Der ehemalige Mannheimer Oberbürgermeister über Musikförderung, Festivals und den Guitar Summit
Was Politik für Musik tun kann – ein Gespräch mit Dr. Peter Kurz
von Katharina Hildebrandt,
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(Bild: Marc Zimmer)
Mannheim ist Unesco City of Music, das Zuhause der Popakademie und des Guitar Summit und zählt bundesweit einfach zu den Hotspots, wenn es um Musik geht. Aber warum ist das so? Nur, weil die Söhne Mannheims von hier aus in den 90ern ihren Siegeszug angetreten haben? Bestimmt nicht. Seit über 20 Jahren gibt es hier einen Mann, der die Entwicklung der einzigartigen Quadratestadt in Sachen Musik-Infrastruktur und gelebter Popkultur unermüdlich vorangetrieben hat. Dr. Peter Kurz gehört zu Mannheim wie der Wasserturm, die Planken und der Rosengarten – jetzt endete seine Amtszeit, und für eine Wiederwahl hat der mehrfach international ausgezeichnete Oberbürgermeister sich nicht mehr aufstellen lassen. Grund genug für ein Gespräch mit dem Visionär, der seiner Stadt zu ihrem einzigartigen Fokus auf Musikschaffende verholfen hat.
Kurz bevor Peter Kurz das Rathaus verließ, wollten wir doch noch mal wissen, was er anders gemacht hat, warum ihm ausgerechnet das Thema Musikförderung so am Herzen liegt, warum Festivals eine große Rolle spielen und was andere Städte tun könnten, um ein bisschen mehr Mannheim zu werden.
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INTERVIEW
Herr Kurz, die Stadt Mannheim ist bundesweit ein Leuchtturm, wenn es um Musik und ihre Förderung geht. Einiges haben Sie in Ihrer Zeit als OB auf den Weg gebracht. Was war Ihre Initialzündung dazu, haben Sie selbst einen musikalischen Background?
Ich denke, ich bin nicht unmusikalisch, aber das hatte natürlich nichts mit der Entscheidung zu tun, Mannheim durch die Förderung von Kultur- und Kreativwirtschaft in einen Transformationsprozess zu bringen. Zwei Impulse waren dafür ausschlaggebend: Die Arbeit von Richard Florida über die Bedeutung der Creative Class für die Städte und die Tatsache, dass Mannheim immer wieder Stars und musikalische Entwicklungen hervorbrachte, damals mit den Söhnen Mannheims, aber sich das in der Vergangenheit nicht verstetigt hatte. Es lag also nahe, gerade die Musik besonders in den Fokus zu nehmen. Die Eröffnung der Popakademie, der ersten staatlichen Hochschule für Rock- und Popmusik war dann der Urknall für die Verstetigung der Präsenz Mannheims als Popmusikstadt. In der Kombination mit dem kommunalen Rock- und Popbeauftragten und dem Gründungszentrum für die Musikbranche hatten wir ein „Mannheimer Modell“ geschaffen, das bis heute ein vielbeachtetes Konzept ist.
Was waren die Punkte und Projekte, die anfangs zuoberst auf der Agenda standen?
Zuerst schufen wir eine Position, die das Thema stadtintern aufarbeitete und für Sichtbarkeit sorgte. 1999 war dies die Einrichtung des ersten kommunalen Beauftragten für Pop- und Rockmusik. Schon sehr bald kamen wir gemeinsam zu dem Schluss, dass wir das Thema „groß“ angehen wollten und konzipierten das erste Gründungszentrum für die Musikbranche in Deutschland, den Musikpark. Parallel dazu entwickelte die Landesregierung die Idee einer Popakademie. Natürlich haben wir alles ins Rennen geworfen, um diese Institution nach Mannheim zu holen – mit Erfolg: Die Popakademie feierte vor wenigen Wochen ihr 20-jähriges Bestehen. 2013 wurde Mannheim dann der Titel UNESCO City of Music zuerkannt. Unser Ziel war auch das Profil Mannheims zu schärfen, seine vorhandene kreative Dynamik und Vielfalt anders zu fassen. Das Image der Stadt war damals auch stark vom Strukturwandel der 90er-Jahre geprägt. Musik war demgegenüber ein positiv besetztes Thema. Seit rund 15 Jahren wird Mannheim nun als „Musikstadt“ gehandelt und als Thomas Gottschalk in einer „Wetten, dass..?“-Sendung mit den Worten eröffnete: „Willkommen in der Musikstadt Mannheim!“, war das damals schon etwas Besonderes.
Gab es Widerstände, politisch wie gesellschaftlich? Oder Unterstützung? Wenn ja, welcher Art?
Um ehrlich zu sein, gab es kaum Widerstände. Allerdings hatten wir mit dem Einsatz europäischer Strukturförderung und dem Erfolg der Söhne Mannheims gute Rahmenbedingungen. Auch war schnell spürbar, dass die Stadt erheblich profitiert. Mannheim hat sich durch die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft, insbesondere durch die Förderung des Themas Popmusik ein neues Narrativ schaffen können. Das haben viele gespürt und dem wollte keiner im Wege stehen.
Wie kam das Engagement auf Landesebene an?
Das Land war für uns immer ein wichtiger Partner. Nicht nur mit der Entscheidung, die Popakademie in Mannheim anzusiedeln, sondern auch mit Förderzusagen, ohne die die Entwicklung so nicht stattgefunden hätte. Bei der Popakademie sind Stadt und Land ja bis heute auch noch gemeinsam Gesellschafter.
Gab es mal Feedback aus dem Bund?
Berlin hat diese Entwicklung wohlwollend und anerkennend beobachtet. Und auf europäischer Ebene waren wir durchaus ein Beispiel für die Möglichkeiten von Strukturförderung auch in starken urbanen Räumen.
Und der eigentliche Punkt: Was können andere Städte in Bezug auf die Förderung von Musik & Bands von Mannheim lernen?
Dass Kultur ein wichtiger und integraler Treiber urbaner Entwicklung ist. Das gilt kulturell, wirtschaftlich, sozial und räumlich. Und nicht zuletzt schafft Kultur Identität. Lernen kann man auch, dass Verstetigung und kontinuierliche Fortentwicklung zentral sind. Mannheim hat nicht nur eine ganze Reihe von namhaften und wichtigen Institutionen, die die Musik in unserer Stadt unterstützen und fördern, sondern z. B. auch eine weit über die Stadt hinaus ausstrahlende Festivallandschaft, die sich parallel weiterentwickelt hat: Enjoy-Jazz, das Maifeld Derby oder die Time Warp gehören in ihren musikalischen Segmenten zu den Topereignissen in Europa.
(Bild: floriantrykowski.de)
All diese Institutionen erfuhren oder erfahren Unterstützung durch die Stadt Mannheim. Manchmal finanziell und manchmal strukturell. Auch der Guitar Summit gehört zu den Veranstaltungen, die die Botschaft Mannheims als Musikstadt international verbreiten. Über unsere Tochtergesellschaft NEXT MANNHEIM fördern wir diesen ja auch mit. Diese und viele Veranstaltungen mehr zeichnen das Bild einer modernen, diversen und kulturaffinen Stadt, die wir ja auch sind. Und das zieht an.
Welche Weichen müssen Ihrer Meinung nach auf Bundesebene gestellt werden, damit die Musik-Szene nicht untergeht? Das Thema ist ja seit Corona mehr in den öffentlichen Fokus gerückt.
Natürlich müssen kreative Leistungen besser geschützt werden. Im Vergleich zu anderen Ländern ist noch viel Luft nach oben, was grundständige Förderung und Infrastrukturen angeht. Man sieht an Skandinavien, dass dies eine umfassende Wohlfahrtswirkung hat. Wir müssen auch unsere großen, gewachsenen Strukturen der öffentlichen Kulturproduktion öffnen. Die ungeheure Diskrepanz zwischen der Förderung in diesem Bereich und der fast nicht existierenden Förderung für die Popmusik, die per se als kommerziell eingestuft wird, ist dauerhaft nicht mehr vermittelbar. Die Frage ist, wo wird zeitgenössische Kunst produziert? Nach dieser Frage würde sich Förderung anders verteilen als derzeit.
Bereits seit 2017 findet der Guitar Summit im Rosengarten in Mannheim statt. Welche Bedeutung hat er für die Musikstadt Mannheim?
Ich freue mich sehr, dass diese Veranstaltung im Rosengarten so „eingeschlagen“ hat und trotz der Corona-Zwangspause konsequent weiterentwickelt wurde. Insbesondere die internationale Dimension ist für die UNESCO City of Music Mannheim von Bedeutung. Mannheim tritt durch den Guitar Summit international als Musikstadt in besonderer Weise in Erscheinung. Das strahlt aus. Und das ist wichtig und gut. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal im Herbst.