Während unseres Treffens mit Slash im Rahmen seines Auftritts beim Reload-Festival 2012 in Sulingen fiel der spielerisch wie gesanglich beeindruckende Bassist Todd Kerns auf, der seit etwa zwei Jahren mit dem amerikanischen Gitarristen um die Welt tourt …
Todd Kerns verleiht dem Bühnen-Sound der Band nicht nur ein druckvolles und ungemein groovendes Grundgerüst, er veredelt auch als Background-Sänger die Melodien von Frontmann Myles Kennedy durch eine Vielzahl zweiter Stimmen. Deshalb ließen wir uns von Kerns nicht nur sein aktuelles Equipment erklären, sondern befragten ihn auch zu seinem musikalischen Werdegang und seiner künstlerischen Philosophie. Ergebnis: Der Mann ist fest entschlossen, die sich ihm momentan bietenden Chancen zu nutzen.
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Todd, woher kommst du und was hast du bislang gemacht?
Todd Kern: Ich stamme aus einem kleinen Ort in Kanada mit gerade mal 1500 Einwohnern. In unserem Dorf existierte keine echte Musikszene, also hörten wir alles und mochten alles, am meisten aber The Ramones, Iggy Pop und Mötley Crüe. Diese Musik hat mich nachhaltig beeinflusst, sodass bis heute in mir noch immer eine spezielle Vorliebe für Punk- und Hardrock wohnt. Dann begann ich mich für Songwriter-Sachen wie die von Soul Asylum zu interessieren, ich habe großen Respekt vor Songs mit Pop-Kompatibilität. Mit elf nahm ich meine erste Gitarre in die Hand, in den Jahren danach jammte ich häufig mit Freunden, bis jemand entschied, dass wir ab sofort eine Band sind.
Irgendwann hatte mein Vater einen Gibson-EB3-Bass mit nach Hause gebracht, und da bei uns fortan dieses Instrument zur Verfügung stand wurde ich der Bassist der Gruppe. Allerdings spielte ich weiterhin auch Gitarre, beispielsweise hatte ich eine eigene Band namens Age Of Electric, wir brachten eine Scheibe heraus, die in Kanada mit Gold ausgezeichnet wurde. Danach spielte ich bei einer weiteren Formation, nahm anschließend ein Soloalbum auf, produzierte einige andere Bands und landete durch etliche merkwürdige Zufälle in Las Vegas, wo ich mit Brent Muscat von der Gruppe Faster Pussycat die Band Sin City Sinners gründete.
Las Vegas wurde mein Hauptwohnsitz, wir traten mit George Lynch, mit Leuten von den New York Dolls und den Stray Cats auf, auch Matt Sorum stand bereits mit uns auf der Bühne, ebenso Dizzy Reed und DJ Ashba in einer sonderbaren Art Gunners/Velvet-Revolver-Nacht. Wer auch immer nach Las Vegas kam, spielte mit uns.
Bei welcher Gelegenheit hast du dann Slash kennengelernt?
Todd Kern: Eigentlich habe ich ihn bereits 1991 zum ersten Mal getroffen, aber das ist eine andere Geschichte, an die sich Slash auch gar nicht mehr erinnert. Ich traf ihn 1991 bei einer feuchtfröhlichen Party im Rainbow-Club … Vor etwa zweieinhalb Jahren spielte ich also in Las Vegas und Brent Fitz, der aktuelle Slash-Drummer, ist ein alter Freund von mir aus Kanada. Brent kenne ich schon seit über 20 Jahren, er spielte zwar immer in anderen Bands, aber wir liefen uns häufig über den Weg. Eines Tages rief er mich an und sagte: „Wir haben Ärger mit unserem Bassisten.“ Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade Sänger und Gitarrist meiner eigenen Band Sin City Sinners in Las Vegas, aber natürlich bekommt man solche Angebote nicht jeden Tag. Brent rief mich also an und sagte: „Komm doch mal rüber zu uns nach Los Angeles und jamme mit uns.“ Also flog ich nach L.A., jammte mit der Band und bekam den Job angeboten.
Musstest du über dieses Angebot lange nachdenken?
Todd Kern: Nun, ich war ja zu dem Zeitpunkt ein vielbeschäftigter Musiker in Las Vegas, also fragte ich erst einmal: „Wozu genau braucht ihr mich und wie lange kann das andauern?“ Aber natürlich ist ein Engagement bei Slash eine Riesensache, zumal neben Kiss und den Ramones die Originalbesetzung von Guns N‘ Roses immer zu meinen drei Lieblings-Bands überhaupt gehörte. Ein Engagement bei Slash war also ein echter Herzenswunsch, zumal ich viele der Songs sowieso spielen konnte und nicht mehr gezielt einstudieren musste.
Die Stücke von ,Appetite For Destruction‘ kannte ich bereits, die Nummer ,Civil War‘ von ,Use Your Illusion‘ gehörte auch schon zu unserem Set. Ich war also gut im Bilde, als ich meinen Dienst antrat, und musste im Grunde genommen nur die Songs von Slashs Soloalbum lernen, das zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht veröffentlicht war.
Wie hast du seinerzeit die Verpflichtungen mit deiner eigenen Band geregelt?
Todd Kern: Ich musste nur maximal 1,5 Sekunden darüber nachdenken, ob ich den Job bei Slash annehme, aber es gab natürlich einige Zusagen, die ich zurücknehmen musste, und sicherlich habe ich auch ein paar Leute enttäuscht. Aber die Chance war einfach zu groß: Innerhalb einer Woche stand ich plötzlich mit Slash in der Jay-Leno-Show und erlebte Dinge, die ich sonst nie erlebt hätte.
Hat Slash dir anfangs seine Erwartungen an den Job seines Bassisten mitgeteilt? Was hat er dir zu Beginn gesagt?
Todd Kern: Ich glaube, er hatte keine spezifischen Erwartungen. Slash ist ein sehr lässiger und unkomplizierter Typ. Das bedeutet natürlich nicht, dass er überhaupt keine Erwartungen an seine Musiker hat, denn er will natürlich nur wirklich gute Leute in seinem Umfeld haben. Als ich mir den Slash-Backkatalog draufschaffte und Sachen spielte, die im Original von Duff McKagan, Mike Inez und Chris Chaneys stammen, merkte ich, wie versiert diese Musiker sind. Aber Slash ist immer entspannt, sehr kalifornisch (lacht), er möchte nur, dass der bisherige Standard gehalten wird. Und ich konnte immerhin auch noch meinen Gesang mit einbringen.
Was du ja auch eindrucksvoll machst.
Todd Kern: Mit Myles Kennedy zu singen ist die pure Freude …
Bild: Mineur; Roadrunner
Bild: Mineur; Roadrunner
Beeindruckt war ich auch von deinem Bühnensound. Du scheinst mit den vier Music-Man-Stingray-Bässen und der Gallien-Krueger-Anlage bestens ausgerüstet zu sein.
Todd Kern: Ja, das stimmt, und Music Man waren wirklich sehr hilfsbereit. Der silberne und der schwarze Bass wurden beide 2011 gebaut und mir zu Beginn der Tour zugeschickt. Ich habe mit ihnen schon einige Fernseh-Shows gespielt und sie auch in unserem offiziellen Videoclip eingesetzt. Es ist übrigens auf dieser Tour das erste Mal, dass ich einen lackierten Hals spiele. Ehrlich gesagt musste ich mich erst daran gewöhnen, ich kannte bislang immer nur das pure Spielgefühl und musste mich erst auf diese Hälse umgewöhnen. Aber jetzt ist alles gut, ich bin mit den vier Bässen sehr zufrieden, zumal sie in der Lage sind, dem Höllenalarm auf der Bühne stand halten zu können.
Slash spielt sehr laut, all die aktiven Pickups und die kraftvollen Verstärker, da muss man sich schon ranhalten, um mithalten zu können. Die Kunst besteht ja darin, seinen eigenen Sound zu finden und dennoch respektvoll mit den Vorlagen der Stücke von Duff McKagan umzugehen. Duff hatte einen sehr signifikanten Ton, deswegen stand für mich auch fest, dass ich möglichst über Gallien-Krueger-Amps spielen will. Brent und ich gehen beide sehr respektvoll mit dem um, was wir „die Geschichte des Rock ‘n‘ Roll“ nennen. Man darf die Performances auf ,Appetite For Destruction‘ oder ,Use Your Illusion‘ nicht einfach ignorieren, sondern muss die Beiträge von Duff McKagan und Steven Adler genau analysieren, um diesen besonderen Vibe nicht zu verlieren. Es macht immer wieder Spaß, nach Feinheiten der Songs zu suchen und dabei von Zeit zu Zeit Neues zu entdecken.
Habe ich das bei der Show richtig gehört: Der schwarze Stingray ist in Standard-Tuning, der silberne einen Halbton tiefer gestimmt?
Todd Kern: Ja, das ist korrekt. Ich habe ganz bewusst einen schwarzen und einen silbernen gewählt, um auf diese Weise immer sofort erkennen zu können, in welchem Tuning ich gerade spiele. Als ich zum ersten Mal mit Slash spielte, gab es noch deutlich mehr unterschiedliche Tunings, und seine Gitarren sehen sich alle sehr ähnlich … zum Glück wurde dies zurückgefahren.
Bild: Mineur; Roadrunner
Bild: Mineur; Roadrunner
Bild: Mineur; Roadrunner
Bild: Mineur; Roadrunner
Du spielst mit Hipshot D-Tuner?
Todd Kern: Ja, bei allen meinen Bässen, vor allem für die Drop D-Songs wie ,Beggars & Hangers On‘ vom ersten Snakepit-Album, das in Drop-C# gespielt wird. ,Slither‘ beispielsweise wird in Standard-Tuning aber mit Drop-D gespielt. Durch die zwei Bass-Tunings plus den Hipshot D-Tuner bin ich immer auf alle Eventualitäten vorbereitet.
Kannst du mal beschreiben, welchen ganz spezifischen Einfluss du mit deinem Bass-Spiel und deinem Gesang in die Musik einbringst?
Todd Kern: Eine interessante Frage. Ich denke, dass ich einige Elemente des Punkrock-Ethos in die Band bringe. Manchmal fragen mich Leute, ob ich Slash für einen Metal-Gitarristen halte. Ich antworte dann: „Nein, ich denke, dass er tiefer in die Geschichte geht.“ Slash und ich haben ähnliche Wurzeln, wir beide haben eine Art Punk-Mentalität, gleichzeitig aber ständig an unseren technischen und musikalischen Fähigkeiten gearbeitet. Bei uns findet kein Garagen-Sound statt, wenn du verstehst, was ich meine!? Wenn ich über Leute spreche, die mich emotional berührt haben, dann sind dies Deedee Ramone oder Dennis Dunaway von Alice Cooper, aber ich stehe halt auch auf Paul McCartney und seine sehr melodische Spielweise. Ich versuche immer so abwechslungsreich wie möglich zu spielen, wozu ich mich aber gar nicht explizit zwingen muss, weil es offenbar in meinen Genen so verankert ist.
Hat es Gründe, dass du fast ausnahmslos mit Plektrum spielst?
Todd Kern: Einerseits wird der Sound dadurch lauter, außerdem ist das mehr die Art, wie ich auch als Gitarrist spiele. Deshalb spielt ja auch Paul McCartney mit Plektrum, auch er kommt von der Gitarre. Im Punkrock wurde ebenfalls mit Plektrum gespielt, Duff McKagan hat dies ja auch getan. Ich glaube, dass eine andere Herangehensweise zu dieser Musik nicht passen würde, denn es muss einerseits zwar sehr musikalisch, andererseits aber auch richtig aggressiv klingen. Man sollte immer über dem Beat liegen, soweit man dies mit dem Bass kann.
Letzte Frage: Als versierter Gitarrist, Bassist, Sänger und Komponist ist doch sicherlich einer deiner Wünsche, irgendwann von Slash auch mit ins Songwriting involviert zu werden, oder?
Todd Kern: Als ich zu dieser Band stieß war es eine explizit ausgewiesene Kooperation zwischen Slash und Myles Kennedy, und dass trotzdem noch der Band-Name hinzugefügt wurde war natürlich toll für uns. Aber es sind nun einmal bereits zwei Köche in der Küche und bereiten gemeinsam das Rock-‘n‘-RollMenü vor. Ich vermute, dass Slash und Myles bereits Mengen an weiterem Material in der Hinterhand haben, sodass sich für mich diese Frage zur Zeit nicht stellt … Als ich bei Slash anfing, sprachen wir nur über die folgenden drei Monate, überwiegend Wochenenden, um mit dem Soloalbum zu touren, nun sind bereits weitere eineinhalb Jahre vergangen, wir habe ein eigenes Album veröffentlicht, mein Foto kann man im Booklet sehen, das alles ist weit mehr als ich jemals erwartet hätte.
Klingt, als ob du deine Entscheidung, dieser Band beizutreten, nie bereut hast.
Todd Kern: Nicht eine Sekunde. Dieses Engagement ist ohne Zweifel eines der größten Erlebnisse meines Lebens. Und es läuft ja zum Glück weiter auf Hochtouren.