Was im Sommer 1950 mit der Vorstellung der Esquire begann, sollte sich für den bis dahin wenig bekannten kalifornischen Elektrotechniker Leo Fender als unglaubliche Erfolgsgeschichte erweisen. Nicht ganz ohne fremde Hilfe, aber mit Durchhaltevermögen und geschäftlicher Weitsicht, hatte er das wegweisende und bis heute wohl erfolgreichste Solidbody-Modell der Musikgeschichte, wenn schon nicht allein erfunden, so doch durchgesetzt.
(Bild: Franz Holtmann)
Leo Fender hat selbst nie Gitarre spielen gelernt, allerdings hörte er gern singenden Cowboys zu und begnügte sich ansonsten mit der Mundharmonika. Sein Hobby war von früher Jugend an die Elektrotechnik und als Twen baute er bereits Amps und Übertragungsanlagen für öffentliche Veranstaltungen.
1939 eröffnete er dann im Alter von 30 Jahren ein Radio- und Schallplattengeschäft in Fullerton, Kalifornien, wo er sich natürlich wieder mit der Verstärkung von Sprache und Musik auseinandersetzte, aber auch Reparaturen aller Art ausführte. Mit Partner Clayton Orr „Doc“ Kauffman, der Violine und Lap- Steel-Gitarre spielte, aber zuvor auch schon bei Rickenbacker an dem Design von elektrischen Gitarren und Pickups gearbeitet hatte, gründete er 1945 die K&F Manufacturing Corporation (Kauffman & Fender), ein Unternehmen, das zunächst kleine Verstärker und profane Hawaiigitarren herstellte, aber auch schon Tonabnehmer für die Elektrifizierung von Gitarren entwickelte.
„Doc“ Kauffman wurde Leos exzessive Arbeitsweise und hohe finanzielle Risikobereitschaft bald zu viel und schon im Februar 1946 trennten sich ihre Wege. „Doc“ bedauerte übrigens seine Entscheidung trotz des späteren Erfolgs der Fender Company nicht: Er sei froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein. Jede Nacht bis elf Uhr, sieben Tage die Woche durchzuarbeiten, hätte ihn eh vorher umgebracht.
Der Workaholic Leo aber ging in die Vollen und gründete umgehend die Fender Electric Instruments Co., für die er abseits des Radiogeschäfts zwei schlichte Werkhallen errichten ließ. Anfangs verfügten die noch nicht einmal über eigene Toiletten. Mit immensem Nachkriegsoptimismus widmete Leo sich fortan dem Design von elektrifizierten Gitarren, die leicht zu fertigen und durch Serienproduktion entsprechend preiswert anzubieten sein sollten. Er roch förmlich den Bedarf für Instrumente, die sich in den immer lauter werdenden Tanzbands noch durchzusetzen vermochten.
Natürlich war er nicht allein auf der Suche nach der zeitgemäßen Gitarre. Hersteller wie Rickenbacker, National, Epiphone oder Gibson hatten ebenfalls die Zeichen der Zeit erkannt und widmeten sich der Elektrifizierung. So radikal wie Leo Fender dachten die Traditionshersteller allerdings kaum. Archtops lediglich mit zusätzlichem Pickup auszustatten, wurde denn auch schon bald als eher halbherzige Lösung erkannt. Les Paul hatte zwar längst seiner zersägten Epiphone Archtop „The Log“ einen soliden Mittelblock verpasst, konnte aber Gibson noch nicht vom Sinn einer in Serie produzierten massiven Gitarre überzeugen.
(Bild: Franz Holtmann)
Leo indes war dem traditionellen Gitarrenbau nicht verhaftet, er ersann so unkonventionell wie pragmatisch eine Modularbauweise, bei der er mit der standardisierten Montage von Parts zum Erfolg kommen konnte. Eher Techniker als Spieler war er aber schlau genug, den Bedürfnissen der Musiker nachzuspüren und sich auch von konstruktiven Ideen in dieser Zeit des Umbruchs inspirieren zulassen. Ein gewisser Paul Bigsby etwa fertigte ganz in der Nähe vom Fender-Standort einige Solidbody- Gitarren von Hand und natürlich sah Leo den Country-Star Merle Travis ein solches Instrument spielen.
Sicher kein Zufall, dass Elemente wie der Kopf mit 6- in-Reihe montierten Mechaniken auch auf Fenders Gitarren-Designs auftauchten und die Bigsby-Kopfplatte vom späteren Stratocaster-Modell zitiert wurde. Auf jeden Fall aber gelang es Leo Fender als erstem Hersteller, mit dem heute als Telecaster bekannten Modell, eine kommerziell erfolgreiche Solidbody-Electric an den Markt zu bringen.
Vom Kanupaddel zum Welterfolg
Die Produktion begann mit wenigen Exemplaren der Esquire mit nur einem Pickup, aber noch ohne Halsstab im April 1950, gefolgt zwei Monate später von einer weiteren kleinen Charge von Esquires mit zwei Pickups. Zunächst hatte man Probleme, die als Kanupaddel oder Schneeschaufel verlachten Instrumente an den Mann zu bringen, aber Leo und seine Mitarbeiter George Fullerton und Dale Hyatt gingen unermüdlich in die Clubs und verkauften viele Instrumente direkt an der Bühne.
Problemen mit der Halsstabilität trat man ab November 1950 mit einem Trussrod entgegen, auch wurde der Name in Broadcaster geändert. Von einer erfolgreichen Serienfertigung in nennenswerten Zahlen kann man aber erst ab Januar 1951 sprechen und auf Einspruch von Gretsch musste der Name nochmals geändert werden. Ab April hieß das Modell offiziell und endgültig Telecaster, obwohl Fender noch ganz in Ruhe seine Broadcaster-Decals aufbrauchte, von Ende Februar bis zum Sommer 51 sogar das Broadcaster noch wegschnitt und lediglich den Fender-Sticker auf die Kopfplatte aufbrachte. Jene Exemplare ohne Namen sind Sammlern als Nocaster-Modelle bekannt.
Spätestens als prominente und virtuose Spieler wie Jimmy Bryant in TV-Shows bis dahin ungehörte Töne aus der Telecaster in die Welt hinaustrugen, konnte man der Nachfrage kaum noch nachkommen. Leo Fender hatte den Durchbruch geschafft und eine Gitarre als Fabrikprodukt durchgesetzt, die dank einfachster Fertigungsmethoden keine ausgebildeten Fachkräfte mehr benötigte und auch auf ausgesuchte Tonhölzer schlicht verzichtete. Ahorn für den Hals und Esche (später auch Erle) als Holz für das Korpusbrett standen in großer Menge preiswert zur Verfügung.
(Bild: Franz Holtmann)
Das hier gezeigte Exemplar von 1957 gehört zu den ‚White Guard‘-Teles (das weiße Pickguard löste das bis Mitte 1954 verwendete schwarze aus Bakelite ab) und hat offenbar ein bewegtes Leben hinter sich. Der Nitrolack fiel in diesem Jahr wohl auffällig dünn und fragil aus, wie sich auch an anderen Exemplaren dieser Zeit ablesen lässt.
Das besondere Merkmal dieses Jahrgangs ist aber die Halsform. Das mehr oder weniger ausgeprägte 57er-V-Format bevorzugte auch Eric Clapton für seine ‚Blackie‘ Strat. Das hier gezeigte Tele-Modell vermittelt darüber ein festes, ungemein komfortables Spielgefühl. Dieser substanzielle Hals trägt aber auch viel zur straffen Schwingungsentfaltung bei.
Obwohl das Gegenteil einer Stradivari – handelt es sich bei der Tele doch um ein rein funktional gedachtes und mit möglichst preisgünstigen Materialien von ungelernten Arbeitern ohne jegliche handwerkliche Erfahrungstiefe seriell zusammengeschraubtes Instrument – ist diese Mutter aller Brettgitarren besonders in ihren frühen Ausfertigungen, aber auch noch mit denen der 60er-Jahre doch zu einem begehrten und teuren Sammlerobjekt geworden.
Aber Obacht: Gerade die modulare Bauweise und die immens hohen Preise haben zur Folge, dass Fälscher mit immer besseren Methoden Fakes verbreiten, die selbst von Fachleuten kaum noch zu enttarnen sind.
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)