Ulrichs Equipment ist übersichtlich. Seine Hauptgitarre ist eine 1955 Gretsch Duo Jet, mit einem festgestellten Bigsby, die er von einem Kubaner, der auf dem East River in einem Hausboot wohnte, geschenkt bekam: „Man kann heute noch den Rost an einigen Stellen sehen“. Hinzu kommen eine 1960er Silvertone U2, eine Fifties-Airline-Lapsteel, eine 1965er Telecaster und eine 1963er Harmony Rocket. Für tiefere Töne nutzt Ulrich eine Danelectro Baritone oder eine Eastwood Sidejack.
Live setzt er auch zwei Customgitarren von Mehmet Dogu ein. Teilweise kommt eine spezielle Stimmung zum Einsatz: DADFAD, ein offenes D-Moll-Tuning, das typisch für viele Big-Lazy-Songs ist. Gespielt werden diese Gitarren über Carr-Amps. Im Studio kommen auch Vintage-Modelle wie ein 1963 Gibson Falcon oder ein 1940er Silvertone Model 1430 sowie ein 1964 Blackface Super Reverb zum Einsatz.
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Effekte setzt Ulrich nur selten ein. Die Verzerrung im Studio kommt meist vom Amp, der klassisch mit Mikro aufgenommen wird. Live sorgt ein Klon Centaur für leichten Crunch. „Damals fand ich den Preis von 250 Dollar überteuert (lacht), aber es klingt sehr transparent. Wie ich nach ein paar Drinks … “ Tremolo und Hall kommt vom Amp, ein Ernie-Ball-Volume-Pedal wird für Swells eingesetzt, und ein Boss- oder MXR-Carbon-Copy-Delay sorgen für Slapback-Echo.
PLAY IT!
Um einen Einblick in Stephens Stil zu geben, habe ich ein paar Songs seiner letzten beiden Alben transkribiert.
Beispiel 1 ist das Solo aus dem Song ‚Handheld‘. Über die I-IV-V-Akkordfolge in F-Moll nutzt Ulrich oft spannungsreiche Töne wie die maj7 und große Sexte über den F-Moll-Akkord und spielt gerne mit Leersaiten, was einen speziellen Sound ergibt.
(zum Vergrößern klicken!)
Beispiel 2 ist eher kompositorisch interessant. In den ersten acht Takten orientiert sich die Melodie auf jazzige Art an den Akkorden und landet immer auf einem Akkordton, den Ulrich mal chromatisch, mal mit der Tonleiter umspielt.
Im zweiten Teil des Songs erfolgt ein Tonartwechsel nach C#m/E-Dur, der melodisch so geschickt gemacht ist, dass es beim ersten Hören gar nicht auffällt. Die Melodie baut auf eher langen Tönen auf, hinzu kommen einige Hendrix-artige Fills. Clever ist auch die Rückführung zu F-Moll, bei der derselbe Lauf verwendet wird, der vorher zu C#-Moll führt (Takt 24 und 32), nur eben in der neuen Tonart.
Beispiel 3 und 4 erforschen eher die tiefen Register der Gitarre.
Beispiel 4 ist auf einer auf B gestimmten Baritone-Gitarre gespielt, klingt also in B-Moll, funktioniert aber auch in E-Moll. Auch hier verzahnen sich Bass, Gitarre und Drums gut ineinander, und durch die Snare auf der Zählzeit 4 entsteht eine ungewöhnliche Betonung. Reinhören lohnt sich also, denn die Musik des New Yorker Gitarristen bietet viele ungewöhnliche Grooves und Stimmungen, abseits des gitarristischen Mainstreams. Ich wünsche viel Spaß beim Nachspielen und Entdecken!
Einer meiner momentanen Lieblings-Gitarristen – bin positiv erstaunt, HIER über ihn zu lesen, nachdem er in Europa ziemlich unbekannt ist…