(Bild: Frank Witzelmaier)
Konzerte von und mit der amerikanischen Bluesrock-Band Gov‘t Mule sind stets Feierstunden für die Ohren. Die vierköpfige Gruppe um den Gitarristen/Sänger Warren Haynes spielt ihre von Soul, Folk und Americana durchtränkte Musik mit einer Hingabe bei gleichzeitiger Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht.
Diese Gabe zeigt sich allerdings nicht nur in den Shows, sondern auch auf ihren Alben, die – des Rätsels Lösung – überwiegend live im Studio eingespielt werden. Was dies für ihre aktuelle Scheibe ‚Peace… Like A River‘ bedeutet, hat uns Warren Haynes bei einer Mule-Show im Groninger Club De Oosterport verraten, bei der wir den 63-Jährigen selbstverständlich auch über sein aktuelles Equipment und seine derzeitigen Planungen befragt haben.
INTERVIEW
Gov‘t Mule ist bekanntlich nur eines von vielen Projekten, an denen du mehr oder minder regelmäßig beteiligt bist. Macht es für dich einen künstlerischen Unterschied, worauf du dich jeweils gerade konzentrierst? Konkret gefragt: Gibt es ein gezieltes Mule-Songwriting?
Ja, das gibt es. Obwohl wir uns mit Gov‘t Mule natürlich nie wiederholen wollen, existieren ein paar stilistische Parameter, die man nur in dieser Band findet und von denen wir uns nicht zu weit entfernen wollen. Gleichzeitig soll jedes weitere Album natürlich auch eine Weiterentwicklung sein, deshalb überprüfe ich bei neuen Songs, ob sie überhaupt in das Mule-Warenlager passen, um es mal so zu formulieren. Allerdings ändert sich dieses Gefühl ständig, denn im Laufe der Jahre haben wir – wie du weißt – unterschiedliche Scheiben aufgenommen, mit Reggae, mit Soul, mit Blues und Jazz, wodurch sich unser Blick und unser Repertoire sukzessive vergrößert hat. Aber gerade deshalb kontrolliere ich ständig in meinem Kopf, welches eigentlich die originalen Mule-Parameter sind, und welche nicht.
Hatte der frühe Tod eures Bassisten Allen Woody diesbezüglich einen Einfluss?
Oh, absolut, vor allem auch wegen der zwei folgenden Alben ‚The Deep End Vol. 1 & Vol. 2‘, auf denen wir 25 Bassisten zu Gast hatten, von denen ich mir gewünscht hatte, dass jeder seine ganz eigene Persönlichkeit in die Mule-Songs einbringt. Einige dieser Stücke hatte ich gezielt auf den jeweiligen Gast ausgerichtet, oder aber wir wählten einen passenden Covertrack oder eine ältere Nummer. Für Bootsy Collins, Larry Graham, Jack Bruce, John Entwistle oder Chris Squire brauchten wir natürlich Stücke, die nicht nur nach Gov‘t Mule klingen, sondern gleichzeitig auch ihren individuellen Charakteren entsprechen. In dieser Phase hat sich der Stil und der künstlerische Ausdruck der Band enorm vergrößert, da eine solche Kollaboration ansonsten nicht funktioniert hätte.
Welchen Einfluss auf dein Songwriting hatten die Coverscheiben wie etwa ‚Dark Side Of The Mule‘, ‚Stoned Side Of The Mule‘ oder ‚Dub Side Of The Mule‘? Was konntest du von David Gilmour, Keith Richards, Brian Jones oder Mick Taylor lernen?
Die Alben, die du erwähnst, stammen alle von unseren Halloween-Shows, die immer unter einem speziellen Motto stehen. Wir haben Hendrix-Shows gespielt, Rolling-Stones-Shows, Neil-Young-, Led-Zeppelin-, The-Who- oder Pink-Floyd-Shows. Die drei von dir genannten Scheiben wurden anlässlich der Bandjubiläen veröffentlicht. Immer wenn wir uns selbst die Erlaubnis geben, in die Welt anderer Künstler einzutauchen, machen wir dies auf eine besonders intensive Weise, anstatt sie nur oberflächlich zu betrachten. Dadurch haben sie garantiert einen Einfluss auf mein Songwriting. Doch das läuft unbewusst ab, nicht gezielt, das Vokabular dieser Künstler wird quasi von ganz allein zum Bestandteil deines eigenen Stils. Aber das verhält sich bei allen anderen Einflüssen genauso. Was immer man hört, womit auch immer man sich beschäftigt, es macht sich anschließend in deinem Spiel, deinem Songwriting, deinem Gesang bemerkbar. Und wenn man sich dann sogar aktiv mit den Songs solcher Künstler beschäftigt, gilt dies umso mehr, sei es eine bestimmte Akkordfolge, eine bestimmte Phrasierung oder was auch immer. Solche Dinge bleiben erhalten, aber eben nicht bewusst, sondern unbewusst.
Ist es für einen versierten Musiker wie dich schwierig, das Material der Stones, von Pink Floyd oder Led Zeppelin zu lernen? Gibt es Acts, bei denen es dir deutlich leichter oder schwerer als bei anderen gefallen ist?
In technischer Hinsicht ist es nicht schwierig, aber es ist nicht immer ganz leicht die Entscheidung zu treffen, wie nahe man sich am Original orientieren und inwieweit man sich davon entfernen will. Hinsichtlich der Pink-Floyd-Songs haben wir zum Beispiel die Entscheidung getroffen, bei der Halloween-Show unsere Versionen noch enger an den Originalen auszurichten, als wenn wir den einen oder anderen ihrer Songs in unseren regulären Shows covern. Gleichzeitig wollten wir die Stücke nicht einfach nur kopieren, sondern ihnen auch unseren eigenen Stempel aufdrücken. Da gibt es dann natürlich einen schmalen Grat, den es zu beachten gilt. So etwas muss man von Song zu Song unterschiedlich handhaben. Die längeren Stücke wie etwa ‚Shine On You Crazy Diamond‘ mit ihrem großen Improvisationsanteil haben wir stärker zu Gov‘t-Mule-Versionen werden lassen und uns mehr an Gilmours grundsätzlichem Stil orientiert als die kürzeren Nummern. Zumal Gilmours Phrasierungen in diesen Songs so ikonisch sind, dass sie vom Publikum als fester Bestandteil der Nummern betrachtet werden.
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