Ein Interview mit Mannheims Beauftragter für Musik- und Popkultur

Wie Musik- & Band-Förderung funktioniert

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„Ich habe den tollsten Job der Welt, und fast alles, was im Bereich Musik in Mannheim so abgeht, findet irgendwann den Weg zu mir!“ Das sagt Beril Yilmam-Kohl, und damit könnte sie womöglich recht haben, denn sie ist Mannheims offizielle „Beauftragte für Musik- und Popkultur“. Und der Job ist offenbar nicht nur toll, sondern auch abwechslungsreich − Beril, die im Team der kulturellen Stadtentwicklung bei der städtischen Tochtergesellschaft NEXT MANNHEIM angestellt ist, verantwortet z.B. Projekte zu musikalischer Nachwuchsförderung, berät Musikschaffende zu allen musikrelevanten Themen, plant und initiiert diverse Veranstaltungen.

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Im Interview verrät die 39-Jährige, warum ihre Position so wichtig ist, was andere Städte sich von Mannheim abgucken könnten und warum es einer speziellen Infrastruktur bedarf, um als Stadt in Sachen Musikförderung zu „rocken“.

Von außen betrachtet, hast du einen ziemlich coolen Job. Hast du selbst einen musikalischen Hintergrund?

Ja, ich mache Musik, seit ich drei oder vier bin. Ob ich das jetzt hier erzählen sollte, weiß ich nicht, aber angefangen habe ich in der Klassik, mit Blockflöte, Klavier und Cello. Erst später bin ich zum Gesang gekommen. Mit sechzehn habe ich dann angefangen, in Bands zu singen. Zu dieser Zeit wuchs schließlich nicht nur mein Interesse an der Musik, sondern auch an der Musikindustrie − wie entstehen Erfolge und wie sieht die Infrastruktur hinter den Künstler*innen aus? Ursprünglich komme ich aus Essen, habe mich dann aber an der Popakademie in Mannheim für den Bachelor-Studiengang „Singer-Songwriter und Popmusikdesign“ beworben und zu meiner großen Überraschung wurde ich genommen – und so fing meine ganze Mannheim-Reise dann an.

Gibt es deine außergewöhnliche Position als Beauftragte für Musik- und Popkultur in der Form auch in anderen Städten?

Mittlerweile gibt es zwar ähnliche Positionen in anderen Städten, weil sich die Relevanz des Themas nicht mehr wegdiskutieren lässt, aber Mannheim hat, was das angeht, tatsächlich eine Vorreiterrolle inne. Meine Stelle gibt es hier schon seit zwanzig Jahren, sie entstand quasi zeitgleich mit dem Musikpark und zur Gründung der Popakademie. Von Anfang an war das ein klares Zeichen dafür, dass die Stadtverwaltung schon früh erkannt hat, dass Musik, Musikförderung und Musikwirtschaft enorm zukunftsweisende Bereiche – und damit würdigte man auch die lebendige hiesige Musikszene. Jetzt, zwanzig Jahre später, gibt es diese Stelle immer noch.

Die Mannheimer Popakademie (Bild: Marc Willhelm)

Meinst du, es wäre für jede Stadt wichtig, eine solche Position zu besetzen?

Auf jeden Fall! Bei mir war es so, dass meine Stelle damals mit einem konkreten Auftrag verbunden war – dem Ausbau der musikalischen Nachwuchsförderung. Ich habe mich tatsächlich vor allem beworben, weil ich die Wichtigkeit dieser Aufgabe für die Zukunft einer Stadt zu hundert Prozent teile. Man kommt vielleicht mit reichlich Talent, aber eben nicht als fertiger Musiker oder fertige Musikerin auf die Welt. Man durchläuft Jahre der Entwicklung, der Interessens- und Stilfindung. Auf dieser „Reise“ biegt man dann irgendwann – bestenfalls – ab auf die Straße der Professionalität.

Und hier beginnt dann der Abschnitt, der in Teilen die Wahrnehmung von Musik als Wirtschaftsfaktor für eine Stadt beschreibt – egal ob man auf der Bühne steht, veranstaltet oder Instrumente herstellt. Als ich in Mannheim angefangen habe, gab es in Mannheim so gut wie keine städtischen Förderstrukturen für Nachwuchsmusiker:innen. Und damit meine ich nicht die Menschen, die auf der Popakademie studiert haben, eine Hochschuleinrichtung hatten wir zu diesem Zeitpunkt ja schon.

Ich spreche vielmehr über Infrastrukturen und Rahmenbedingungen für Musiker:innen, die Interesse haben, zu proben und sich zu einer Band zusammenzufinden, um das dann hoffentlich irgendwann professionell zu machen. Es hat sich gezeigt, wenn in einer Stadt Musik und Kultur stattfinden sollen, braucht es auch einen Rahmen, der eben das begünstigt. An diesem Rahmen arbeite ich mit.

Inwiefern war/ist der diesbezügliche Aufbau einer Infrastruktur Bestandteil deines Jobprofils?

Das war eine meiner wichtigsten Aufaben, als ich 2011 angefangen habe. Dass ich meine Masterarbeit über „Städtische Jugendkulturförderung durch Popularmusik am Beispiel der Stadt Mannheim“ geschrieben habe, hat mir sicherlich dabei geholfen, diesbezügliche Bedarfe und Chancen in Mannheim zu identifizieren. Im Zuge dieser Arbeit durfte ich viele Experteninterviews führen, die mir quasi gezeigt haben, was fehlt.

Wir haben uns dann in einem ersten Schritt um Räumlichkeiten bemüht, in denen Bandproben möglich werden konnten. Darüber hinaus lag der Fokus dann auf Weiterbildung und Workshops in den Bereichen Künstleridentität und Musikbusiness sowie der Schaffung von Auftrittsmöglichkeiten. Natürlich ist die Stadt in dem Sinne keine Konzertveranstalterin, sondern im besten Fall Kooperationspartnerin oder Ansprechpartnerin von Veranstaltenden.

Es ist notwendig, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, den Nachwuchs auf die Bühne zu holen. Viele Bands, mit denen ich in einem engen Kontakt bin, erfahren erst über mich, welche Möglichkeiten der Förderung es gibt. Das bedeutet also, dass ich auch als Netzwerkerin agiere.

Profitieren ausschließlich Newcomer von den geschaffenen Strukturen, oder können sich auch etablierte Bands an dich wenden?

Meine Zielgruppe sind prinzipiell alle Musikschaffenden in Mannheim unabhängig von Niveau und Können. Meine Tür steht immer offen. Was Mannheim macht, ist Musiker:innen dabei zu helfen, das Spektrum der sich bietenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Wir unterstützen, wenn es darum geht, Anträge zu stellen, oder den richtigen Antrag überhaupt zu finden. Wir stellen Kontakte in die Stadtverwaltung oder zu hiesigen Netzwerken her und versuchen so, auf jede erdenkliche Art Förderung zu realisieren.

Wer beispielsweise eine CD-Releaseparty feiern möchte, aber nicht alle Kosten tragen kann, kann in Mannheim Zuschüsse beantragen. Ein gutes Beispiel für die Sinnhaftigkeit unsere Aktivitäten ist auch das Maifeld-Derby. Veranstalter Timo Kumpf hatte damals die Idee für dieses Indie-Festival und suchte eine Fläche. Da fungierte mein Vorgänger als „Übersetzer“ und Schnittstelle, hin zu Stadtverwaltung und Ordnungsamt.

Da ich selbst städtische Angestellte bin, sind die Wege über mich oft kürzer. Es macht also absolut Sinn, als Stadt Ansprechpartner:innen zur Verfügung zu stellen, die fach- und branchenspezifische Bedürfnisse kennen und die Sprache der Akteure sprechen.

Beril Yilmam-Kohl: „Beauftragte für Musik- und Popkultur“ der Stadt Mannheim

Eines deiner Projekte in Bezug auf Nachwuchsförderung ist der „Bandsupport Mannheim“. Erzähl mal, um was geht es dabei?

Das Projekt gibt es mittlerweile seit elf Jahren und ist ein Kooperationsprojekt von NEXT MANNHEIM, dem Kulturamt und der städtischen Jugendförderung. In dieser Zeit haben wir circa 70 Bands und Solokünstler:innen durch das Format geschleust. Ziel ist es, den Nachwuchs zwischen 14 und 27 Jahren an einer Stelle ihrer musikalischen Laufbahn abzuholen, an der sie an der Schwelle zur Professionalität stehen. Genau hier macht Förderung Sinn, denn hier trifft sie auf Ehrgeiz und hohe Einsatzbereitschaft.

Nach Bewerbung, eingereichtem Material und Live-Vorspiel vergeben wir pro Jahr sechs Plätze. Wichtig dabei: gefördert werden nur Bands mit eigenen Songs, keine Coverbands. Jede Band bekommt dann für ein Jahr einen festen Profi-Coach an die Seite gestellt, mit dem sie eng zusammenarbeiten. In dieser Zusammenarbeit liegen die Schwerpunkte auf künstlerischen Aspekten wie etwa Songtexten, Arrangements oder Sound. Neben den Coachings sind auch viele Workshops zu Themen wie Musikbusiness, Booking, GEMA oder KSK im Programm, die elementare Grundlagen vermitteln, welche man braucht, wenn man mit seiner Musik künftig Geld verdienen will.

Darüber hinaus gibt es ein Foto-Shooting und einen professionellen Live-Video-Clip. Für die Bands ist das alles kostenlos! Wir geben all unseren Bands aber immer auch einen realistischen Einblick in die Branche und ziehen vielen Teilnehmenden den Zahn, dass sie einzig und allein mit ihrer eigenen Kunst Geld verdienen werden. Das gibt es so nur noch sehr selten. Fast alle Musiker:innen, die ich kenne, haben mehrere Jobs, die sich allerdings im Bereich Musik bewegen. Viele unterrichten, spielen diverse Konzerte, machen Studio-Jobs, produzieren oder gehen anderen Tätigkeiten in der Branche nach.

Ich bin das beste Beispiel – als ich in der Popakademie angefangen habe, wollte ich ausschließlich von meiner Kunst leben und bin jetzt Beauftragte für Musik- und Popkultur. Soll heißen, ich bin auch keine aktive Künstlerin mehr, habe aber den besten Job der Welt, weil ich Musikförderung machen darf und so der Branche mehr als treu geblieben bin.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2023)

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