Zehn Alben, die man als Gibson ES-Fan auf jeden Fall gehört haben sollte
von Udo Pipper,
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Natürlich gibt es sicher einige hundert Beispiele mit hervorragenden Aufnahmen, auf denen mitreißende ES-Sounds zu hören sind. Zum Geburtstag präsentieren wir zehn Alben, die man als ES-Fan auf jeden Fall gehört haben sollte. Es geht hierbei weniger um Vollständigkeit, sondern um die Breite der verschiedenen Stil-Richtungen, die mit einer ES möglich sind.
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Chuck Berry – Live in London 1972
Chuck Berry spielt vielleicht auf dem Höhepunkt seines Schaffens ein mitreißendes Live-Konzert in London für die BBC. Rau und unverfälscht hört man hier seine braune Gibson ES-355, die er über geliehene Marshall-Tops verstärkt, wie man im Live-Mitschnitt, der auf DVD erhältlich ist, erkennen kann. Ein echter Klassiker für Berry-Fans in sehr guter Audio-Qualität.
B.B.King – Live in Africa 1974
Für mich einer der besten Live-Mitschnitte des „King of Blues“. Das Konzert fand im Rahmenprogramm des Box-Kampfes zwischen Muhammad Ali und George Forman 1974 in Kinshasa, Zaire statt. B.B.King spielt natürlich seine braune ES-355 ‚Lucille‘, und im Hintergrund begleitet ihn kein anderer als der junge Larry Carlton ebenfalls auf seiner ES-335.
The Allman Brothers Band 1969
Auf dem gleichnamigen Debut-Album von 1969 klingen Duane Allman und Dickie Betts noch etwas zahmer und cremiger als auf späteren Aufnahmen. Das liegt auch daran, dass beide Musiker im Studio damals vorwiegend ES-Modelle über Fender-Combos eingesetzt haben. Duane Allman spielt eine 59er-‚Dotmarker‘-ES 335 und Dickie Betts eine ES-345, die Ende der Sechziger gebaut wurde. Nie wieder klangen die Allman Brothers so bluesig und sweet.
Johnny Winter – Live And 1970
In Begleitung von Rick Derringer, der gleichzeitig auch als Produzent auftrat, entstand 1970 ein eigentlich etwas zerrissenes Werk, das zur Hälfte aus Live-Aufnahmen, zur anderen Hälfte aus Studio-Tracks bestand. Und hier ist es vor allem Rick Derringer, der seine rote 59er-ES-355 bei seinen seltenen Solo-Einlagen geradezu episch klingen lässt. Vor allem sein kurzes Solo auf ‚It’s My Own Fault‘ ist ein echter Hammer. Hollow-Honk-Ton vom Feinsten!
Blind Faith 1969
Ebenfalls ein Album, das nur nach dem Band-Namen betitelt wurde. Nach den Heavy-Blues-Improvisationen hat Eric Clapton hier seinen Stil kultiviert und spielt sagenhaft melodiös und flüssig – meist auf seiner berühmten roten 64er-Gibson-ES335. Vor allem auf dem Schluss-Titel ‚Do What You Like‘ legt er ein fantastisches Solo hin. Verstärkt wurde die Gitarre über seinen Marshall sowie einen blonden Fender Tremolux.
Ten Years After – Recorded Live 1972
Ten Years After in Bestform. Aufgezeichnet während der 1972er-Europa-Tournee mit dem Rolling Stones Mobile, offenbar damals ein Garant für hervorragende Live-Mitschnitte. Ein paar Titel stammen sogar aus einem Konzert in der Frankfurter Festhalle. Alvin Lee spielt hier nicht seine berühmte alte ‚Big Red‘ ES-335, sondern eine Ersatzgitarre mit Trapeze-Tailpiece aus einem späteren Baujahr. Der Sound ist dennoch eine Referenz für ES-Fans.
Robben Ford – The Inside Story 1979
Lange Zeit war Robben Fords Solo-Debut, begleitet von den Yellow Jackets, meine Lieblingsscheibe in Sachen ES-Ton. Er spielt eine 1964er-ES-335 und eine Dotmarker von 1959, verstärkt über Mesa-BoogieAmps. Sein Fusion-Sound ist wie immer Blues geprägt, und seine Gitarre klingt mitunter wie ein Cello oder ein Saxophon. Zudem ist er auf diesem Album ungemein virtuos. Auch die Kompositionen sind hervorragend.
Lee Ritenour – The Captain’s Journey 1978
Lee Ritenour ist wohl der gefälligste ES-Protagonist. Oft als „Schmuse-Gitarrist“ verkannt, zeigt er hier sein ganzes Können. Die Gitarre steht nicht zu sehr im Vordergrund, doch während der Soli, damals meist über einen Jim-Kelley-Amp verstärkt, überzeugen seine melodiösen Qualitäten und sein guter Ton. Zugängliche Gitarren-Arbeit, manchmal sogar zum Mitpfeifen.
John Scofield – Rough House 1978
Für viele Sco-Fans sein bestes Album. Aufgenommen 1978 in der Zuckerfabrik in der Nähe von Stuttgart. Scofield nutzte damals seine rote Vintage-ES-335 sowie einen Polytone-Amp mit eingebauter Distortion-Einheit. Schon auf dem ersten Titel ‚Slow Elvin‘ klingt er wirklich wie Coltrane auf der Gitarre. Ein gelungener Mix aus schweren Jazz-Balladen und wildem Bop, den er heute nur noch selten bietet. Und seine ES klingt so fett und lyrisch wie bei niemand anderem. Ein Highlight!
Donald Fagen – The Nightfly 1982
Donald Fagens Solo-Debut war eigentlich schon fertig als er doch noch seinen Lieblings-Gitarristen Larry Carlton nach New York bestellte, um „hier und da noch ein bisschen zu verzieren“. Und da schon so viel Gitarren und Keyboards drauf waren, spielte Larry Carlton seine ES-335 über einen Tweed Deluxe Amp so federnd und zurückhaltend wie nie zuvor. Dabei entwickelt er einen sagenhaft stilsicheren Geschmack für Donald Fagens Kompositionen. Mehr guter ES-Ton geht nun wirklich nicht. Ein absoluter Genuss auf allen Titeln!