieles selber bauen. Es war wirklich das finstere Mittelalter des Gitarrenbauens!“
Im folgenden Sommer startet Turner mit seinem Freund Lowel „Banana“ Levinger (heute betreibt Banana Player’s Vintage Instruments; www.vintageinstruments.com) eine Gitarrenwerkstatt auf der Ferieninsel Martha’s Vineyard und wenig später kommt eine Einladung, als Gitarrist mit dem Kanadischem Folk-Duo Ian & Sylvia auf Tour zu gehen (Turner ist auf Ian & Sylvia’s ,Live at Newport‘-Album zu hören). Nach dieser Tour zieht Turner nach New York, wo er in der Psychedelic-Rock Band Autosalvage E-Gitarre spielt, aber auch bald anfängt E-Gitarren zu modifizieren und zu bauen.
So richtig los geht es dann, als Turner 1968 nach Kalifornien zieht. Im ländlichen Marin County findet er nicht nur Inspiration für seine ersten eigenen Gitarrendesigns, er trifft auch auf Grateful Dead, die ihn bald in ihre Family aufnehmen. Besonders in Bassist Phil Lesh findet er einen Musiker, der daran interessiert ist, sein Instrument konsequent weiterzuentwickeln, besonders was die Pickups betrifft.
Turners Projekte mit den Grateful Dead gehen bald weit über Modifikation von Instrumenten hinaus. Er wird zum Soundmixer der Band, tourt mit ihnen um die Welt, ist mit Ron Wickersham und Stanley „Bear“ Owsley an der Konstruktion ihres legendären „Wall of sound“ PA-Systems beteiligt, macht mit einem der ersten Ampex 16-Spur Recorder (der von Wickersham, einem ehemaligen Ampex-Designer entwickelt wurde) Aufnahmen von den Grateful Dead und anderen Bands. „Wir nahmen die Dead auf, aber auch Jefferson Airplane, B.B.King, Van Morrison, Pink Floyd, Santana, Small Faces.“
ALEMBIC STRATOBLASTER
Auch der legendäre Stratoblaster, ein aktiver Preamp, der in die Anschlussbuchse einer Strat integriert wurde, stammt aus Turners Werkstatt.
„Ron Wickersham hat ihn auf meinen Wunsch hin entwickelt, denn meine Kunden Jerry Garcia und David Crosby spielten beide Anfang der 70er-Jahre-Strats und wollten mehr Verstärkung. Ron hatte die Onboard-Preamps für die Guild Starfire Bässe hergestellt, und dann für die Pickups, die ich für die ersten Alembic Pickups benötigte. (z. B. Jack Casady Bass, Alembic #1). Wir stellten schnell fest, dass ein kleiner Preamp mit nur einem Transistor und etwas Gain aus einer Strat eine Power-Gitarre machen konnte. Ich baute sie dann in Gitarren von Lowell George (Hörbespiel Live Album ,Waiting for Columbus‘), Jerry Garcia, David Crosby, und Lindsey Buckingham (fast alle Soli auf ,Rumours‘).“
AKTIVE PICKUPS
Zusammen mit Ron Wickersham experimentiert Turner an neuen Ideen für Pickups, die sie für ihre Instrumente brauchten. „Man konnte damals nicht einfach Pickups kaufen. Es gab DeArmonds für Archtops, aber Fender oder Gibson verkauften keine Pickups, und es gab noch keine Firmen wie Seymour Duncan oder DiMarzio.“ Während seiner Zeit in New York hatte Turner beim Gitarrenbauer Dan Armstrong gesehen, wie dieser mit Bill Lawrence Pickups herstellte, und wusste daher ungefähr, wie er anzufangen hatte. „Ein Pickup besteht aus einer Magnetstruktur, ein paar Polepieces, und einer Spule, es ist eigentlich ganz simpel.“
Phil Lesh und auch Jack Casady (Jefferson Airplane) waren daran interessiert, den Frequenzgang ihrer Pickups zu erweitern, da sie anfingen, im Studio direkt und ohne Amp aufzunehmen. Wickersham hatte eine Methode entwickelt, den Frequenzgang von Pickups zu messen, und er erforschte so viele Pickups wie möglich. „Der Frequenzgang meiner Pickups passte buchstäblich nicht auf seine Skala, und so fingen wir an zu experimentieren, um zu verstehen, warum sie so einen Charakter hatten. Wir gingen sehr ausführlich vor, um Sachen zu verstehen, die heute jeder weiß.“
Turners Pickups hatten Spulen mit weniger Wicklungen als die meisten Pickups der Zeit, was ein zufälliger Nebeneffekt seiner notdürftigen Methode der Wickelns von Hand war. „Nach etwa 1000 Wicklungen wurde mein Arm müde, also hörte ich auf!“ Es dauerte nicht lange bis Wickersham und Turner feststellten, dass mehr Wicklungen zwar zu einer höheren Ausgangsspannung führen, aber auch zu einem schmaleren Frequenzgang beitragen. Durch seine Erfahrung mit Mischpulten und anderem Studio-Equipment kannte sich Wickersham mit Preamp-Schaltkreisen aus und meinte, dass die Stärke des Ausgangssignals nicht vom Pickup selber kommen muss.
„Wir stellten fest, dass die magische Zahl für den Frequenzgang eines Pickups so um die 21 bis 22 kHz liegt. Der Charakter des Pickups kommt von der Frequenz der Spule, also konzentrierten wir uns darauf. Man braucht dafür keinen Niederimpedanz-Pickup; Mittelimpedanz reicht aus. Wir versuchten, so weit wie möglich über 20 kHz hinaus zu kommen, ohne die Linearität des Frequenzgangs zu beeinflussen, und haben dann den Rest mit unseren diskreten Transistor-Preamps ausgeglichen, was uns totale Kontrolle über den Ausgang erlaubte.“
ALEMBIC-JAHRE
Wickershams Zusammenarbeit mit den Grateful Dead und der San-Francisco-Musikszene führte bald zu einem kleinen Imperium mit einem Studio, Live-PA, Sound- und Aufnahme-Service sowie einer Gitarrenwerkstatt, was zusammen unter dem Namen Alembic geführt wurde. 1970 war es dann soweit, Instrumente nicht nur zu modifizieren, sondern auch zu bauen. Turner und Bob Matthews gründeten Alembic als Hersteller von Gitarren und Bässen.
Alembic-Instrumente waren (und sind!) nicht nur wegen ihrer Pickups und Preamps ungewöhnlich. Sie hatten auch eigene Korpusformen, und sie waren die ersten Gitarren und Bässe mit Neck-through-Design, eine Konstruktion, bei der der Hals durchgehend in den Korpus integriert ist, wodurch eine enorme Steifheit erreicht wird. Alembic verwendete auch exotische Hölzer wie Purplehart und Zebrawood; Abalone- oder Perlmutt-Einlagen gehörten zum Standard.
„99 Prozent der Designs vor 1978 kamen von mir, und ich entwarf auch die ganze Hardware; Stege, Tailpieces, Pickups usw. Außerdem baute ich die ganzen Arbeitsvorgänge der Produktion auf.“ Während Turners Zeit bei Alembic konnte die Firma Endorser wie Stanley Clarke und John McVie (Fleetwood Mac) gewinnen. Aber schon 1978 trennen sich die Wege der Inhaber wegen Meinungsverschiedenheiten über die Richtung der Firma. Turner verlässt Alembic und gründet Turner Guitars in San Rafael, im Norden von San Francisco.
(Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars)
MODEL ONE
Bereits während seiner Zeit bei Alembic fing Turner an, Pläne für einen komplett neuen E-Gitarren Entwurf zu schmieden. „Ich traf Fleetwood Mac 1976, als sie gerade ihr Rumours-Album aufnahmen. Ich hatte Lindsey eine Gitarre gebaut, und John McVie kaufte einen Bass nach dem anderen. Lindsey und ich diskutierten, was uns an verschiedenen Gitarren gefiel und waren uns einig, dass man wirklich etwas tolles hätte, wenn man die Wärme einer Les Paul mit der Klarheit einer Strat verbinden könnte.“
Turner übernahm das steife, laminierte Halsdesign aus seinen Alembic Tagen, aber anstelle eines Neck-through-body-Designs leimte er ihn mit einer verzapften Verbindung an den Korpus. Und der Korpus ist wahrscheinlich das ungewöhnlichste Element des Model One: Einer akustischen „Parlor“ Gitarre nicht unähnlich, ist dieser relativ klein, und symmetrisch bis auf den sanften Cutaway.
Aus zwei Mahagoniteilen zusammengesetzt, hat der Korpus eine gewölbte Decke und Rücken, was Turner für wichtig hält. „Ich war sehr an Sound-Design in der Architektur interessiert, wo man immer versucht parallele Flächen zu vermeiden, damit keine stehenden Schallwellen entstehen können. Genauso ist es bei einem gewölbten, soliden Gitarrenkorpus.“
Auch von der elektrischen Seite her ist das Model One anders als die meisten E-Gitarren. Ein einziger Humbucking Pickup – natürlich aus Turners eigener Herstellung – sitzt dort, wo bei einer Akustik-Gitarre das Schallloch wäre, und es befindet sich sogar eine Art Rosette drumherum, sodass die Gitarre fast wie eine Akustik-Elektrik mit Soundhole-Pickup aussieht. Der Clou dabei ist, dass sich der Pickup drehen lässt, so dass der Spieler wählen kann, ob sich die Bass- oder Treble-Seite näher am Hals oder Steg befindet. Natürlich gibt es einen Onboard-Preamp mit Semi-Parametric-EQ, Coil-Split-Schalter, um den Humbucker in einen Singlecoil zu verwandeln, und als spezielle Option einen Piezo-Pickup im Steg, welcher zugeschaltet werden kann. Turner vergleicht die verschiedenen Klangmöglichkeiten mit dem Teleobjektiv einer Kamera. „Es geht weniger darum den Sound wie bei einer Les Paul oder Strat zu verändern, dafür mehr darum den Fokus auf unterschiedliche Qualitäten der Gitarre zu legen. Zum Beispiel mit mehr Midrange durch den magnetischem Pickup oder mehr ein breiteres Frequenzspektrum durch den akustischen Piezo-Pickup.“
Das Model One hat eine Gibson-ähnliche Mensur von 24,75″, und neben dem Standard Voll-Mahagoni-Body gibt es auch Optionen mit Decken aus Ahorn oder anderen attraktiven Hölzern, sowie eine Featherlight-Ausführung mit internen Resonanzkammern. Der berühmteste Spieler der Model One bleibt Lindsay Buckingham – neben seiner originalen Gitarre von 1979 besitzt er mittlerweile mindestens sechs weitere – aber auch Gitarristen wie John Mayer und Colin Hay haben das Model One schätzen gelernt.
RENAISSANCE
Anfang der 80er-Jahre ging es Turner Guitars wie vielen anderen Gitarrenfirmen: Durch die immense Popularität von Synthesizern aber wegen starker Konkurrenz von preiswerten importierten Gitarren ging es mit den Umsätzen bergab, und irgendwann war es dann so weit, dass Turner seinen Shop in eine reguläre Schreinerei umwandelte, wo er Möbel und Küchen baute, teilweise auch als Zimmermann arbeitete, um seine Familie zu ernähren. Während dieser Zeit schreibt er Artikel und Testberichte für das US-Magazin Guitar Player, er nimmt weiterhin den einen oder anderen Reparatur-Job an, und 1987 kommt ein Auftrag von Kahler USA, einen hexaphonischen Pickup zu entwickeln, der in ein Kahler-Vibrato-System integriert werden sollte und auch einen Gitarrensynthesizer ansteuern konnte. „Ich baute einige Prototypen, aber das System ging nie in Produktion. Aber für mich war es gut, da ich durch das Projekt wieder anfing, über Gitarrendesigns nachzudenken.“
Turner geht in der Hoffnung wieder Kontakte zu knüpfen auf die 1988er NAMM-Show, und kurze Zeit später beginnt er, mit einem Fünfjahres-Vertrag in der Tasche, als Designer für Gibson zu arbeiten; ein Job, der bald dadurch erweitert wird, dass Turner das Gibson-Artist-Relations-Office in Los Angeles leitet, wo er sich um Endorser kümmert. Nach ein paar Jahren überwiegt die Büroarbeit jedoch den kreativen Aspekt seines Jobs bei Gibson, und Turner entscheidet sich, beim legendären Westwood Music in Los Angeles die Reparaturabteilung zu übernehmen. Hier arbeitet er an Gitarren von Ry Cooder, Jackson Browne, David Crosby und vielen anderen aus der LA-Szene, und bald kommen die ersten Anfragen nach neuen Rick-Turner-Gitarren, zuerst aus Japan.
Turner erinnert sich, dass noch einige Model-One-Teile in einem Lager liegen, und er verwandelt sie auf seiner Werkbank bei Westwood Music in neue Gitarren. Nach einer Weile sind keine der alten Teile mehr übrig, und da er weiterhin Bestellungen bekommt, baut er einen neuen eigenen Shop in Topanga (nahe Los Angeles) auf. Zur gleichen Zeit trifft er auf Elektrodesigner Bob Wolstein, der an einem Preamp für Piezo-Pickups arbeitet. Zusammen gründen sie Highlander Musical Audio Products und bringen den mittlerweile legendären Highlander-Pickup auf den Markt. „Eine Zeit lang bauten wir Bob’s 18-Volt-Preamp zusammen mit L.R.Baggs LB6 Pickups in Gitarren ein, und es klang umwerfend. Aber wir wollten unseren eigenen Pickup entwickeln, und irgendwann fand ich ein Piezo-Kabel von NTK, dem Zündkerzen-Hersteller. Das Kabel wird auch für Messungen von Erdbeben und für Sonargeräte benutzt.“ Wie bei den meisten Piezo-Pickups üblich, wird das Kabel unter dem Steg der Gitarre eingebaut, und da es über seine ganze Länge sowie rundum Schwingungen aufnimmt, kann es ein sehr komplexes Signal der akustischen Eigenschaften des Instruments an den Preamp weiterleiten.
Mit dem Highlander-Pickup kommt auch die Idee, neben dem Model One eine vollkommen neue Gitarre zu bauen. „Ich hatte für Lindsey ein paar Gibson Chet-Atkins-Modelle mit neuen Pickups modifiziert. Er spielte diese Gitarren bei Fleetwood Mac und es klang wirklich super. Alle Leute haben natürlich nur Gibson gesehen, aber ich hörte Turner, und da wusste ich: Das ist falsch!“
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance-Modelle: Gebaut wie eine Akustik-Gitarre aber mit Center Block.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance-Modelle: Gebaut wie eine Akustik-Gitarre aber mit Center Block.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance-Modelle: Gebaut wie eine Akustik-Gitarre aber mit Center Block.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance-Modelle: Gebaut wie eine Akustik-Gitarre aber mit Center Block.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance-Modelle: Gebaut wie eine Akustik-Gitarre aber mit Center Block.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance-Modelle: Gebaut wie eine Akustik-Gitarre aber mit Center Block.
Das Ergebnis war das Renaissance-Modell; Turner schuf damit eine flexible Plattform, die er für Stahl- und Nylon-String-Gitarren, Baritones sowie auch Bässe benutzt. Renaissance-Gitarren und -Bässe sehen zwar auf den ersten Blick durch ihren dünnen Korpus und das Fehlen von Schalllöchern wie Solidbodies aus, sind aber in Wirklichkeit bis auf einen soliden, durchgehenden Mittelblock überwiegend hohl.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance Steel
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance Steel
Und obwohl Renaissance-Instrumente einen Fender-ähnlichen angeschraubten Hals besitzen, fällt trotzdem auf, dass sie sich weit an die Korpus-Konstruktion von traditionellen akustischen Gitarren anlehnen. Anstatt wie bei anderen Thin-Bodies den Korpus aus einem massiven Stück Holz auszufräsen, haben Renaissance-Instrument richtige gebogene Zargen; Decke und Boden sind beleistet, und obwohl Turner vor allem bei den Bässen viele exotische Hölzer anbietet, sind traditionelle Tonhölzer wie Zeder und Mahagoni der Standard.
Durch den soliden Mittelblock können die Instrumente ohne Feedback-Probleme sehr laut gespielt werden, und die Pickups (die mittlerweile nicht mehr von Highlander sondern von D-Tar kommen, jedoch ein ähnliches Piezo-Kabel-Element und 18-Volt Preamps besitzen) erlauben einen natürlichen Sound, der viel mehr an sehr gut elektrifizierte Akustik-Gitarren als an typische E-Gitarren erinnert.
BESSERE BÄSSE
Keine Frage, Rick Turner ist E-Bass Experte. Allerdings ist es vielleicht überraschend, dass seine Bässe mit den Instrumenten, die er in seiner Anfangszeit oder bei Alembic baute, oberflächlich nicht viel gemeinsam haben. In den letzten Jahren hat Turner am meisten Erfolg mit der Bass-Variante seines Renaissance-Designs, welches vor allem durch seine beeindruckenden akustischen Bass-Sounds – die Fretless-Version kommt einem Kontrabass-Sound nahe – besticht, wobei die Anwendung nicht nur auf leisere akustische Musik limitiert ist. Renaissance-Bässe gibt es als 4, 5, und 6-Saiter.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Model 1 Bass
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Model 1 Bass
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Renaissance Bass
Turner hat außerdem seinen Electroline Bass im Programm. Diesen hatte er ursprünglich für Gibson entworfen, aber Gibson hat das Design nie zur Serienreife gebracht. Beim Electroline handelt es sich um ein traditionelleres Solidbody-Design mit aufgeschraubtem Hals. Turner meint „ … dass der Electroline für Bassisten geeignet ist, die Fender-Bässe gewöhnt sind, aber auf der Suche nach mehr tonaler Flexibilität sind.“ Dementsprechend bieten Electrolines Piezo-Pickups im Steg, wobei jede Saite einzeln abgenommen wird. In der Standardausführung werden die Signale über einen internen Preamp zu einem normalen Mono-Signal zusammengemischt, aber auf Wunsch besteht auch die Möglichkeit, einzelne Ausgänge bzw. verschiedene Mix-Möglichkeiten in den Bass einzubauen. So ist z. B. eine Kombination mit magnetischen Pickups sehr populär. Last but not least gibt es auch eine Bass-Version von Turners Model One, wobei allerdings jährlich nur zwei- bis drei Instrumente dieses Typs gebaut werden, jedes ist ein Einzelstück.
COMPASS ROSE UKES & ACOUSTICS
1998 wechselte Turner seinen Standort in das College-Städtchen und Surfer-Paradies Santa Cruz, etwa eine Autostunde südlich von San Francisco. Dort ist nicht nur die Santa Cruz Guitar Company zu Hause, sondern auch eine überraschend große Community von individuellen Gitarrenbauern, zum Teil mit bekannten Namen wie Kenny Hill, Jeff Traugott, Ed Claxton, Tony Graziano und noch einige mehr. Auf so engem Raum wie in Santa Cruz gibt es vielleicht nirgendwo auf der Welt mehr Instrumentenhersteller!
In seiner neuen Werkstatt baut Turner nicht nur seine elektrischen Gitarren auf dem bis jetzt höchsten Niveau und in den größten Stückzahlen, er ist auch inspiriert akustische Instrument zu bauen. Auf den Ukulele-Boom der letzten Jahre reagierend bietet Turner eine Reihe von Ukulelen unter dem Namen Compass Rose an, und er hat auch eine Akustik-Gitarre mit ähnlichem Design im Angebot.
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Bild: Grant Groberg/Rick Turner Guitars
Compass Rose Ukulelen
Apropos Akustik-Gitarren: Zu den seltensten Rick Turner Instrumenten gehören seine individuell von Hand gebauten Steelstrings, von denen er bis jetzt nur etwa 16 gefertigt hat. Mit einer sehr ungewöhnlichen Halsverbindung – von einer Howe-Orme-Gitarre aus dem späten 19. Jahrhundert abgeguckt – die den Korpus nur an drei kleinen Stellen berührt und auf allen Achsen justiert werden kann, sowie mit Karbonfaser-verstärktem Hals und Verstrebungen bestückt, kombinieren diese Gitarren einige der ältesten und modernsten Ideen und Techniken des Gitarrenbaus.
INTO THE FUTURE
Auch nach 50 Jahren im Business ist Turner weit vom Ruhestand entfernt. Während meines Besuchs erzählt er von neuen Ideen für eine Erweiterung der Renaissance-Serie, dass er gerne mehr Akustik-Gitarren bauen möchte, und von den elektrischen Banjos, die er mit seinem jüngsten Sohn bauen wird. Vor ein paar Jahren entwickelte er eine Methode, mit Schülern in vier Tagen eine Mandoline zu bauen, und unterrichtet diesen Kurs einige Male pro Jahr.
Und auch musikalisch ist Turner aktiver denn je: Nach über 40 Jahren haben sich Autosalvage wieder zusammengefunden, ihre LP von 1969 ist als CD und auf iTunes wieder aufgelegt, die Band – mit neuem Bassist Sam Page und altem Freund Lowell „Banana“ Levinger – spielte im letzten Frühjahr beim South by Southwest Festival in Austin, Texas und an einem neuen Album wird gearbeitet. Außerdem spielt Turner Ukulele mit seiner Band Uke Ellington, und wie der Name vermuten lässt, geht es hier um Duke-Ellington-Songs auf der Ukulele. Dass Turner sein Job Spaß macht, ist ihm anzusehen, da kann man nur hoffen, dass noch viele Jahre lang Innovationen und tolle Instrumente aus der kleinen Werkstatt in Santa Cruz kommen werden!