Torsten Scholz: Der Handwerker-Typ und die Pop-Rock-Band
von Niki Kamila, Artikel aus dem Archiv
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Für die Lokalpresse sind sie „Berlins Beste“, die Fans nennen sie liebevoll „Beatbuletten“ und laut Eigendefinition sind sie 5 „erfolgshungrige Vollpfosten“. Fakt ist: das Post-Punk-Rock-Quintett Beatsteaks kehrte 2011 nach dreijährigem Zwischenstopp mit einem neuen Album namens ‚Boombox‘ zurück. Torsten Scholz über lustige Remixe, überzeugte anderer-Leute-Meinungresistenz, Plattenaufnehmen im Übungsraum und seine Handwerkeraxt.
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Schön, wer gute Freunde hat. Und prominente dazu. Farin Urlaub von der Berliner Band Die Ärzte zollte den Kollegen bereits im Song ‚Unrockbar‘ mit folgender Zeile Tribut: „Wie kannst du bei den Beatsteaks ruhig sitzen bleiben / wenn dir doch Schlagersänger Tränen in die Augen treiben?“ Der Beginn einer echten Musikerfreundschaft. So ist erklärlich, dass es sich der Oberarzt auch nicht nehmen ließ, einen Pressetext für die Beatsteaks zu schreiben, in dem er über deren ‚Boombox‘ schwärmt: Das Album sei eine „äußerst attraktive junge Frau mit Drei-Tage-Bart und lässig über die Schulter gehängter AK47.“ Alles klar?
Mit irgendetwas scheint ihr den Nerv der Fans zu treffen. Was könnte das sein? Denn ihr erfindet das Rad ja nicht neu …
Torsten Scholz: Auf keinen Fall. Im Gegenteil! Ich denke wir klauen uns ganz clever durch die Jahrzehnte. Es klingt abgedroschen, aber wir machen uns nicht mal ansatzweise einen Schädel, was die Leute da draußen von unserer Platte halten. Wir machen sie so, wie wir fünf sie gut finden. Und wenn wir nach der letzten Note mit geschwellter Brust sagen können, „Wie geil!“, dann bin ich völlig resistent gegenüber anderen Meinungen.
Ehrlich?
Torsten Scholz: Na gut, wenn deine Freundin sagt, dieses oder jenes Lied gefällt ihr nicht, will man gleich diskutieren. Aber wenn wir fünf es gut finden, sind wir uns sicher, dann gefällt es denen da draußen meistens auch. Frag mich nicht, woran das liegt! (lacht) Oder vielleicht doch? Meiner Meinung nach liegt es daran, dass wir den besten Sänger, den besten Schlagzeuger und die besten Gitarristen dieses Landes haben! (grinst)
Ihr stellt euer Album derzeit live in kleinen Clubs vor. Wie fühlt sich das neue Werk an?
Torsten Scholz: Wir haben noch mit einigen Songs zu arbeiten. Es gibt Lieder die spielt man und – Bumm! – stehen die. An anderen schraubt man lange, da gibt’s noch viel zu tun.
Zum Beispiel?
Torsten Scholz: Wir haben mit ‚Let’s See‘, einem Reggae-Stück, noch Schwierigkeiten. Aber das kommt. Bockig ist auch die Single ‚Milk & Honey‘. Da kann sich niemand so recht hinter irgendwas verstecken, man hört jedes Instrument deutlich raus. Wenn du nur wenige Noten spielst, müssen die sitzen. Das ist ultraschwer, wenn es auch noch grooven soll. Darin besteht die Schwierigkeit. Bombensicher sitzen natürlich Nummern die auf die „12“ gehen wie ‚Behavior‘: ein typischer Beatsteaks-Song.
Ihr sagt die ‚Boombox‘ fühle sich wie ein Neustart an. Wieso?
Torsten Scholz: Weil wir nach dem letzten Studioalbum eine Pause gemacht haben, die länger und komplizierter war, als wir uns das gedacht haben. Wir haben bisher nie eine Pause oder Urlaub gemacht. Und nach der Tour 2008 mit dem Wuhlheide-Konzert war dann die Luft raus. Der Bock war nicht mehr da. Wir waren nicht mehr so am Start wie es hätten sein müssen. Da dachten wir, es sei besser eine Pause einzulegen. Die hat dann ein bisschen gedauert, weil wir alle mit privatem Kram beschäftigt waren, der meist schön, mitunter aber auch nicht so schön war. Ich bin Papa geworden, bei anderen musste Zeit ins Land gehen, damit sie mit ihren privaten Schwierigkeiten wieder klarkamen. Aber als wir uns dann wieder trafen, fühlte es sich gleich gut an.
Ihr habt bis auf einen Song (‚Access Adrenalin‘) diesmal nicht in einem Studio, sondern in eurem Übungsraum – eben der ‚Boombox‘ – aufgenommen. Warum?
Torsten Scholz: Wir sind anfangs ins Studio gegangen, wie man das immer so macht, zusammen mit unserem Produzenten und einem Stamm an Menschen, die halt mit uns arbeiten. Wir haben dort sechs, sieben Songs aufgenommen und die dann mit unseren Demos verglichen. Und irgendwann hat Arnim (voc/g) das ausgesprochen was alle dachten: dass es irgendwie nicht so geil ist. Eigentlich absurd: Einer kommt mit einem Demo in den Übungsraum, dann versuchen alle den Song zu spielen, um daraus ein neues Demo zu basteln, um dann ins Studio zu gehen und es dort noch einmal einzuspielen.
Also haben wir uns gefragt, ob wir nicht besser gleich im Proberaum aufnehmen sollten. Es gab dann ganz verschiedene Herangehensweisen, von der direkten Proberaumnummer zu der Arnim gesungen hat und die sofort fertig war, bis hin zum wirklich heftig erarbeiteten Song. Unser Produzent Moses (Schneider, u.a. Tocotronic, Seeed, Fehlfarben, Suzie van der Meer) hat jedenfalls immer die Hand auf dem roten Knopf gehabt und fleißig mitgeschnitten.
Und welchen Anteil hat jetzt Moses Schneider an diesem Album?
Torsten Scholz: Er hat sich bei diesem Album vom Produzenten zum Executive Producer gewandelt. Als wir den Schritt vom Studio zurück in den Proberaum vollzogen, war klar, dass sich Moses eher als Executive Producer darum kümmert, dass wir halbwegs amtliches Equipment und eine Pro-Tools-Version da hatten, außerdem hat er sich intensiv mit der Mikrofonierung beschäftigt und uns sehr geholfen, diesen Proberaum-Sound einzufangen. Die Produzenten-Psychologie kam diesmal eher aus der Ecke (von Sänger Arnim) Teutoburg-Weiß, und Moses war derjenige, der am Ende gesagt hat: „So ist gut, lasst mal das hier!“ Und er hat den Song an seinem Rechner fertiggemacht, für den Mix von Nick Launay.
Durch Nick Launay (Nick Cave, Talking Heads, Yeah Yeah Yeahs!) soll das Album einen internationalen Schliff kriegen. Seid ihr reif für den Rest der Welt?
Torsten Scholz: Wäre toll, wenn es im Ausland ähnlich klappen würde wie in Deutschland. Wobei man sich da wenig Illusionen hingeben sollte. Grundsätzlich ging es uns darum, eine Beatsteaks-Platte zu machen die einfach nur klingt. Wenn man beim Auflegen in Clubs unsere Platten im Vergleich hört, finde ich immer, dass die so ein bisschen geschwächelt haben. Diesmal sind wir zum ersten Mal an einem Punkt wo wir finden, dass diese Platte mithalten kann. Wenn du zum Beispiel ‘ne Grinderman-Platte hörst, die springt dich ja förmlich an!
Nur im Gegensatz zu Nick Cave klingt ihr, als hätte ihr ‘ne Menge Spaß bei den Aufnahmen gehabt.
Torsten Scholz: Komm, gerade Caves Grinderman-Sachen klingen doch auch nach Spaß …
Kommen wir zum Equipment: Was hast du benutzt?
Torsten Scholz: Lustig – ich kann jetzt eigentlich erzählen was ich will – denn bei dieser Platte hat Nick Launay fast immer das Scheiß-D.I.-Signal von mir verwendet und daraus seinen Krempel gebastelt. (lacht) Am Anfang hat mich das ein bisschen geärgert. Aber das Ergebnis gibt ihm Recht. Klingt alles super. Ich habe einen Sansamp Bass Driver von Tech21 als D.I.-Box benutzt, das mache ich immer live um das Signal ein bisschen anzufetten. Sonst spiele ich einen Ampeg-SVT-Amp aus den Sechzigern und alternativ einen 400er Marshall über eine 8×10“-Ampeg-Box. Dazu spiele ich Sandberg-Bässe. Die haben mir irgendwann mal zwar nicht konkret ein Signature-Modell gebaut, aber schon meine Vorstellungen gut umgesetzt.
Was denn konkret?
Torsten Scholz: Ich spiele einen California in der Jazz-BassVersion mit zwei Single-Coils. Allerdings nicht mit den klassischen Pickups von denen, sondern ich hab mir Seymour-Duncan-Hot-Vintage-Pickups einbauen lassen; die haben etwas mehr Output. Alle Saiten müssen gleich laut abgenommen sein, es muss überall Druck da sein, gerade wenn man mal über den Hals wandert, das ist mir wichtig. Mein Bass hat einen Erlekorpus und einen Ahornhals, alles ist ein bisschen schwerer. Das hat sich für mich als praktikabel erwiesen. Eigentlich ist das ‘ne Axt! (lacht) Mein Bass muss was aushalten. Ich bin schon eher der Handwerker-Typ.
Hast du so etwas wie ein Sound-Ideal?
Torsten Scholz: Ja. Das ist und bleibt mein Ampeg SVT von 1964, den ich mir noch zu D-Mark-Zeiten für 1.700 Mark im Internet ersteigert habe. Der kommt noch mit externem Netzteil daher, da er aus den USA stammt und auf 110 Volt läuft. Der ist der totale Hammer, macht immer Druck und ist am Hupen! OK, der ist recht kostenintensiv, den habe ich schon sechs Mal überholen lassen und stets müssen neue Röhren rein. Das geht langsam ins Geld. Ich habe deshalb mit allen möglichen Transistor-Endstufen experimentiert, dann alle möglichen Röhrenteile durchgespielt – alles Käse.
Ich brauche einen Vollröhren-Amp und bin dann halt live bei besagtem Marshall hängengeblieben. Dazu spiele ich Orion-Effekte, die bauen Hammer-mäßige Effektgeräte und machen auch Umbauten. Denen habe ich meine beiden Russen-Big-Muffs geschickt, die ja nicht mehr hergestellt werden – aus diversen Sicherheitsgründen oder was auch immer. Und die Orion-Leute haben aus diesen Teilchen die totalen Waffen gemacht. Das sind die besten Verzerrer die ich je gehört habe! Und dann habe ich mir noch von Aguilar den Tone Hammer geholt. Ansonsten: Alle Regler meines Ampegs auf 12, Mitten schön rein und raus über meine 8×10-Box. Das Zeug ist permanent am kotzen, aber deswegen klingt es so geil. Das ist mein Sound-Ideal.