Im Interview

Tom Schwoll & Fleur De Malheur

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(Bild: Lothar Trampert)

Als Gitarrist, Songwriter und Produzent hat der 1966 in Berlin geborene Tom Schwoll im Punk- & Hardcore-Bereich Musikgeschichte mitgeschrieben. Jetzt ist er mit seinem Soloprojekt Fleur De Malheur zurück – und mit dem Album ,Kummerkumpels‘.

Aufgewachsen ist Tom Schwoll in Aachen, wo er mit dreizehn Jahren in der Schüler-Band Prostatakids spielte. Ab 1980 ging es zurück nach Berlin, wo er seine Schulkarriere beendete und als Gitarrist in diversen Punk-Bands aktiv war: Zerstörte Jugend, Manson Youth, Vorkriegsjugend, Inferno …

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1987 war er mit Sängerin Yvonne Ducksworth, Josef Ehrensberger (g), Henning Menke (b) und Steve Hahn (dr) Gründungsmitglied der Hardcore/CrossoverBand Jingo de Lunch, die noch im selben Jahr ihr Debüt-Album ,Perpetuum Mobile‘ einspielte und in den folgende Jahren eine Institution der europäischen Hardcore-Szene wurde. Tom verließ die Band 1994 und wechselte zu Extrabreit, von 1997 bis 2022 war er dann Gitarrist der Berliner Formation Die Skeptiker.

Im Sommer 2006 ging Jingo de Lunch dann nochmal in alter Besetzung auf Tour durch Deutschland, Österreich und Italien. Eine Compilation und ein Album erschienen, 2009 war Tom dann wieder weg. In der Zeit gründete er mit anderen Berlin-Kreuzberger Musikern das Projekt Kumpelbasis, arbeitete als Produzent & Tontechniker bei verschiedenen Produktionen mit und betrieb ab 2009 das Tonstudio Schaltraum. Eine Punk-Band mit originellem Namen hat Tom immer noch: Es war Mord.

„Im Kern bin ich sehr gern ein Sideman“, schreibt Tom auf seiner Website www.fleurdemalheur.de. „Ich spiele supergern Gitarre und mag es, gute Sänger mit meinem Spiel zu unterstützen, anstatt selber ihm Mittelpunkt zu stehen. Deshalb hat es wohl ein halbes Jahrhundert gebraucht, bis ich den Impuls als Musiker verspürte, mal ein Solo-Album zu machen.“

Das hat er dann unter dem Pseudonym Fleur De Malheur gemacht. Tom Schwolls Musik ist manchmal düster, aber auch warm und irgendwie berührend. Seine Songs erzeugen manchmal dieses schöne Zuhause-Gefühl. Und oft hat man direkt Bilder im Kopf. ‚Das Drama‘, ,Der Motor‘, ,Kummerkumpels‘ und ,Plastiktüte‘ sind meine Favoriten nach mehrmaligem Hören dieses Albums. Und jetzt bin ich Fan – so funktioniert gute Musik. Und: Tolles Cover, originell designt, und neben der LP gibt‘s noch ein großformatiges, 16-seitiges Booklet mit Songtexten, Credits und Fotos. Gelungen!

Tom, wie lange hast du an ,Kummerkumpels‘ gearbeitet, von den ersten Song-Ideen bis zum fertigen Album?

Das waren drei Jahre, dazwischen habe ich aber auch noch eine 7-Inch und eine LP mit meiner Punk-Band Es war Mord veröffentlicht. Die Idee für das Album kam auf, als ich spaßeshalber mit meinem Freund Moe Jaksch zwei Lieder aufgenommen habe, Covers eben. Die Ansage vom Label Sounds of Subterrania war dann: Super, aber jetzt bitte eine ganze LP mit eigenen Songs! Ich dachte, na prima, das kriege ich in drei Monaten hin – es hat aber drei Jahre gedauert.

Ursprünglich wollte ich mit Moe Jaksch als Produzenten arbeiten, das hat leider zeitlich nicht hingehauen. Bassist Christopher Zabel und Drummer Thomas Götz haben das dann übernommen. Wichtig war auch René Tinner, der gemischt hat, denn er hat am Ende alle Entscheidungen getroffen, für das, was letztendlich auf der Platte zu hören ist. René habe ich vor 30 Jahren kennengelernt, als ich mit Jingo de Lunch für drei Monate im Can-Studio in Weilerswist bei Köln war; das hat er damals geleitet. Abgesehen von Can hat René auch mit Lou Reed, Joachim Witt, Westernhagen, Remmler, Krawinkel und vielen anderen gearbeitet. Ich finde, er hat einen tollen Sound gemischt.

Hat sich während dieser Zeit noch viel verändert, oder war das Konzept von Anfang an klar?

Das Konzept war klar: Es sollte minimalistisch sein. Oder um Stefan Kleinkrieg zu zitieren, „spröde aber der Musik zugewandt“ klingen. Die Idee war, Trauer zu transportieren, um vielleicht so traurigen Menschen das Gefühl zu vermitteln: „Hey, du bist nicht allein!“. Ein anderer Ansatz war, möglichst unangestrengt zu klingen. Moe Jaksch meinte: „Du musst singen und spielen, wie der Typ, der in der Ecke sitzt, dem es egal ist, ob jemand zuhört oder nicht!“

Das Bild fand ich gut, habe dann aber auch gemerkt: Ein reines Folk/Country-Album sollte es auch nicht werden, deshalb habe ich dann den Bassisten Thomas Götz gefragt, ob er mitmachen will, und ihm skurrile Demos geschickt und dazu Sachen geschrieben, wie z.B.: „Mach mal was wie Dr. John meets Portishead, oder Brahms mit Oi-Faktor!“ Ich wusste, Thomas liebt sowas, und ich mag seine schrägen Ideen.

Hattest du Vorbilder, was die Gesangsaufnahme und den leicht roughen Akustikgitarren-Sound angeht, der übrigens perfekt zu deiner Stimme passt?

Da gibt es viele, am liebsten würde ich klingen wie Frank Sinatra, Roy Orbison oder Ricky Nelson bei ,Lonesome Town‘. Ich muss aber mit dem klar kommen, was da ist: mit meiner Stimme, mit der ich mich auch halbwegs angefreundet habe. (lacht) Es war dann auch eine ständige Suche bei den Aufnahmen. Ich bin ja kein geübter Sänger. Also für den Garten oder den Refrain von einer Punk-Nummer hat‘s immer gereicht, aber eine ganze LP war dann schon eine Challenge. Die Jazz-Sängerin Julia Pellegrini hat mir ein paar Tipps gegeben, danach wurde es besser. Julia ist eine fantastische Sängerin und sie ist ja auch bei ,Kummerkumpels‘ und ,Das Drama‘ zu hören.

Was ist das für eine coole Wandergitarre mit Pickup und Radioreglerknöpfen, die du auf dem Promofoto spielst?

Diese Gitarre hat meine Mutter zu ihrem 12. Geburtstag bekommen: eine preiswerte Kaufhof-Akustikgitarre aus den 50er-Jahren. Mein Kumpel Gary Neath von Cogg Guitars hat sie überholt, neue Bünde eingesetzt, Tonabnehmer, Regler und Schlagbrett sind auch von ihm. Tolles Design, finde ich auch! Zu hören ist sie auf dem Album bei ,Motardstraße‘. Die Gitarren-Parts habe ich eingespielt, außer die Lapsteel bei ,Astronautin‘, das war Jacke Schwarz. Und die Pedalsteel bei ‚Prieros‘, das war Moe Jaksch, der auch die Zither bei ,Oury Jalloh‘ geliefert hat …

(Bild: Tom Schwoll)

Welche Gitarren hattest du sonst noch im Einsatz?

Ich hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme keine eigene brauchbare Akustikgitarre, und Christopher hatte sich eine ausgeliehen von einem Kollegen, ich glaube das war eine Richwood. Bei Thomas stand auch eine rum, die wir benutzt haben, den Namen weiß ich nicht mehr. Ich habe mir aber jetzt eine Höfner-Gitarre mit Stahlsaiten besorgt: eine HA-CS28, ein Concert-Modell mit Tonabnehmer. Außerdem noch eine E-Gitarre von der Berliner Firma K‘mo Guitars, die baut ein Freund von mir, der Khaled Hassan heißt (www.kmoguitars.de). Sein Vater stammt aus dem Sudan, und er war es leid, dass niemand seinen Namen richtig aussprechen kann. deshalb K‘mo. Mo ist ein toller Gitarrist und so sind auch seine Gitarren.

Hast du auch Amps und Effektgeräte eigesetzt?

Nur einen Fender Blues Junior und irgendein Tremolo-Pedal.

Letzte Frage: In welcher Besetzung spielst du die ,Kummerkumpels‘-Songs live? Und ist da für den Herbst/ Winter noch was geplant?

Ich werde erst mal allein spielen, also ich und meine Gitarre. Das ist mir wichtig und es ist auch sehr praktisch. Im Moment stehen ein Haufen Konzerte an, das Feedback und die Nachfrage in dieser Sache sind erstaunlich gut, und jeder der eine Location hat, Club, Plattenladen oder sonst was, kann mich buchen.

Danke, Tom – und weiter viel Erfolg mit diesem tollen Album!

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Jingo de Lunch waren bit Abstand die beste Hardcore / Punk / Hard Rock Band, welche jemals aus deutschen Laden gekommen sind. Mit Frontfrau & Sängerin Yvonne Ducksworth aus Kanada hatten Sie einen echten Glücksgriff gelandet. Musikalisch wurde ein interessanter und explosiver Mix aus Bad Brains und Thin Lizzy mäßigen Sounds gefahren. Die alten Alben lassen sich auch heute noch fantastisch anhören. Klassiker!

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