Beat, Blues, Rock and more…

Vintage Guitar Stories: 1966 Epiphone Casino

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Das Epiphone Casino-Modell wurde vor allem durch die Beatles populär. George Harrison und John Lennon sind auf vielen Fotos mit ihren Casinos zu sehen, aber auch Paul McCartney besaß eine. Wem das als Referenz nicht reicht, der frage sich, was so unterschiedliche Musiker wie Howlin’ Wolf, Glenn Frey, Keith Richards, Paul Weller, The Edge, Josh Homme oder Gary Clark Jr. in diesem Instrument wohl sahen oder immer noch sehen?

(Bild: Franz Holtmann)

Mit der Epiphone Casino liegt also ohne Frage ein historisch bedeutsames Instrument vor, obwohl es seiner vollakustischen Bauweise wegen gewissen Einschränkungen unterliegt. Die Gitarre bleibt konstruktionsbedingt auf maßvolle Verstärkung angewiesen, um nicht in die Feedback-Falle zu geraten. Dafür hat sie aber auch einen ganz eigenen Charakter, den man durchaus als stilbildend betrachten kann. Obwohl in ihrer Bedeutung keineswegs darauf zu beschränken, wurde die Epi Hollowbody Thinline in den Händen der Beatles zur Definition des knochig trockenen Gitarren-Sounds der englischen 60er-Jahre Beat-Bewegung. Dem Vorbild von John, Paul und George folgten viele und prägten damit den Soundtrack einer ganzen Generation.

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Paul McCartney war der erste Beatle, der 1964 eine Casino erwarb und sie dann auch auf Beatles-Recordings wie ‚Ticket To Ride‘ oder ‚Drive My Car‘ einsetzte. Angeblich suchte er sogar explizit nach einer Feedback-fähigen Gitarre, um seinen Vorbildern aus der schwarzen Blues Community nachzueifern. Er fand ein Exemplar von 1962 in Standard-Ausführung, die er als Linkshänder upside down, also mit den Potiknöpfen oben spielte. George Harrison und John Lennon bekamen ihre Epi Thinlines 1965. Vor allem John machte die Casino schnell zu seiner Hauptgitarre. Schon bald befreite er sie von ihrer Sunburst-Lackierung, wie auf den Videos von ‚Revolution‘, dem ‚Yer Blues‘ beim ‚The Rolling Stones Rock and Roll Circus‘ oder auch dem finalen Roof Top Concert der Beatles auf dem Londoner Apple Building zu sehen ist. George Harrison tat es ihm mit der Entlackung seiner eigenen Bigsby-Version gleich. Die Casino ist aber nicht nur auf berühmten Beatles Recordings wie ‚Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band‘ zu hören, sondern prägte auch den Sound der Rolling Stones. Der junge Keith Richards setzte ein frühes Modell bei Aufnahmen der ersten Stones-Platten ein. Die Liste von Meilenstein-Produktionen lässt sich beliebig fortsetzen, darunter auch das berühmte ‚Pet Sounds‘-Album der Beach Boys, Carl Wilson an der Casino.

Aber auch wenn wir die prägenden 60er-Jahre hinter uns lassen, finden wir die Epiphone Hollowbody immer noch in den Händen vieler wesentlicher Musiker. Paul Weller ist kaum von seiner Casino zu trennen, Noel Gallagher hat sie mit Oasis auf die Bühne genommen, U2s The Edge besitzt zwei Casino-Modelle von 1962 und 1964 und, um nach Amerika zurückzukehren, auch Josh Homme setzt die Epi Hollowbody gelegentlich ein, aber vor allem hat Gary Clark Jr. die Casino mit seinem Hochspannungs-Blues wieder stark zurück ins Licht der Öffentlichkeit gebracht, aus dem sie prinzipiell aber nie ganz verschwunden war.

Beat, Blues, Rock and more…

Die altehrwürdige Firma Epiphone, von Gibson gegen Mitte 1957 übernommen und mit allem Inventar nach Kalamazoo umgezogen, wartete bereits 1958 mit einem recht umfassenden Programm an akustischen und elektrischen Gitarren auf. Die Epiphone-Designs wurden großteils in Form und Stil den Gibson-Modellen angenähert, lediglich das Hollowbody-Modell Broadway erinnerte noch andeutungsweise an die famosen Archtops der großen Epiphone-Zeit.

Die Epi Thinline Casino wurde 1961 in ihrer teuersten Version mit Bigsby zu einem Preis von $ 314,50 in den Farben Sunburst und Royal Tan Finish eingeführt und entspricht in so gut wie jeder Hinsicht der ebenfalls vollakustisch gebauten Gibson ES-330 mit P-90 Singlecoil ‚Dog Ear‘ Pickups.

(Bild: Franz Holtmann)

Zur Einführung verfügte das Epi-Modell noch über Dot Inlays im Griffbrett, schwarze Pickup-Kappen, ein Tortoise Pickguard und das metallene Epiphone ‚Bikini’-Logo auf der anfangs noch breiten, später konisch schlank gestalteten Kopfplatte. Ab 1962 sehen wir dann schon die bekannten Parallelogramm Inlays, vernickelte Pickup-Kappen und ein weißes Pickguard. Ab 1965 wird die Hardware verchromt und ab Ende 1966 ist auch die Farbe Cherry Red optional zu haben. 1970 wurde die Produktion eingestellt.

Das hier dargestellte Modell in Cherry Red Baujahr 1966 ist abgesehen von getauschten Tunern und Erneuerung der Bundierung in einem hervorragenden Originalzustand. Es verfügt über den kurzen Hals mit Hals/Korpusansatz im 16. Bund und die für fast alle E-Gitarren aus dem Hause Gibson nach 1965 geltende geringe Sattelbreite von 40 mm, aufsteigend auf 44,5 mm im 5. Bund und damit doch ganz ordentlich spielbar. Wegen des frühen Übergangs vom Hals in den Korpus fühlen sich diese Gitarren immer etwas kurzhalsig an, sind aber ansonsten lässig zu handhaben. Elektrisch klingt die Casino über ihren Hals-Pickup gespielt sehr volltönend und fast schon basslastig. Ansonsten hören wir einen fabelhaft trockenen Ton, der sehr schön holzig rüberkommt. Der P-90 in Stegposition ist dagegen leicht bissig und schnappt gut zu. In beiden Positionen lässt sich der bestens ansprechende, gut vorn stehende Ton mit Finger und Plektrum optimal formen.

Das hat auch der unerschrockene Gary Clark Jr. in den letzten Jahren immer wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Was er der Epi Casino an tollen, auch krassen Sounds jenseits allzu gepflegter Blues-Seeligkeit abgewinnen konnte, zeigt die quasi zeitlose Bedeutung der guten alten Thinline-Epiphone. Dabei spielt Gary nicht einmal ein Vintage-Instrument, sondern die billige, etwas überarbeitete asiatische Version aus dem Baujahr 2007. Die teuersten sind natürlich die frühen Casino-Modelle, für die gerne € 7.000 und mehr aufgerufen werden, Ausfertigungen aus der zweiten 60er-Hälfte mit schmalem Hals lassen sich dagegen schon ab etwa € 4.000 finden.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

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