„Nervös bin ich auch heute noch, wenn es auf die Bühne geht …“
Weit mehr als nur Eddies Sohn: Wolfgang Van Halen im Interview
von Matthias Mineur,
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Interviews mit Wolfgang Van Halen gibt es nicht allzu häufig. Der Nachkomme des im Oktober 2020 verstorbenen Gitarrengenies Eddie Van Halen gilt als scheu, zurückhaltend, fast schon unsicher. Doch auch Wolfgang kommt nicht umhin, bei Veröffentlichung eines neuen Albums die Werbetrommel zu rühren und sich den Fragen der Presse zu stellen. Also auf nach Hamburg, wo der 32-Jährige in einem schicken Hotel residiert, nur wenige Stunden, nachdem er und seine Band Mammoth WVH im Vorprogramm von Metallica das Volksparkstadion gerockt haben!
(Bild: Manuel Berger)
Doch bereits vor Beginn des Gesprächs erlässt das Management eine nicht eben unerhebliche Einschränkung: keine Fragen zu Vater Eddie! Es gehe schließlich um Mammoth WVH, und um nichts anderes, lässt man verlauten! Damit Zuwiderhandlungen von vornherein ausgeschlossen sind, werde der Manager Van Halens beim Interview persönlich anwesend sein, informiert mich der deutsche Pressepromoter der Band. Okay!? Na, dann mal rein ins Getümmel!
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Und da sitzt er tatsächlich, der angekündigte Manager, ein großer, kräftiger Kerl mit dem unmissverständlichen „Achtung, ich bin das Gesetz!“-Blick. Er begrüßt mich freundlich, wenn auch mit strengen Augen, und stellt mich Wolfgang Van Halen vor: „Wolf, this is Matthias. Matthias, this is Wolf!“ Dann wünscht er mir noch ein vermutlich ernstgemeintes „Good luck“, nimmt auf einem Stuhl unmittelbar hinter mir Platz, schaut während des circa 30-minütigen Interviews scheinbar beiläufig im Zimmer herum, um gleichzeitig seine Ohren – einer Katze ähnlich – direkt in Richtung unseres Gesprächs auszurichten.
Wolfgang Van Halen sitzt an einem kleinen Tisch am offenen Fenster. Er hat einen 5-Tage-Bart, trägt dunkle Kleidung, trinkt Mineralwasser in kleinen Schlucken und bemüht sich redlich, entspannt zu lächeln. Dennoch verraten seine Augen Nervosität, trotz der aufmunternden Begrüßung: „Hello, nice to meet you, hope you‘re good!“ Anschließend wird schnell klar: Der Mann ist alles andere als ein Schwätzer. Seine Antworten sind eher kurzgehalten und enden mitunter schneller, als dem Fragesteller lieb ist. Fangen wir dennoch mit einem etwas komplexeren Thema an:
INTERVIEW
Wolf, hattest du ein konkretes künstlerisches Ziel für dein zweites Album? Welche wichtigen Lektionen konntest du bei deinem Debüt über dich und dein Songwriting lernen?
Das Hauptziel war, dass es diesmal deutlich schneller gehen sollte. Wie du weißt, habe ich für mein erstes Album drei Jahre gebraucht. So lange hat es gedauert, um herauszufinden, wer ich bin und was ich als Künstler will. Dann kam die erste Tour, aus der ich sehr viel Energie und Ideen herauszuziehen konnte. Deshalb war es diesmal deutlich einfacher für mich. Und auch aufregender! Genau deshalb mache ich ja Musik: Weil ich die Aufregung liebe. Musik ist für mich die großartigste Art, mich selbst auszudrücken. Die wichtigste Lektion, die ich dank meines Produzenten Michael „Elvis“ Baskette gelernt habe, lautet: Ich kann singen! Vorher war ich mir da nicht so sicher, aber Michael hat mich immer wieder darin bestärkt.
Hast du deshalb signifikante Dinge beim Songwriting für ‚Mammoth II‘ geändert?
Ich kam nach zwei Jahren von einer Tour zurück nach Hause, auf der ich permanent gesungen hatte. Das gab mir das nötige Selbstbewusstsein, um meine Erfahrungen als Leadsänger in die Arbeiten an ‚Mammoth II‘ stärker einfließen zu lassen. Dies gilt allerdings in gleichem Maße für Gitarre, Schlagzeug und Bass. Es macht riesigen Spaß, sich immer wieder selbst beweisen zu können.
Du hast erneut sämtliche Instrumente selbst gespielt. Auch Keyboards?
Lediglich ein paar kleine Klavierparts.
Welches Instrument fällt dir am leichtesten, welches besonders schwer?
Der Gesang ist immer der schwierigste Teil und nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Beim Singen kann man nicht einfach neue Saiten oder Felle aufziehen, die Stimme kommt aus deinem Körper, du musst sie so nehmen, wie sie ist. Ansonsten bringt es einfach einen Riesenspaß, alle Instrumente selbst zu spielen. Das kann ich natürlich nur im Studio, deshalb nutze ich dort diese Gelegenheit.
Ist ‚Mammoth II‘ mehr als nur der logische nächste Schritt?
Für mich ist das Album eine echte Evolution, mit mehr Gitarrensoli, einer aggressiveren Herangehensweise und einer größeren Bandbreite an harten und softeren Songs.
Kannst du deine Arbeitsweise im Studio bitte mal beschreiben?
Zunächst sammle ich möglichst viele Ideen, dann wähle ich die meiner Meinung nach besten aus. Anschließend produziere ich auf meinem Computer die ersten Demos, spiele Gitarre und Bass und programmiere die Drums. Wenn eine Idee eine feste Struktur hat, spiele ich im Studio die finale Version ein, beginnend mit Schlagzeug und Bass, dann die Gitarren und schließlich den Gesang, der bei den Aufnahmen immer eine besondere Rolle spielt.
Schlagzeug und Bass werden also immer zuerst eingespielt?
Ja, für mich ist der rhythmische Aspekt meiner Songs besonders wichtig. Daher brauche ich zuerst ein solides Fundament aus Drums und Bass.
Besitzt du für die Demoaufnahmen ein richtiges Homestudio?
Nein, ich nehme alles auf meinem Laptop auf.
Und wo finden die amtlichen Aufnahmen statt?
In unserem 5150-Studio, es ist nicht weit von meinem Haus entfernt. Ich habe es ja von meinem Vater quasi übernommen und arbeite dort an meinen Songs.
Das 5150 ist ein rein privates Studio, oder?
Ja, für fremde Produktionen ist es nicht vorgesehen.
Mit welchen Gitarren hast du ‚Mammoth II‘ eingespielt?
Überwiegend mit dem Tobacco-Sunburst-Prototypen meiner EVH SA-126. Es ist der dritte Prototyp dieser Gitarre und in fast jedem Song zu hören.
Kam auch das EVH-Wolfgang-Modell zum Einsatz?
Natürlich stehen bei uns zuhause überall Wolfgang-Gitarren herum. Aber bei Mammoth habe ich meine Liebe zu Semi-Hollowbodys entdeckt. Deshalb entwickeln wir gerade ein neues Modell. Darüber freue ich mich sehr, zumal die ersten Prototypen sehr vielversprechend sind. Derzeit befinden wir uns gewissermaßen in der zweiten Runde der Prototypen und kommen dem gewünschten Endergebnis immer näher. Es geht aktuell nur noch um neue Lackierungen und um kleine Feinheiten bei der Herstellung. Aber wie gesagt: Wir stehen kurz vor dem Finale.
Gibt es schon ein konkretes Datum für die Veröffentlichung?
Ich denke, es wird wohl 2024 werden, bis dahin müssten alle Feintunings umgesetzt sein.
Testest du die Prototypen sowohl im Studio als auch auf der Bühne?
Ja, wobei der Live-Check meines Erachtens deutlich wichtiger ist. Die zurückliegenden eineinhalb Jahre auf Tournee waren eine Art Härtetest. Wir gehen sehr sorgfältig vor, so wie es mein Dad mit seinen Signature-Gitarren auch immer gemacht hat.
Preis, Bauweise und noch mehr Gear-Talk auf Seite 2 …
Wo wird deine neue Gitarre preislich liegen?
Ganz genau wissen wir es noch nicht. Ich denke, dass es ähnlich wie bei der Wolfgang-Serie unterschiedliche Modelle zu unterschiedlichen Preisen geben wird. Aber da wir derzeit noch die Prototypen testen, ist noch keine finale Entscheidung gefallen. So etwas hängt natürlich auch von den Reaktionen potentieller Käufer ab. Wenn die SA-126 ein Erfolgsmodell wird, wird es garantiert unterschiedliche Versionen geben.
Warum hast du dich für eine Semi-Hollow entschieden?
Als ich mit Mammoth anfing, wollte ich unbedingt meinen eigenen Sound finden. Und da ich auf einen ausgewogenen Mix aus Wärme, Kraft, einer gewissen Klarheit und Tiefe stehe, sind für mich Semihollow-Modelle am besten geeignet.
Gab es nicht massenhaft Angebote anderer Hersteller, mit dir zu kooperieren?
Ich bin ausschließlich auf die EVH-Produkte und die Beziehung zu Fender fokussiert, für andere Anfragen bleibt da keine Zeit. Die SA-126 ist auf eine gewisse Weise mein Signature-Modell, andererseits aber auch ein völlig neues und eigenständiges Produkt.
Welche Ideen und Wünsche hast du mit der SA-126 verwirklicht?
Mir geht es vor allem um einen dünnen, flachen und leicht spielbaren Hals, was ja bei Semihollow-Gitarren nicht immer der Fall ist. Bei vielen dieser Modelle fühlt sich der Hals wie ein Baseballschläger an. (lacht) Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich glaube, wenn jemand meine SA-126 in die Hand nimmt, wird er diesen Unterschied sofort spüren und auch zu schätzen wissen.
Welche Hölzer bevorzugst du generell?
Ich bin offen für alles, Hauptsache, es klingt gut. Bei der SA-126 verwenden wir einen Mix aus Mahagoni, Linde und Ahorn, das sorgt für ein angenehmes Gewicht und entlastet die Schultern. Les Pauls wären mir zu schwer. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Gitarre so leicht wie möglich zu bauen und gleichzeitig eine größtmögliche Resonanzfähigkeit zu gewährleisten.
Deine Pickups sind generell passiv?
Ja. Bei Gitarren funktionieren aktive PUs meines Erachtens nicht sonderlich gut. Bei Bässen ist das anders, da bevorzuge ich zumeist aktive Tonabnehmer.
Du spielst überwiegend Standardtuning, nicht wahr?
Richtig. Allerdings gibt es auch ein paar Songs in Drop-D sowie eine Nummer namens ‚Take A Bow‘, die zusätzlich einen Halbton tiefer gestimmt ist, also Drop-C-Sharp.
Deine bevorzugten Saitenstärken?
Normalerweise .010 auf .046, also weder zu dick noch zu dünn.
Meines Wissens hast du noch nie siebensaitige Modelle gespielt.
Das stimmt, irgendwie passen sie nicht zu mir. Für härteren Metal sind die Dinger sicherlich sehr interessant, nicht aber für meine Musik.
Zurück zu den Aufnahmen von ‚Mammoth II‘: Röhrenamps oder Plug-ins?
Ausschließlich Röhrenamps, nämlich einen EVH 5150 III 50 Watt 6L6 über eine 4x12er Box. Übrigens exakt das gleiche Setup, das ich auch beim Tribute-Konzert für Taylor Hawkins gespielt habe.
Bild: BMG
Wolfgangs Amps: 2x EVH 5150 III 50 Watt 6L6. Auch die anderen beiden Gitarristen der Band spielen EVH 5150 III.
Bild: BMG
Wolfs Pedalboard mit Dunlop EVH Wah, Boss DD-3, MXR EVH Phase 90, MXR EVH 117 Flanger, MXR EVH 5150 Chorus, EarthQuaker Devices Afterneath und EVH 5150 III Footswitch
Du hältst also nichts von Modeling-Amps?
Nein, die sind nicht mein Ding! Natürlich gibt es sehr gut klingende Modeling-Amps, aber für mich sind sie nichts. Ich bin vermutlich der Analog-Typ. Die einzige digitale Schnittstelle ist Logic, wenn ich am Computer an meinen Demos arbeite.
Wird es von dir irgendwann auch einen neuen Signature-Amp geben?
Na ja, es existiert ja bereits ein Signature-Modell, aber natürlich wäre es toll, einen Amp noch gezielter auf meine Bedürfnisse auszurichten. Der 50 Watt 6L6 kommt meinem Ideal allerdings schon ziemlich nahe.
An welcher Stelle der Produktion kommen Effektgeräte zum Einsatz?
Die wenigen Effekte, die ich einsetze, werden bereits während des Einspielens hinzugefügt: gelegentlich ein WahWah in einem Solo, oder ein Phaser in einem härteren Part. Aber immer nur zur Verfeinerung, nie als wirkliches Stilmittel.
Welche Bässe hast du auf ‚Mammoth II‘ gespielt?
Die Grundlage ist mein blauer Frankenstein-Bass, den ich auch schon bei Van Halen gespielt habe, plus mein sehr warm und rund klingender Music Man sowie mein Wolfgang-Bass.
Die Bässe wurden ebenfalls durch einen richtigen Amp gespielt? Oder direkt ins Pult?
Das Lustige ist, dass ich auch die Bässe durch meinen 5150 III gespielt habe, um den gewünschten Dreck im Sound zu bekommen. Hinzu kam ein Ampeg, den Michael Baskette aus unterschiedlichsten Positionen mikrofoniert hat, um die größtmögliche Klangbreite zu bekommen.
Wolfgangs musikalischer Werdegang auf Seite 3 …
Die Mammoth WVH Live-Musiker
Bild: Manuel Berger
Gitarrist Jon Jourdan
Bild: Manuel Berger
Bassist Ronnie Ficarro
Bild: BMG
Ronnies Bass-Amps: Fender Super Bassman
Bild: Manuel Berger
Gitarrist Frank Sidoris
Bild: BMG
Franks Gibson Les Paul
Was viele nicht wissen: Dein allererstes Instrument war nicht Bass, sondern Schlagzeug, nicht wahr?
Das stimmt. Ich war gerade neun, als mein Vater mir die ersten Patterns gezeigt hat. Er selbst hat als Kind ja auch mit Drums angefangen.
Ist deshalb dein Gitarrenspiel dermaßen rhythmisch geprägt?
Könnte man so sagen. Das Schlagzeug ist quasi mein musikalisches Rückgrat.
Wann hast du zum ersten Mal Gitarre gespielt? War Eddie dein erster Lehrer?
Nein, ich habe mir mit 12 alles selbst beigebracht. Eddie hat mir nur die ersten Schlagzeug-Grooves gezeigt.
Hast du schon als Kind gespürt, dass dein Vater ein absoluter Superstar ist?
Natürlich habe ich das irgendwann registriert, aber man wird ja in diese Umgebung hineingeboren, für mich war Eddie einfach nur mein Vater. Erst später wurde mir bewusst, welche Bedeutung er für das Musikbusiness hat.
Du bist also als ganz normales Kind aufgewachsen?
Ja, ich denke schon. Ich kenne nur dieses eine Leben, deshalb fehlt mir der Vergleich. Aber unser Haus war immer absolute Privatsphäre, ich habe mein Leben als völlig normal empfunden.
Wussten deine Klassenkameraden, wer Eddie war?
Ich denke, sie wussten es, aber es interessierte sie nicht sonderlich. (lacht)
War für dich der Beruf des Musikers von klein auf vorgezeichnet, oder gab es einen Plan B?
Nein, den gab es nicht. Mit 14 oder 15 wurde mir klar, dass ich nur einen Berufswunsch habe. Also entschied ich: Okay, dann soll es so sein!
Wie surreal war es für dich, als du die ersten Male mit Van Halen auf die Bühne gegangen bist? Die Band war riesig, aber du warst noch jung und unerfahren.
Es kam immer darauf an, wie intensiv wir geprobt hatten. Natürlich war ich sehr nervös, andererseits hatten wir uns fast ein Jahr lang darauf vorbereitet. Nervös bin ich übrigens auch heute noch, wenn es auf die Bühne geht, das hat sich nie geändert. Wobei es für mich kein negativer Aspekt ist, denn es zeigt ja nur, dass es mir nicht völlig egal ist, was beim Konzert passiert.
(In diesem Moment meldet sich Wolfgangs Manager zu Wort und erinnert „höflich“ daran, dass es in diesem Gespräch doch – bitteschön – um Mammoth gehen solle, nicht um Van Halen)
Wolfgang, deine Entwicklung als Musiker verlief also in der Reihenfolge Schlagzeug, Gitarre und dann Bass. Welches Instrument stellte die größten Herausforderungen an dich?
Es gab für mich keine großen Unterschiede, es ging immer nur darum, mich auf ein weiteres Instrument zu fokussieren. Ich muss zugeben, dass mir die große Bedeutung des Basses anfangs nicht bewusst war. Erst als ich begonnen hatte, stellte ich fest, dass der Bass, ähnlich wie Drums, für die generelle Rhythmik von Musik eine überragende Rolle spielt. Von da an machte es mir umso mehr Spaß.
Rückblickend: In welchem Alter hast du die größten Fortschritte als Musiker gemacht? Und welche Bands haben dich am stärksten inspiriert?
Natürlich spielen Van Halen eine große Rolle, denn mit dieser Musik bin ich aufgewachsen. Später haben mich vor allem die Foo Fighters und Dave Grohl begeistert. Als Instrumentalist hat mich sicherlich Tool am meisten beeinflusst. Ich war von ihrem Schlagzeuger Danny Carey total beeindruckt und wollte alles lernen, was er spielte. Seinerzeit war ich gerade in der zehnten Klasse. Durch Tool ist mein Verständnis für Musik generell enorm gestiegen. Dies gilt aber auch für Nine Inch Nails und die Art, in der Trent Reznor sein Studiomaterial mit Hilfe großartiger Musiker unfassbar souverän auf die Bühne bringt.
Ist das der Grund, weshalb du deinen Musikern auf der Bühne ebenfalls völlige Freiheit lässt?
Mag sein, allerdings gilt dies nur, solange sie alle den gleichen Song spielen. (lacht)