Mit Pionierarbeit als Pickup-Wickler und Setup-Optimierer für die Allergrößten, aber auch als Musiker ist Seymour Duncan längst in die elektrifizierte Musikgeschichte eingegangen. Entsprechend hat die seinen Namen tragende Firma, die nach wie vor immer wieder Brutstätte tonangebender Lösungen ist, viel von einem Museum.
Ein Stückchen außerhalb der von der kalifornischen Sonne verwöhnten Küstenstadt Santa Barbara steht relativ unscheinbar im begrünten Business Park eine Fertigungshalle. Alle Pickups, die das Label „Seymour Duncan“ tragen, werden hier hergestellt. (Die mit dem „Duncan Designed“-Label, wie sie in zahlreichen günstigeren Gitarren verbaut sind, stammen aus Korea.)
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Vor Ort ist die Atmosphäre eines Familienbetriebs deutlich spürbar. Viele der etwa hundert Angestellten, die hier arbeiten und den Betrieb prägen, sprechen mit uns. Seymour selbst leider nicht. Der immerhin schon 67-Jährige erholt sich noch von der NAMM-Show, die kurz zuvor stattgefunden hat und wo er vier Tage in Folge am Messestand Pickups wickelte. Ganz wie zu der Zeit, als er Mitte der Siebzigerjahre nach Kalifornien kam, um einen Pickup-Repair-Service zu gründen.
Die Wahl fiel auf den amerikanischen Bundesstaat an der Westküste, da es dort diesen Mythos des Sich-selbst-neu-Erfindens gibt, und vielleicht auch, weil Gitarrenfirmen wie Fender oder Music Man dort sitzen. Vorher hatte Duncan von Mentoren wie Les Paul und Humbucker-Entwickler Seth Lover gelernt. Seine „Wanderjahre“ verbrachte er im Londoner Fender Soundhouse, wo er die Instrumente von Jimi Hendrix, Eric Clapton, Jimmy Page und Jeff Beck einstellte. In Kalifornien begann auch die Zeit, in der Duncan als Bassist und Gitarrist auf Alben befreundeter Künstler mitspielte. Und er traf Cathy Duncan – als Unterstützerin mit Vision und Aufbautalent ist sie seit der Unternehmungsgründung 1976 an seiner Seite.
Anfangs lebte und arbeitete man in bescheidenen Verhältnissen im Wohnwagen. Doch der Erfolg mit verbesserten Pickups und Custom-Lösungen wuchs stetig.
musikhistorie im custom shop
Für individuelle Spezialanfertigungen und gemeinsame Entwicklungen mit Musikern gibt es heute den Custom Shop, der von Seymours Sohn Derek geleitet wird. Er soll das feine Gehör seines Vaters geerbt haben. Dort fertigt Maricela Juarez (kurz: MJ) seit über 30 Jahren Tonabnehmer nach Kundenwunsch. Sie zieht einen abgegriffenen Schnellhefter mit umgeknickten Papierecken heraus, in dem handgeschriebene Briefe und Auftragsdaten von George Harrison, Allan Holdsworth, Jaco Pastorius, Billy Gibbons, Roy Buchanan, Peter Frampton, Mark Knopfler, Joe Walsh, Eric Johnson, Stevie Ray Vaughan, John Fogerty, David Gilmour, Steve Harris, Slash und vielen weiteren gesammelt sind.
Von exakten Vintage-Nachbildungen mitsamt Rost bis hin zu Custom Pickups für eine 13-saitige Strat ist einiges Extravagantes dabei. Mitunter geht es darum, die besonderen Originaleigenschaften von zufällig normabweichenden Tonabnehmern zu reproduzieren; beispielsweise wenn ein älterer PAF-Humbucker ein paar Kupferdrahtwicklungen mehr abbekommen hat, weil der Maschinenbediener kurz am Kaffee nippte. Im Grunde geht es meist um Idealvorstellungen von Sound und individuelle Spielarten, die dann prägend sind für die musikalische Praxis und den sich ständig ändernden Sound der Generationen. Sei es mit dem Aufkommen aktiver Tonabnehmer, oder als zunehmend 7- und 8-saitige Gitarren nachgefragt wurden.
Seymour Duncan ist es wichtig, seine Produkte in gleichbleibend guter Qualität herzustellen. Hierfür wird ständig an Details geforscht, vor allem in den Bereichen Material und Bauweise, um die Pickups so authentisch wie möglich zu reproduzieren oder neue zu entwickeln. Denn schon in verschiedenen Drähten stecken die unterschiedlichsten Eigenschaften, es gibt Hunderte von Wickelarten und auch so manches Betriebsgeheimnis. Bei den Antiquities, die schon Mitte der 90er-Jahre herauskamen, ging es vorrangig um Klangtreue zum Vintage-Vorbild. Dass Fender zu Seymour kam, als ein exaktes Replikat von Eddie Van Halens Frankenstein-Pickups gebaut werden sollte, ist bezeichnend.
Der Selbstanspruch war seit jeher und ist immer noch, Künstlern dabei zu helfen, ihren Wunsch-Sound zu realisieren. Hilfreich hierbei und ein guter Service ist übrigens die umfassende Online-Bibliothek mit Anschlussplänen für Tonabnehmer, die auf der Seymour-Duncan-Website frei zugänglich ist und monatlich Hunderttausende Zugriffe hat.
die bestandteile guten klangs
Am heutigen Standort wird täglich die beachtliche Anzahl von ca. 1500 Pickups produziert. In der Fertigungslinie werden beispielsweise Pole Pieces noch ganz traditionell von Hand geschliffen. Für andere Arbeitsschritte sind Maschinen im Einsatz – wie die alte Leesona, die aus einer Gibson-Auktion stammt und mit der klassische Humbucker-Modelle wie Seth Lover, Pearly Gates, oder Alnico II Pro gewickelt werden.
Darüber hinaus kam schon früh in der Firmengeschichte die Ambition auf, weitere Produkte herzustellen, die den Klang maßgeblich beeinflussen oder zusätzlich formen. Und genau das tun Effektpedale. Die aktuell verfügbare, seit 2001 aufgebaute Stompbox-Serie von Seymour Duncan umfasst elf kleinformatige Pedale, sowie einen Amp-in-a-Box, ein Delay und ein Reverb im größeren Format.
Produkt-Spezialist Riley Giffin, der stark ins Antesten, Probehören und Feinjustieren von Prototypen involviert ist, erklärt das Prinzip dahinter: „Jedes Pedal hat eine Story, löst ein bestimmtes Problem mithilfe besonderer Features und spricht so anspruchsvolle Spieler an.“ Ein Teil der Pedale greift hierfür einen klassischen Schaltkreis auf, der im Rauschverhalten verbessert und funktional ergänzt wird. Ein paar Beispiele: Das 805 Overdrive (im Namen steckt Kaliforniens Telefonvorwahl) ist ein modifizierter Tube-Screamer-Schaltkreis mit 3-Band-EQ und mehr Headroom.
Das im Tempo blinkende Vapor Trail Analog Delay basiert auf klassischen Bucket-Brigade-Delays wie dem Carbon Copy und bietet zudem einen multifunktionalen TRS-Anschluss für andere Effekte, Amps, oder um mit dem Volume-Pedal die Lautstärke der Repeats zu steuern. Das La Super Rica Fuzz zitiert Silicon-Fuzzes wie das Big Muff und fügt einen Flat/Fat-Switch sowie parametrische Mitten hinzu, um Frequenzen gezielt hervorheben/ ausblenden zu können.
Eine ganz eigene Entwicklung ist die großformatige Palladium Gain Stage, die als eines der ersten Amp-in-a-Box-Pedale realistisch das Spielgefühl und die Ansprache von Röhrenverstärkern nachbildet. Der Entwicklung vorausgegangen war einiges an Brainstorming – intern sowie gemeinsam mit Musikern und Händlern. Die Frage lautete: Was benötigen Gitarristen wirklich? Dabei herausgekommen ist das auf vier Lagen Leiterplatten verdichtete Schaltkreis-Design des Palladium. Es stammt von Head Engineer Kevin Beller, der seit fast 40 Jahren im Hause ist und Prototypen zu Produkten verfeinert.
Last but not least, verbinden das Andromeda Delay und das Silver Lake Reverb im großen Format jeweils vielfältig regelbare Sounds mit praktischen Speicher-Optionen und patentierter Dynamic Expression.
Das letzte Glied in der elektrischen Klangkette ist bekanntlich der Amp. Manche Leser kennen sicher noch die Combos und Top-Teile der Firma aus den 80er- und 90er-Jahren. Diese basierten meist auf Röhrentechnologie und genießen heute einen sehr guten Ruf auf dem Gebrauchtmarkt. Dass es wegen der deutlich größeren Logistik im Verstärkerbau nicht einfach ist, diesen Sektor wirtschaftlich zu gestalten, haben schon einige Firmen feststellen müssen.
Mit immer kleineren und leichteren mobilen Amp-Lösungen hat der Markt aber gerade auch einen alternativen Weg eingeschlagen und Seymour Duncan geht ihn mit dem Power-Stage mit. Dabei handelt es sich um ein speziell für die Nutzer von Effekt-Pedalen und Modelern entwickelte Endstufe, die es mit 170 Watt als Pedalboard-Lösung oder mit 700 Watt als Rack-Modul gibt. Die Grundidee dahinter ist, eine portable cleane Lösung zu schaffen, um Sounds in gleichbleibend guter Qualität ausreichend laut wiederzugeben. Dabei ermöglicht ein simpler, aber musikalisch reagierender 3-Band-EQ, der vor allem für Gitarre sowie weitgehend für Bass funktioniert, die nötige klangliche Flexibilität, um auf Raumbedingungen oder den Gesamtsound zu reagieren.
Bei der Pedalboard-Variante läd das große Volume-Poti dazu ein, dynamisch mit der Schuhkante geregelt zu werden. Mit der Rack-Ausführung ist überdies Stereo-Betrieb möglich. Wie Seymour Duncans Pedale sind auch die Power-Stage-Amps eng bepackt mit Platinen, speziellen Filtern und anderer Technik. Dazu erklärt Amp-Entwickler Kevin Beller, dass das angesichts der internationalen Regularien zur elektromagnetischen Kompatibilität schon eine besondere Ingenieursleistung war. Doch es hat den Vorteil, dass Mitbewerber und Produktkopierer länger brauchen, die Geräte zu analysieren. Bislang ist überraschenderweise noch nichts Vergleichbares am Markt aufgetaucht.
alles richtig gemacht
Zum Abschluss nimmt sich Cathy Duncan Zeit, um uns mit Anekdoten, Weltsichten und einigem Hippie-Spirit zu überschütten. Sie erzählt von den Tieren auf ihrer Ranch, von Grillpartys und vom Motorradfahren. Wie wichtig es ihr bis heute ist, fair, respektvoll und unbürokratisch zu bleiben. Diese Erfolgsgeschichte zu hören, die durchaus Anklänge eines typischen American Dream hat, macht Freude. Umso mehr, wenn so ein mittelständischer Betrieb seinen Wurzeln treu bleibt. Mit Derek, der bereits in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, und einem gut aufgestellten Team wird bei Seymour Duncan wohl in Zukunft vieles beim Alten bleiben. Gut so!