„Was auch immer ich entwerfe, es darf das originale Instrument nicht ramponieren, ich würde einer Gitarre niemals Schmerzen zufügen.“

Trevor Wilkinson im Interview: Ein Leben für die Hardware

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(Bild: Matthias Mineur)

Den Engländer Trevor Wilkinson einen Gitarren-Hardware-Guru zu nennen ist sicherlich keine Übertreibung. Die Bandbreite seiner Erfindungen und Weiterentwicklungen umfasst unter anderem Mechaniken, Vibrato-Systeme, Tonabnehmer, Hardtails, Bass-Brücken, Sattel und vieles mehr. Seinen wohl größten Coup landete er 1986: Wilkinson erfand die legendäre Roller Nut, die entscheidend zur verbesserten Funktionalität von Vibrato-Systemen beitrug, und lizensierte seine Erfindung an Fender.

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Heute, fast 40 Jahre später, darf sich der 75-Jährige rühmen, dass viele Wilkinson-Teile von namhaften Instrumentenherstellern übernommen wurden und zahllose Musiker ihre Gitarren mit Wilkinson-Hardware aufgerüstet haben. Erwähnenswert ist auch die so genannte ADT Self-Tuning Bridge, die Wilkinson zum ersten Mal 2010 auf der Super-Matic-Gitarre seiner Firma Fret King vorgestellt hat. Fret King wurde 1990 gegründet und hat sich neben originalgetreuen Nachbauten legendärer Instrumente der Fünfziger auch auf eigene Neukreationen mit ungewöhnlichen Formen spezialisiert. 2008 wurde die Firma vom Instrumentenvertrieb JHS (John Hornby Skewes) übernommen, 2018 schied Wilkinson bei JHS aus und arbeitet für Skewes seither projektbezogen als Berater. Wir haben Wilkinsons Anwesenheit beim 2024er Guitar Summit in Mannheim dazu genutzt, um einiges mehr über die Lebensgeschichte des ebenso genialen wie auskunftsfreudigen Technik-Nerd zu erfahren.

INTERVIEW

Trevor, gibt es eigentlich eine plausible Erklärung, weshalb du schon als junger Mann zum Gitarren-Nerd geworden bist?

Ich wurde 1949 in der Nähe von Liverpool geboren, wuchs in einer wundervollen Zeit auf und sah schon in den frühen Sechzigern die Beatles. Mein Vater spielte Ukulele und brachte auch mir das Spielen bei. Bereits in den späten Fünfzigern entdeckte ich Hank Marvin, den späteren Gitarristen von The Shadows, der automatisch den Wunsch in mir weckte, meine Ukulele zu elektrifizieren. Also trennte ich ihre Rückseite mit einem Messer auf und versuchte, eine Telefonsprechmuschel einzubauen und sie mit unserem Grundig-Radio zu verbinden. Natürlich funktionierte das nicht, aber es war der Beginn meiner Kreativität. Anschließend sparte ich Geld für meine erste E-Gitarre, eine Futurama II mit zwei Pickups. Mit zwölf hatte ich meine erste eigene Band und tauschte die Futurama II gegen eine Burns Sonic. Da es mit der eigenen Musik aber nicht so richtig voranging, studierte ich an einer Kunstschule Grafik und Design. 1965 entschied ich mich, eine eigene Gitarre zu bauen, eine Art Telecaster aus orangenem Plexiglas, die ich übrigens bis heute besitze. Anschließend habe ich für einige Jahre das Metier gewechselt und in der Automobilbranche gearbeitet.

Es heißt, dass du 1980 den Spaß an Autos verloren hattest und nach Australien ausgewandert bist.

Das stimmt, ich wollte mich wieder mehr um Instrumente kümmern. In Australien traf ich Alan Entwistle, den späteren Pickup-Guru, der gerade einen eigenen Laden eröffnet hatte. Alan stellte mich ein, für ihn reparierte und baute ich Gitarren. Ende der Siebziger waren die ersten Floyd-Rose-Systeme auf den Markt gekommen, sie hatten aber noch kein Finetuning und waren daher kaum alltagstauglich. Die frühen Floyd-Rose-Systeme verursachten mehr Probleme als Lösungen und verstimmten die Gitarre schon nach weniger als zwei Minuten. Außerdem musste man, wenn man ein Floyd-Rose-Vibrato beispielsweise auf eine 62er Fender Stratocaster draufschrauben wollte, neue Fräsungen in die Gitarre machen. Das war mir immer ein Gräuel, ich finde, man darf diese edlen Gitarren nicht ramponieren. Also fing ich an, nach einer Lösung zu forschen, und erfand die Roller Nut, mit der sich Verstimmungen verhindern lassen. Allerdings waren Alan und ich mit der Vermarktung der Roller Nut in Australien am falschen Ort. Also gingen wir 1984 nach Anaheim in Kalifornien. Gleich am ersten Abend, unmittelbar nachdem wir dort gelandet waren, lernte ich im Hotel Wayne Charvel kennen. Wayne liebte meine Ideen, von da an ging alles Schlag auf Schlag.

Deine Aversion gegen das Ramponieren von Gitarren zieht sich wie ein roter Faden durch deine Karriere, nicht wahr?

Ich hasse es, wenn eine Modifikation nicht zu einer Gitarre passt. Was auch immer ich entwerfe, es darf das originale Instrument nicht ramponieren, sei es eine 1958er oder 1962er Vintage Strat, eine moderne Strat mit zwei Pickups und Vibrato, ich würde einer Gitarre niemals Schmerzen zufügen.

Hardware-Legende: Trevor Wilkinson bei seinem Workshop auf dem Guitar Summit 2024 (Bild: Stefan Braunschmidt)

Hattest du damals bereits einen Vertrieb?

Ich hatte mit der originalen Roller Nut sogar einen recht guten Vertriebsdeal und konnte innerhalb kurzer Zeit 6000 Stück davon verkaufen. Doch eigentlich musste ich direkt an die Händler ran, denn ich stellte schnell fest, dass meine Ideen in Gitarren verbaut sein und bei den Händlern an der Wand hängen müssen, um wirklich das Interesse der Käufer zu wecken. Also klapperte ich die Händler ab, baute an Ort und Stelle die Roller Nut in eine Vorführgitarre ein und kontrollierte ein paar Wochen später die Resonanz. Leider hieß es dann zumeist: „Nun, die Teile werden uns nicht gerade aus der Hand gerissen.“ Ich fragte: „Und was ist mit dem Vorführmodell passiert?“ Die Antwort: „Das haben wir schon am nächsten Tag verkaufen können.“ Ich darauf: „Soll ich euch weitere Gitarren mit der Roller Nut ausstatten?“ Die Reaktion: „No!“ Natürlich frustrierte mich das. Also rief ich Anfang 1986 bei Fender an und ließ mich zu Dan Smith durchstellen. Dan war der Typ bei Fender, ein unfassbar netter und kompetenter Mann. Er lud mich zu sich ein und testete meine Roller Nut. Dann sagte er zu mir: „Dich schickt der Himmel! Wir entwickeln gerade die Strat Plus mit Sperzel-Locking-Tuner und einer neuen Bridge von George Blanda, aber ich bekomme das verdammte Ding nicht gestimmt. Wenn du uns die Rechte an deiner Erfindung exklusiv gibst, kommen wir ins Geschäft.“ Doch das ging leider nicht, da ich ja einen Vertriebsdeal abgeschlossen hatte. Also änderte ich die Original-Roller-Nut passgenau auf die neue Strat Plus – man konnte sie damals sofort auf dem gelben Prototyp der Jeff Beck-Gitarre sehen, die Jeff in Japan spielte und aus der 1990 die Jeff Beck Signature wurde – und gab die Rechte daran per Handschlag-Deal an Fender.

Würdest du dich eigentlich als Gitarrensammler bezeichnen? Man munkelt, dass bei dir zuhause einige sehr exklusive Instrumente lagern.

In meinem Büro hängen die Wände damit voll, und privat sind es – wie ich oft im Scherz sage, was im Kern aber wahr ist – viele Modelle mit Ideen, die es nie zur Serienreife geschafft haben. Aber ich besitze unter anderem eine der ersten Gitarren aus der Strat-Plus-Serie, mit einem Purple-Finish, die für Jeff Beck gebaut wurden, mit einem ultradicken Hals, so wie Jeff ihn wollte, die sich aber nicht gut verkauft hat. Als Fender mir diese Gitarre freundlicherweise schenkte, lief ich mit ihr durch den Custom Shop und traf dort ihren Designer Jay Black. Jay fragte mich: „Was hast du denn da in dem Koffer?“ Ich öffnete das Case, er sagte: „Oh, wie wunderschön“, stand auf, lief zu einem Schrank, griff nach einer kleinen weißen Schachtel und holte für mich das originale Schlagbrett heraus, das sie Jeff Beck geschickt hatten, um es sich für sein Signature-Modell freigeben zu lassen. Jay sagte: „Ich möchte, dass du dieses Pickguard bekommst“. Natürlich habe ich es sofort in meine Strat Plus eingebaut.

Gibt es trotz der vielen erfolgreichen Weiterentwicklungen, an denen du beteiligt warst, auch Nieten, also Erfindungen, die nicht funktioniert haben?

Wie alles im Leben kommt es immer auf das richtige Timing an. Wie ich schon sagte: Hätte es schon damals das Internet gegeben, so dass ich einen direkten Kontakt zu den Musikern gehabt hätte, wären die Verkäufe meiner Produkte womöglich explodiert. Insofern würde ich sagen: Nichts, woran ich beteiligt war, war eine Niete im eigentlichen Sinne, aber nicht alles hat oder hätte sich gut verkauft und ist somit manchmal nur eine Idee geblieben. Ich war der erste, der bei Bass-Brücken mit Aluminium- anstelle von Messingteilen experimentiert hat, weil sie großartige Resonanzen erzeugen. Vermutlich erinnerst du dich daran: In den Achtzigern war alles aus Messing, aber nur deshalb, weil es einfach zu verarbeiten war und jeder erzählte, dass Messing am besten klinge. Aber das stimmte schon damals nicht. Bis heute ist die beste Brücke die Two-Saddle-Bent-Steel-Plate-Bridge des 56er Transitional Fender Precision. In meiner Sammlung gibt es einen davon, er gehörte früher dem Canned-Heat-Bassisten Ronny Shumake. Ich bedauere oft, wie wenig Aufmerksamkeit generell der Hardware eines Instruments gewidmet wird. Am Schnittpunkt zwischen Korpus und Saiten entscheidet sich das Sustain einer Gitarre oder eines Basses, da stimme ich mit Paul Reed Smith überein, auch wenn wir sonst manchmal unterschiedlicher Meinung sind. Aber die Brücke ist ein entscheidendes Teil, deshalb habe ich damals die erste VS-100 Bridge entwickelt, die mittlerweile oft Vorlage für Konkurrenzprodukte geworden ist. Aber das stört mich nicht, Konkurrenz belebt das Geschäft, und am Ende profitieren alle Musiker davon. Und so sollte es ja auch sein!


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Guter Mann. Habe schon einige Wilkinson Teile verbaut, um meine Gitarren zu verbessern, inklusive Pickups. Zudem alles zu erschwinglichen Preisen, ehrlich kalkuliert ohne Wucheraufschlag, wie es bei vielen anderen Firmen der Fall ist.

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  2. Mr.Trevor Wilkinson hat zweifellos diverse prima Hardwareteile für uns Gitarristen/-*innen kreiert,-das ist Fakt! Einzig seine winzig kleinen schwarzen Linsenförmigen Schräubchen mit Mini-Inbus und Kurzgewinde für die manuelle Intonation,-bzw. Einstellung der Reiterchen an der Wilkinson Hardtail-Bridge sind meiner Erfahrung nach,wirklich extrem fummelig,und die Schwierigkeit,einen exakt passend und brauchbaren Inbus-Steckschlüssel im Miniformat zu finden,nervte mich damals bereits ganz erheblich! Aber,Schwamm drüber,ansonsten sind Original Wilkinson Hardwarekomponenten durchaus gut. Die besagte Wilkinson Hardtail-Bridge aus den U.S.A. war damals werksseitig auf einer meiner alten Starfield Altair Custom Electric Guitar/made by Ibanez (handbuilt in Japan/America!) montiert. Heute zählt diese besagte Starfield E.-Guitar im Originalzustand mittlerweile zu den echten Raritäten. Wer noch eine solche Starfield Custom besitzt,wird sie niemals hergeben.

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