Vor drei Jahren haben wir Mastermind Juha Ruokangas und seine Mitarbeiter in Finnland besucht:
Juha Ruokangas ist für Gitarre & Bass-Leser inzwischen natürlich längst kein Geheimtipp mehr. Geht es um kompromisslose Handwerkskunst, um absolut detailgerechte Perfektion und instrumentaltechnische Inspiration, so fällt unweigerlich sein Name.
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Im etwa hundert Kilometer nördlich von Helsinki gelegenen Ort Harviala baut er inmitten schönster Parklandschaft mit seinem kleinen Team von Master Buildern schlicht großartige Gitarren und Bässe. Wie macht er das, wo kommt das her und wo will er noch hin? Das alles wollten wir genauer wissen und machten uns auf nach Finnland.
Was wissen wir eigentlich über Finnland? Viele Seen, jede Menge Wald, aber wenig Menschen. Die leben in Holzhäusern und pflegen eine historisch gewachsene Sauna-Kultur, welche den berühmten Sprung ins Eiswasser im Winter durchaus mit einschließt. Rentierzucht in Lappland, Elche und Mittsommernacht, namhafte Skispringer und Formel1-Piloten.
Berühmt für seine fremdartige Sprache, aber ein vorzügliches Schulsystem, macht Finnland auch als Standort für Hochtechnologie auf sich aufmerksam; und natürlich hat man über die Jahrhunderte hinweg viel über den Umgang mit der natürlichen Ressource Holz gelernt. Es ist also nicht so verwunderlich, dass sich neben der berühmt-berüchtigten Luftgitarren-WM auch eine Schule für Gitarrenbau im Staate Suomi etablieren konnte und die spielt durchaus eine wichtige Rolle in unserer Story.
Einstieg & Aufstieg
Natürlich beginnt diese Geschichte mit einem Teenager und einer elektrischen Gitarre. Was aber macht der etwa zwölfjährige Junge als erstes damit? Er nimmt sie komplett auseinander. Juha: „Ich war schon immer so ein Typ, der wissen wollte wie etwas funktioniert. Ich habe das Ding sogar mehrfach auseinander- und zusammengebaut, aber natürlich auch angefangen autodidaktisch zu spielen.“ Da er erkannte, dass viele technische Details durchaus überschaubar waren, begann er kleinere Reparaturen, den Austausch von Buchsen usw. selbst auszuführen. Von einem seiner Freunde bekam er einen Pappkarton voller Gitarren-Parts, aus denen jemand vergeblich versucht hatte, sich eine Gitarre zu basteln.
Ohne Plan oder irgendwelche Informationen baute der kleine Juha aus diesen Teilen schon ein halbwegs funktionierendes Instrument und lackierte es knallrot. Später nach der Schule hatte er seine Rock-Band, ohne großen Erfolg, versuchte sich in verschiedenen Jobs, fand aber keine Richtung für sein Leben. So ging er schließlich ohne viel Zuversicht in ein staatliches Job-Center. Zu seinem Glück, denn die Beraterin stellte die richtigen Fragen, erkundigte sich nach Hobbies und Leidenschaften, ja machte ihn schließlich sogar auf eine nur wenige Jahre zuvor gegründete Schule für das Studium des Gitarrenbaus aufmerksam. Juha: „Ich weiß noch genau was ich fühlte, als ich das hörte. Das war, als wenn mich ein Blitz getroffen hätte.
Ich war wie elektrifiziert. Kann es wirklich möglich sein, vom Gitarrenbau zu leben? Die Information stammte aus einem Buch mit vielfältigsten Berufsangeboten. Hinter einem Eintrag für die Ausbildung zum Zimmermann fand sich ein kleiner Stern und in winziger Schrift stand unten auf der Seite, dass ein Teil dieser Zimmermannsausbildung am „College Of Arts And Crafts“ für den Bau von Musikinstrumenten reserviert sei. Sonst war darüber im ganzen Buch nichts zu finden, aber diese Frau wusste davon. Sie hat mein Leben verändert, ich bin ihr ewig dankbar dafür.“
Nun war die Sache klar, Juha bewarb sich, bestand den Aufnahmetest und schrieb sich ein. Zwei legendäre finnische Gitarrenbauer ihrer Zeit vermittelten ihm das handwerkliche Rüstzeug. Die wichtigste Lektion hielt das Leben aber durch einen besonderen Umstand für ihn bereit. Sein Lehrer für E-Gitarrenbau Matti Nevalainen schickte ein Instrument namens „Flying Finn“ zum Guitar Player Magazine in die USA und bekam damit einen unverhofft großartigen Testbericht.
Juha: „Das war das erste finnische Instrument überhaupt, das einen Test im Guitar Player bekam, und ich hatte dieses AhaErlebnis: Du bist ja gar nicht begrenzt auf Finnland, das geht auch international.“ Das war 1993, eine Zeit, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und jener Lehrer besaß lediglich ein Fax-Gerät, über das in Folge des Tests jede Menge Anfragen und Aufträge eingingen, die der des Englischen nicht mächtige Gitarrenbauer nicht einmal lesen konnte.
Da war also diese große geschäftliche Chance, aber es fehlten ihm die Mittel, sie auch wahrzunehmen. Nevalainen fing damit an, bestellte Gitarren abends nach seinem Unterricht zu bauen, aber das ging schnell auf Kosten des Lehrauftrags und die immense Nachfrage war so kaum zu befriedigen.
Also bat er den gut englisch sprechenden Juha um Hilfe bei der Kommunikation, der Erstellung erster, noch fotokopierter Schwarzweiß-Broschüren und später auch beim Bau der Gitarren selbst, was damit endete, dass der anstelle des geplanten L5-Meisterstücks Gitarren für seinen Lehrer fertigte. Juha: „Das erste Mal exportierte in Finnland jemand Gitarren, und ich durfte dabei helfen. Neben dem Gitarrenbau habe ich in meinem letzten Jahr an der Schule also auch unglaublich viel über Business gelernt. Das war viel mehr, als man normalerweise bekommt.“
Auf eigenen Beinen
Bereits ein Jahr vor Abschluss der Ausbildung, als er in Kooperation mit seinem Lehrer trat, hatte Juha seine eigene Firma gegründet. Das war nötig, damit der ihn auch offiziell bezahlen konnte. Im Sommer 1996 verließ er dann mit dem Diplom in der Hand die Schule und zog mit seiner ersten Frau und dem halbjährigen Sohn südwärts nach Hyvinkää. Die erste eigene Werkstatt in einer alten Textilfabrik verfügte lediglich über 35 qm Fläche und hatte nicht einmal eine Toilette. Von seinem Vater bekam er eine alte Hobelbank, und auf Kredit erwarb er die nötigsten Maschinen für die Holzbearbeitung: Bandsäge, Oberfräse und Schleifmaschine.
Mit seinem Vater zog er auch provisorische Wände ein, um abgetrennte Räume für ein kleines Büro und die Lackierkabine zu schaffen. Schon im ersten Jahr dort überzeugte ihn ein befreundeter Web-Designer davon, die neuen, noch nicht erschlossenen Möglichkeiten des Internets zu nutzen und so hatte Ruokangas Guitars bereits Ende 1996 eine eigene Website, was sich noch als Geniestreich herausstellen sollte. Juha: „Wir sorgten dafür, dass die Website schon bald recht professionell aussah. In der Zeit der Kooperation mit meinem Lehrer hatte ich ja bereits Slogans in Englisch entworfen und mich mit Werbung auseinandergesetzt.
Ich saß also allein in diesem 35qm-Loch, ohne auch nur einen Auftrag oder ein schlüssiges Modell, dachte aber schon groß. Ich hatte nichts, aber ich hatte eine Website (lacht). Obwohl ich zunächst fast nur Reparaturen machte, stellte ich alle jemals an der Schule gebauten Gitarren als „Custom-Made“ auf die Website. Von dieser frühen Zeit an beschäftigte ich mich aber auch schon mit einem Entwurf, der später das Duke-Modell, mein erstes Original-Design werden sollte, und während dieses Prozesses fand ich zu einem Schlüsselmaterial, das zu einem unserer Markenzeichen werden sollte: Spanish Ceder.“
Schlüsselmaterial
Juha hatte im Laufe seiner Ausbildung ein Praktikum im Bau von klassischen Gitarren gemacht. Dort wurde er mit der Aufgabe betraut, Hälse zu fertigen. Da man seinen Künsten noch nicht ganz traute, gab man ihm zunächst ein herumliegendes altes Stück Mahagoni zum Beschnitzen, bevor er sich an den Standard für Klassik-Gitarren Cedro (Spanish Ceder) machen durfte. So entstanden drei Hälse, einer aus leichtem Mahagoni, zwei aus Cedro. Zu seinem Erstaunen waren die Ähnlichkeiten der beiden Spezies unerwartet groß. Aussehen, Gewicht und Biegefestigkeit unterschieden sich kaum, lediglich der Geruch war anders. In der Werkstatt arbeitete jemand, der schon einmal ein Les-Paul-Modell aus Cedro gebaut hatte.
Mit durchaus erfreulichen Ergebnissen, wie der Mann ihm bestätigte. Juhas Interesse galt natürlich nach wie vor den elektrischen Gitarren. Er hatte damals eine 1957er Gibson Goldtop Les Paul gespielt und realisiert, dass es sich dabei um ein ungewöhnlich gutes, leichtes und laut tönendes Instrument mit eigenem Klangcharakter handelte. Ihm war durchaus bewusst, dass es aus Honduras-Mahagoni gebaut war, jener artgeschützten Spezies also, welcher der berühmte Sound vieler alter Gitarren maßgeblich zugeschrieben wird. Seine Betrachtungen und Vergleiche endeten damit, dass er von dem Workshop Spanish Ceder für drei Gitarren kaufte.
Als er sich später selbständig machte, hatte er dieses Holz dabei, um ein Design auf der Grundlage dieses Materials zu entwerfen. Juha: „Die Les Paul war meine erste Liebe, eigentlich hauptsächlich, weil es so cool aussah, wenn Jimmy Page sie spielte. Später hatte ich aber auch erfahren, dass sie ein großartiges Musikinstrument sein kann. Als ich dann in Musikläden Les Pauls ausprobierte, waren die aber immer so enttäuschend, dass ich dachte: Wie kann man diese schweren plumpen Dinger nur spielen? Als ich mein erstes Modell entwarf, sollte es eine moderne Gitarre mit einer gewissen Verwandtschaft zur Les Paul werden.
Sie sollte den alten Klang nachbilden, ohne dass ich dabei Rücksicht auf das verwendete Material nehmen wollte. Als ich viel später dann Leute aus den Entwicklungsabteilungen großer amerikanischer Hersteller traf, erzählten die mir alle, dass sie Gefangene ihrer eigenen Vergangenheit seien und niemand etwas Neues von ihnen akzeptierte. Ich aber war niemandes Gefangener, ich konnte hingehen und Spanish Ceder für den Hals und den Korpus meiner E-Gitarren verwenden. Natürlich war ich noch jung und wusste nicht, was für ein Höllenjob es sein würde, diese Gitarren dann auch zu verkaufen, denn natürlich wollten alle Honduras-Mahagoni.“
Wer weiß, wie das riskante Unterfangen ausgegangen wäre, hätte Juha nicht so früh seine Website an den Start gebracht. Im aufbrechenden Zeitalter des Internets wurde die nun plötzlich vielerorts als Beispiel für Pionierarbeit gefeiert. Noch besser: Juha gelang es, sein erstes Duke-Modell 1997 an den renommierten finnischen Gitarristen Jukka Tolonen zu verkaufen, der damit zugleich der erste Spieler überhaupt war, der ein originales Ruokangas-Design erwarb. Natürlich kam ein Bild von Tolonen auf die Website. Oben hieß es: Nichts anderes als Ruokangas Guitars – darunter stand: Jukka Tolonen spielt Ruokangas Guitars.
Da Tolonen nicht nur in Finnland viele Anhänger hatte, ging die Post ab. „Ich hatte meine Website, die Presse berichtete, ich hatte mein Modell, und Jukka Tolonen spielte meine Gitarre. Plötzlich bekam ich Aufträge aus aller Welt. Da saß ich also immer noch in meinem kleinen 35-qm-Loch, aber das war der Beginn des internationalen Geschäfts, das mich ein paar Jahre später auch nach Frankfurt brachte.“
Team & Arbeitsmethode
Bis ins Jahr 2000 hinein arbeitete Juha allein. Im Dezember 1999 – Juha hatte sich erstmalig als Austeller bei der Musikmesse in Frankfurt im Frühjahr 2000 angemeldet – arbeitete er Samstagabends spät noch allein in seiner Werkstatt. Überarbeitet, müde und vom knappen Zeitplan gestresst, rutschte ihm mit einer unglücklichen Bewegung an der Kopierfräse das Werkstück weg und riss ihm einen Teil seines linken Daumens ab. Für den Linkshänder Juha eine Katastrophe. Der Operateur im Krankenhaus rettete zwar, was noch zu retten war, ließ ihn aber auch wissen, dass an Arbeit für mehrere Monate nicht zu denken sei.
„Ich sagte: Geht klar, nahm den Zug nach Hause und ging natürlich sofort wieder in die Werkstatt. Aber es war schrecklich. Bei den Instrumenten, die ich dann nach Frankfurt brachte, hatte ich z. B. als Linkshänder die Bundbearbeitungen mit rechts machen müssen. Immerhin hatte ich fünf oder sechs Instrumente fertigbekommen, aber der Weg dahin war ein Albtraum. Diese Erfahrung war eine große Lektion für mich: Bist du überarbeitet, müde und unkonzentriert, dann höre auf, bevor du Fehler machst! Danach habe ich natürlich trotzdem noch zu viel gearbeitet. Immerhin gibt es aber jetzt bei uns die geregelte Fünf-TageWoche.
Normale Arbeitszeiten ohne Überstunden also, das muss reichen. Nur ich selbst mache manchmal ganz begrenzt Ausnahmen.“ Da die Geschäftslage sich erfreulich entwickelte und die Nachfrage allein nicht mehr zu bewältigen war, brauchte Juha dringend Verstärkung: „Als ich 2001 meinen ersten graduierten Gitarrenbauer Jyrki Kostamo anstellte, hatte der zuvor ein halbjähriges Praktikum bei mir gemacht. Ich wusste also, dass er wirklich talentiert ist. Normalerweise stellt jemand in dieser Situation eine Hilfskraft für Schleifarbeiten, Bundierungen usw. ein und je größer die Firma wird, desto mehr wird die Arbeit aufgeteilt, was im engeren Sinn schon zu einer seriell produzierten Gitarre führt.
Eine Masterbuilt Guitar dagegen wird von einem einzelnen Mann von Anfang bis Ende gebaut, ein ganz anderer Ansatz also. Ich wollte von Beginn an jemanden, der selbständig Gitarren baut und keine Hilfskraft. Als Jyrki kam, habe ich ihn also darauf trainiert, alle Dinge bis ins letzte Detail in meinem Sinne auszuführen. Klar war der schon ein gut ausgebildeter Gitarrenbauer, aber eigene Designs integer zu realisieren, das ist noch wieder eine andere Sache. Noch wichtiger für mich war es aber, Gitarrenbauer zu finden, die sich im Team wohlfühlen und nicht unbedingt selbst im Rampenlicht stehen müssen. Die Gitarren für ihren Lebensunterhalt bauen, aber nicht unbedingt ein Geschäft führen wollen.
Es ist nicht einfach, solche Leute zu finden. Andererseits fühle ich mich priviligiert, denn von der Schule für Gitarrenbau rufen mich jedes Jahr Studenten an, die bei mir ein Praktikum machen wollen und sie schicken mir ihre besten.“ Nach Jyrki kamen auf diese Weise dann auch noch Tomi Nivala und Lari Lätti als Master Builder ins hochkarätige Team, nicht zu vergessen Emma, des Meisters Frau, ebenfalls ausgebildete Gitarrenbauerin, die in die Diskussionen um technische und modelltypische Entwicklungen stets eingebunden ist und überhaupt den Laden derweil in vieler Hinsicht schmeißt.
Holz-Philosophie
Von Anfang an wollte Juha Materialien finden, die diesen besonderen Klang lieferten, den er im Kopf hatte. Dabei waren ihm vorgeprägte Klischees egal. Mit Spanish Ceder hatte er bereits ein Material für sich entdeckt, das im Bau von E-Gitarren zuvor kaum Verwendung gefunden hatte. Die erste Version der Duke hatte zwar noch eine Decke aus Ahorn, aber unser Protagonist war an der Erkundung heimischer Hölzer höchst interessiert, und wenn es eine Ressource in Finnland gab, dann war das Birke.
Obwohl die Birke zuvor schon beim Bau von skandinavischen Akustik-Gitarren eine gewisse Rolle gespielt hatte, war sie im Sektor der E-Gitarre noch ein unbeschriebenes Blatt. Juha diskutierte diese Möglichkeit mit älteren Kollegen, aber alle winkten ab, hielten die Klangeigenschaften für eigenartig und rieten ihm, lieber beim Ahorn zu bleiben. Juha: „Am Anfang meiner Karriere war ich noch blöd genug, das zu glauben, dachte: okay, damit stimmt wohl etwas nicht. Nachdem ich schon eine ganze Reihe von Dukes mit Ahorndecke gebaut hatte, bekam ich etwa um 1998 herum einen Block Birkenholz von einem befreundeten Bassbauer, das einfach nur zu schmal für seine Bässe war.
Es besaß eine wirklich prachtvolle Maserung, also baute ich damit eine Gitarre und erneut überkam mich das starke Gefühl, welches mich schon bei Spanish Ceder angesprungen hatte: Wow, großartig! Ich konnte kaum glauben, wie gut das klang.“ Nun stand Juha vor einem neuen Problem, denn es war nicht einfach, geflammte arktische Birke in der geforderten Qualität aufzutreiben. Obwohl in den 20er- und 30erJahren im Möbelbau sehr beliebt, war sie wegen geschwundener Nachfrage kaum mehr zu finden. Er musste danach suchen, ging anfangs sogar zum Holzeinschlag mit in den Wald und reservierte aussichtsreiche Stämme für sich mit Farbspray.
Inzwischen ist das einfacher geworden, er kennt seine Leute im Holzgeschäft und hat ein eigenes System zur Kategorisierung der verschiedenen Güteklassen von Arctic Birch entwickelt. Natürlich sind bei Ruokangas neben den favorisierten Tonhölzern Spanish Ceder und Artic Birch auch Hölzer wie Ahorn und Erle, für die Griffbretter alternativ auch Ebenholz, Palisander und Rock Maple zu haben. Grundsätzlich wird Holz bei Ruakangas lange natürlich gelagert und getrocknet. Eine Spezialität ist allerdings die besondere Holzbehandlung mit dem sogenannten Thermo Treatment (s. Seite 204). Juha Ruokangas setzt hauptsächlich heimische Hölzer ein, an tropischen Materialien verwendet er ausschließlich zertifizierte Hölzer, hofft aber, auch dafür einmal volltauglichen Ersatz zu finden.
Konstruktion
Juha Ruokangas beließ es nicht bei der Entdeckung neuer, für ihn richtiger Tonhölzer, er suchte auch nach Wegen, die Gitarre in ihrer Konstruktion zu optimieren. Juha: „Das Vertrauen der Leute zu gewinnen, dass du es nicht nur gut sondern sogar besser machen kannst, das geht nur mit entsprechenden Ergebnissen. Dafür verantwortlich sind letztlich nicht nur die Materialien, sondern auch die verbesserte Konstruktion.“ Als Beispiel nennt er die Halskonstruktion bei Les Pauls und SGs von Gibson, die wegen des starken Kopfplattenwinkels, der natürlich auch Einfluss auf den Klang nimmt, immer schon ein heikler Punkt war.
Kopfplattenbrüche sind bei diesen Gitarren fast schon vorprogrammiert. Wie lässt sich das verbessern? Eine Frage, die Gibson wegen der vom Publikum geforderten Traditionsverhaftung gar nicht beantworten kann. Juha: „Die Duke war mein erster Versuch, eine modernere, ergonomisch komfortablere und insgesamt leichter zugängliche Interpretation einer Les-Paul-Style Gitarre zu finden. Sie sollte sich schon wie eine Les Paul anfühlen, aber vom Klang her den besten Les Pauls die ich jemals gespielt hatte, nicht nachstehen. Zehn Jahre später bin ich mit dem Unicorn Model zu diesem Konzept zurückgekehrt.“
Um das Problem mit dem instabilen Kopf zu lösen, ließ er sich eine konstruktive Alternative einfallen: Da die Holzfasern durch die Abwinkelung abgeschnitten und damit kürzer werden, bricht der Kopf immer genau dort, was sich mit einer konsequent angesetzten Kopfplatte inklusive einer Verzapfung mit Ahornsplinten vermeiden lässt. Eine deutliche strukturelle Verbesserung also, die sich ohne Klangverluste realisieren lässt. Juha: „In erster Linie denke ich aus der Perspektive des Spielers, denn ich will ja, dass meine Gitarren gespielt werden. Die Leute haben sich daran gewöhnt, dass der Schalter hier und die Potiknöpfe dort sind. Sie wollen das so, wie sie auch die Pedale im Auto immer an der gewohnten Stelle vorfinden wollen.
Deshalb bin ich vorsichtig in der Formgebung, es soll nicht verschrecken. Bei meinem Unicorn-Modell gibt es im Vergleich zu einer Les Paul eine Menge an Veränderungen. Ich wollte sie wirklich altmodisch machen, eher sogar in Richtung L-5 oder Stromberg, denn ich liebe, wie alte Gitarren aussehen mit dieser femininen Form und so fühle ich mich eingebunden in die Tradition. Es war meine Art, den Hut zu ziehen vor den alten Meistern der Jazzgitarre. Sie sollte also traditionell aussehen, es aber nicht sein. Sie sollte den delikaten Look, den schlanken Übergang zur Kopfplatte nicht verlieren, aber der sollte eben stärker sein.“ In diesem inhaltlich definierten Geiste treibt Juha auch seine Designs Mojo, VSOP, Hellcat und den Steambass mit Schraubhalsverbindungen voran. Achtung vor gesetzten Standards schließt für ihn deren konstruktive Fortschreibung keineswegs aus.
So entwickelte sich etwa das semiakustische Mojo-Grande-Modell zu einem Renner, dem nicht einmal der große australische Acoustic-Star Tommy Emmanuel widerstehen konnte, und der hatte seit 1966 keine Stromgitarre mehr gekauft: „Dies ist die akustischste E-Gitarre die ich jemals gespielt habe – ich will sie!“ Sagt’s, schlingt beide Arme um sein neues Baby, fragt nicht einmal nach dem Preis, sondern legt einfach ein Bündel Euro-Noten auf den Tisch: Nimm was du brauchst! Ein Mann von Welt eben. Die leichtgewichtige Mojo Grande sieht einer Fender Thinline ähnlich, bietet aber einen ungemein starken Anschlagsrespons mit großartigen dynamischen Möglichkeiten und ein holzdurchtränktes Timbre – eine Gitarre die spricht. Für die elektrische Stimme der Ruokangas-Gitarren sorgt im Übrigen unser Landsmann Harry Häussel, zu dem Juha eine lange freundschaftliche Verbingung pflegt. Nach Juhas Vorstellungen fertigt Harry Custom-Pickups für die verschiedenen Modelle. Optional sind selbstredend auch andere Pickups verfügbar.
Captain Nemo Guitar
Auch wenn im verfügbaren Rahmen kaum darstellbar ist, was mit Widmung zum Detail bei Ruokangas alles auf den Punkt gebracht wird, so sollen doch wenigstens einige essentielle Aspekte erwähnt werden. Sättel z. B. werden aus Elchknochen gefertigt, ein verblüffend schweres Material von hoher Dichte. Bundierungen erfahren die äußerste Aufmerksamkeit bei Verrundung der Enden und eine absolut perfekte Abrichtung; Griffbrettkanten werden komfortabel abgeglichen, fühlen sich ungemein geschmeidig an. Um auch noch einmal zu zeigen, dass Ruokangas immer noch ein kleiner Custom Shop mit vielfältigen Möglichkeiten ist, kommen wir am Ende zu einem aktuell in Arbeit befindlichen Spezialauftrag, den Juha nur akzeptierte, weil er daran ohne Zeitlimit arbeiten kann.
Die Aufgabenstellung: Wie hätte eine E-Gitarre ausgesehen, wenn sie nicht in Amerika, sondern bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Europa erfunden worden wäre? Keine leichte Sache, eine Retro-Futurismus-Gitarre im Sinne des Steampunk zu erdenken. Inzwischen nimmt das „Jules Verne trifft Stradivarius und Antonio Torres“-Projekt aber konkrete Formen an. Das sehr aufwendig und detailreich gebaute Instrument wird in einer antiquierten, vom Geigenbau inspirierten Ausführung des Unicorn-Modells erscheinen, der eigentliche Hammer aber ist ein von Röhren vorverstärkter Pickup, eingebaut in ein Behältnis, das einem antiken Kompass ähnelt.
Man kann gespannt sein, wie das alles klingen wird. Bei aller entschiedenen Modellpflege steht Ruokangas also immer auch für das Besondere, gibt forschenden Experimenten Raum, wie zur Zeit etwa auch einer vollakustischen Jazz-Version der Duke, und alles was die Firma verlässt, wird von Juha persönlich auf Herz und Nieren geprüft. Juhas Frau Emma – Fotos, Videos, Kommunikation, allgemeine Verwaltung und guter Geist im Team – pflegt die Ruokangas-Website, welche umfassende Auskunft über die Modelle und den Zugriff auf vielfältige Optionen bietet. Silti onnea, Juha!
Neben Ibanez, Yamaha, Taylor und Gretsch ist auch Ruokanga beim Guitar Summit, dem größten deutschen Gitarre & Bass Event, am Start! Teste das neueste Equipment, triff Gleichgesinnte und besuche über 100 Workshops! Jetzt Tickets sichern!
wirklich starke story über eine starke gitarrenbaufirma !
hätte sie gerne auch im heft gesehen, aber ob der ganze artikel platz gefunden hätte weiss ich nicht…den leuten von ruokangas kann mensch eigentlich nur noch beste gesundheit wünschen, alles andere läuft ja verdientermassen hervorragend !
nochmals danke im namen aller ruokangas-freunde,
daniel piguet aus zürich
wirklich starke story über eine starke gitarrenbaufirma !
hätte sie gerne auch im heft gesehen, aber ob der ganze artikel platz gefunden hätte weiss ich nicht…den leuten von ruokangas kann mensch eigentlich nur noch beste gesundheit wünschen, alles andere läuft ja verdientermassen hervorragend !
nochmals danke im namen aller ruokangas-freunde,
daniel piguet aus zürich
Hallo Daniel – natürlich haben wir die Ruokangas-Geschichte auch im Heft gehabt. Hast Du etwa eine Ausgabe verpasst? 🙂