„Ich habe keine konkreten Ziele. Ich denke, der ultimative Smash-Hit gelingt einem sowieso nur rein zufällig.“

Virtuosität aus Down Under: Plini im Interview

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(Bild: 2017 raulgullon.com)

Der australische Gitarrist und Komponist Plini Roessler-Holgate, Künstlername: Plini, bekam seinen künstlerischen Ritterschlag von niemand Geringerem als Saitenvirtuose Steve Vai: Er würdigte Plinis 2016er Debütscheibe ‚Handmade Cities‘ als „eines der gelungensten, wegweisendsten, melodisch, rhythmisch und harmonisch tiefgründigsten Gitarrenalben, die ich je gehört habe.“ Seither ist der Mann aus Down Under in aller Munde, vor allem in den Sozialen Medien, wo ihm eine riesige und treue Fangemeinde folgt. Kein Wunder, denn sein Spiel und sein Songwriting sind wirklich atemberaubend, eine Mischung aus Satriani-meets-Vai-Melodiegefühl und einer rhythmischen Komplexität, wie man sie vor allem von Metalbands wie Mastodon oder Periphery kennt.

Es war also an der Zeit, den Ausnahmemusiker von der anderen Seite unseres Planeten zum Guitar Summit einzuladen und ihn dem „analogen“ Publikum vorzustellen. Allerdings: Am Ende seines ersten spannenden Workshops gab es zwar lauten Beifall, aber auch – nicht ganz ernstgemeinte – Kritik: Man habe sich mehr Musik und einen geringeren Sprachanteil gewünscht. Angesichts seiner faszinierenden Spielweise absolut nachvollziehbar!

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INTERVIEW

Plini, dein heutiges Workshop-Publikum hätte offenkundig gerne ein paar mehr Songs von dir gehört. Warst du auf weitere Stücke vorbereitet?

Natürlich! Aber ich richte mich danach, was das Publikum von mir erwartet. Für mich sind Workshops eine Mischung aus Demonstration, musikalischer Erziehung und Entertainment. Ich glaube, dass ich heute ein wenig in die Falle getappt bin und den Fragen zu viel Aufmerksamkeit geschenkt habe, anstatt mehr zu spielen. Das wird mir morgen bei meinem zweiten Workshop garantiert nicht noch einmal passieren. Für den Summit habe ich fünf oder sechs Songs vorbereitet, nicht nur die zwei, die ich heute vorgestellt habe. Gleichzeitig muss ich aber auch gestehen, dass ich gerne Fragen beantworte, über die ich selbst nachdenken muss.

Über welche Fragen musstest du heute genauer nachdenken?

Vor allem über diejenigen, die mein Songwriting betrafen. Ich komponiere permanent Stücke, ohne sie genauer zu analysieren. Deshalb ist es auch für mich immer sehr spannend, wenn Zuschauer über die eine oder andere Komposition sprechen möchten. Ich lerne dabei viel für mich selbst, denn oftmals weiß ich eigentlich selbst nicht so genau, weshalb ich etwas Bestimmtes gemacht habe.

Kannst du in solchen Fällen eine musikalische Weiterentwicklung bei dir erkennen? Bemerkst du Unterschiede zwischen bestimmten Phasen deines Songwritings?

Ja, die erkenne ich tatsächlich, allein schon, weil ich in den zurückliegenden 10 bis 15 Jahren Phasen hatte, in denen ich total besessen war von Guthrie Govan, oder mich für den rhythmischen Aspekt von Periphery begeistert habe. In solchen Phasen habe ich anders gespielt und auch die Drums anders programmiert, als ich es heutzutage mache.

Einige Fragesteller schienen sich besser mit deinem Songmaterial auszukennen als du selbst.

Für mich gilt: Wenn ich ein Projekt oder was auch immer abgeschlossen habe, ist es aus meinem Kopf verschwunden. Mein Blick ist stets nach vorne gerichtet, fast nie zurück. Meine größte Leidenschaft ist das Komponieren und Produzieren neuer Songs, und wenn etwas vollendet ist, suche ich sofort die nächste Herausforderung. Natürlich höre ich mir dann und wann auch mal Aufnahmen an, die ich vor fünf oder zehn Jahren gemacht habe. Mitunter bin ich dann überrascht, wie ich zu bestimmten Zeiten gespielt habe, denn mein Stil ändert sich unablässig.

Du hast heute mehrfach deine größten Vorbilder erwähnt, also John Petrucci, Joe Satriani, Steve Vai und Periphery.

Joe Satrianis Spiel ist absolut einzigartig. Er hat ein unnachahmliches Laid-Back- und auf gewisse Weise bluesiges Feeling, während John Petruccis Stil diesen epischen, schwebenden Charakter besitzt. Ich liebe, wie man bei unfassbar vielen Künstlern etwas Einzigartiges entdecken kann.

Macht es diese Tatsache jungen Gitarristen aber nicht besonders schwer, ihren eigenen künstlerischen Fingerabdruck zu entwickeln?

Die Sache ist folgende: Ich liebe es zu komponieren, und dafür setze ich mein Instrument als Hilfsmittel und Werkzeug ein. Wenn ich im Internet surfe, finde ich auf Instagram oder YouTube unfassbar viele junge, häufig gerade mal 15- oder 16-jährige Gitarristen, die über eine faszinierende Technik und eine schwindelerregende Geschwindigkeit verfügen. Aber Songs zu komponieren und etwas Eigenes zu kreieren, ist noch einmal eine völlig andere Sache. In allen Epochen der Musikgeschichte haben sich die wirklich großen Musiker weniger durch ihre Fingertechnik, sondern mehr durch ihre einzigartige Kreativität und ihr Songwriting ausgezeichnet. Es gibt auf dieser Welt genügend Platz für alle Gitarristen, die einfallsreich sind und etwas Neues entwickeln und nicht nur reproduzieren.

Songwriting ist für dich also das höchste Gut, nicht die Technik?

Natürlich hilft einem eine gute Technik dabei, sein Songwriting zu verfeinern und es noch interessanter zu gestalten. Und natürlich gab es in meiner Lebensgeschichte auch Phasen, in denen ich mich gezielt mit neuen Techniken und alternativen Spielweisen auseinandergesetzt habe. Trotzdem stand am Ende meiner Recherche immer ein noch variantenreicheres Songwriting.

Wie hat es bei dir angefangen? Als kleiner Junge mit einer Kindergitarre, auf der du erste Beatles-Akkorde geschrammelt hast? Dein Vater war auch Musiker, nicht wahr?

Mein Vater hat Kontrabass gespielt, ist heute allerdings weitestgehend im Ruhestand. Meine Mutter war ein riesiger Musikfan, durch sie lernte ich unter anderem Michael Jackson, Cream, Led Zeppelin oder eben auch die Beatles kennen. Mit etwa neun Jahren bekam ich meine erste Akustikgitarre, lange bevor es kinderleicht wurde, eigene Aufnahmen mit dem Computer zu machen. Also bediente ich mich einer etwas aufwändigeren Technik: Ich nahm auf meinem kleinen Kassettenrekorder ein paar Akkorde auf, steckte die Kassette in unsere Hifi-Anlage, spielte sie ab und nahm dazu eine weitere Gitarrenspur in meinem kleinen Rekorder auf. So lernte ich Akkorde mit Melodien zu verknüpfen. Irgendwann tauchten Computer auf, von da an wurde es deutlich einfacher, Ideen weiterzuentwickeln und festzuhalten.

Die Melodie steht bei dir immer am Anfang? Oder eher der Rhythmus?

Ganz eindeutig: der Rhythmus.

Musikalische Anfänge und Equipment-Vorlieben auf Seite 2

Dein allererstes Instrument war das Schlagzeug, nicht wahr?

Ich war gerade erst sechs und liebte die Beatles abgöttisch, ich wollte unbedingt wie Ringo sein. Also schnappte ich mir Töpfe und Pfannen aus unserer Küche und bearbeitete sie mit Löffeln. Das war offensichtlich prägend, denn bis heute achte ich immer dann, wenn ich einen neuen Song höre, zuerst auf den Rhythmus, vor allem auf Snare und Bassdrum.

Du hast im Workshop erzählt, dass deine erste E-Gitarre von Ibanez stammte. Mittlerweile spielst du ausnahmslos Strandberg-Gitarren. Könntest du dein aktuelles Songmaterial auch auf deiner ersten Ibanez spielen?

Oh ja, absolut. Eine gute Gitarre ist eine gute Gitarre, solange sie auch gute Pickups hat. Ich bin da nicht auf eine bestimmte Marke festgelegt. Ich spiele auch Gitarren meiner Freunde und sie spielen meine. Für mich macht es keinen Unterschied. Interessanterweise verliert man seinen eigenen Sound auch dann nicht, wenn man die Gitarre wechselt.

Wie muss eine Gitarre beschaffen sein, damit du dich damit wohlfühlst?

Ich mag leichte Modelle, denn wenn man über Stunden spielt, ist ein zu hohes Gewicht hinderlich. Ich suche nach einer ganz bestimmten Resonanzfähigkeit, die ich bei den meisten Strandberg-Gitarren gefunden habe, diese Obertöne, diese extra Harmonien, die von ganz allein entstehen. Strandberg-Gitarren haben einen ganz eigenen Charakter, das mag ich an ihnen.

Du hast also nie Les Pauls, Strats oder Teles gespielt?

Nein, nicht wirklich. Ein guter Freund, mit dem ich in meiner Jugend oft gejammt und Sachen von Queens Of The Stone Age oder Mastodon gecovert habe, besitzt eine Les Paul Junior, aber ich fand, dass es damit weniger Spaß macht als mit einer Ibanez oder irgendeiner anderen Super-Strat.

Weil?

Die Les Paul entspricht nicht meinem Spielstil, ich stehe auf leichtere Modelle, auf die dünneren Metal-Gitarren.

Aber immer mit Humbucker, nie mit Single Coils!

Bislang ausnahmslos Humbucker, allerdings habe ich kürzlich begonnen, gelegentlich auch mal mit Single Coils zu experimentieren.

Überraschenderweise hast du vorhin deinem Publikum erklärt, dass du mit 7- und 8-Saitern nur wenig anfangen kannst.

Viele sind verblüfft, wenn ich es erzähle. Das Griffbrett bei 7- und 8-Saitern überfordert mich. Für mich ist es auf einer 6-saitigen Gitarre einfacher, mich zu orientieren. Es wäre in etwa so, als wenn man einem Schlagzeuger, der normalerweise drei Toms gewohnt ist, plötzlich über zehn spielen lassen würde. Auch er würde vermutlich zu häufig über sein Spiel nachdenken, anstatt rein intuitiv zu agieren. 7- und 8-Saiter fühlen sich nicht wie die natürliche Verlängerung meines Arms an. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich dies ja noch einmal. Ich arbeite daran.

Ist der Unterschied tatsächlich so groß? Muss man das Gitarrenspielen neu lernen, wenn man ein oder zwei Saiten mehr hat?

Ich denke, es sollte nicht so sein, zumal sich bei mir Musik sowieso in der Mitte des Griffbretts entwickelt und ich eigentlich nur überlegen muss, ob es höher oder tiefer geht, aber nicht wie viel höher oder tiefer ich etwas spielen könnte. Alles oberhalb einer 7-saitigen Gitarren überfordert mein Hirn.

Spielst du im Studio mit Röhrenamps oder vertraust du ausschließlich auf Plugins? Was ist mit Soundeffekten?

Ich nehme alles über Plug-ins auf, inklusive aller Effekte, die ich benötige. Ich recorde mit einem D.I.-Signal und schicke das Resultat zu meinem Mischer Simon, der entweder die gleichen Plug-ins verwendet oder das trockene Signal über einen der Röhrenverstärker seines Studios reampt.

Weißt du, um welche Amps es sich konkret handelt?

Simon hat einen Peavey 5150, einen Marshall JVM und einen Yamaha-Combo, den er erst kürzlich in einem kleinen Musikgeschäft entdeckt hat. Er nimmt die Amps immer in seinem Badezimmer auf, deshalb haben sie diesen feucht klingenden Hallsound. Simon liebt es, in seinem Studio die abgefahrensten Dinge auszuprobieren.

Du selbst hast also nur ein kleines Demo-Studio?

Ja, es steht in meinem Schlafzimmer, nur ein Schreibtisch mit einem iMac plus Monitore, das war’s.

Sammelst du Gitarren?

Nicht wirklich. Ich besitze einige Strandbergs, darunter ein paar Prototypen, darüber hinaus versuche ich jedoch, meinen Privatbesitz bewusst klein zu halten.

Verfolgst du ein bestimmtes Ziel als Songschreiber? Zum Beispiel den ultimativen Hit in der Art von Satrianis ‚Summer Song‘?

Ich habe keine konkreten Ziele. Ich denke, der ultimative Smash-Hit gelingt einem sowieso nur rein zufällig. Ich möchte mich einfach weiterentwickeln, Dinge miteinander kombinieren, die ich irgendwo aufgeschnappt habe. Meine Musik ist eine Kombination aus Dingen, die ich selbst mag. Als Jugendlicher habe ich fast ausschließlich Rock und Metal gehört, dementsprechend sind diese Einflüsse bei mir am überzeugendsten. Bei Funk und Soul dagegen habe ich weniger Erfahrung. Wenn ich solche Elemente in meinen Songs unterbringen möchte, bedeutet es für mich harte Arbeit. Aber ich mag das, es sind die Herausforderungen, die einen als Musiker weiterbringen.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

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