Till & Tone: Hausbesuch bei Jörg Sander!

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Jörgs Arbeitsplatz (Bild: Hohenender)

Ringelpitz mit Gitarren

Nach diesem wunderbaren Ohrenschmaus verzogen wir uns bis an die Zähne bewaffnet mit Jörgs Vintage-Schätzchen und meinen kloppmannisierten Kostüm-Shop-Flinten ins Sandersche Wohnzimmer. Marshall 1974x, dazu ein alter Silverface-Twin-Reverb und ab dafür … Licks, Rhythmen und Gitarren wurden getauscht sowie ausgiebig kommentiert und analysiert. Während Jörgs famose ‚53e Esquire meine selbst schon über 20 Jahre alten Teles im Genick hatte, konnten seine ‚54 & ‚55e Stratocaster mich komplett aus der Bahn werfen: Andreas Kloppmann hatte mir zwar mal erzählt, dass diese Jahrgänge anders klingen als alles, was danach kam … aber das waren ja nur Worte.

Jetzt saß ich da, spielte und hörte mich sagen: „Krass, wie mild diese Strats klingen!” Als ob man in ´ne Tasse schwarzen Strat-Kaffee einen Schuss Sahne kippt. Von wegen klingelig, twangy oder icy! Strattig, aber mild und rund. Wieder was gelernt, es hört doch gottseidank nie auf. Meine Murphy Lab Les Paul aus der Dauerfiliale-Goldtop-Kolumne hat dafür den guten Jörg extrem abgeholt. Der Unterschied zwischen meiner mit Kloppmann-Pickups inklusive Kondensator-Mod. und seiner unbehandelten Custom Shop Goldtop war nicht zu überhören.

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Jörg in seinem Element (Bild: Hohenender)

Reden ist Gold!

Jörg, warum war hast du so viel Arbeit in die Modifizierung des Raumklangs gesteckt?

Bevor diese ganzen Module hier verbaut wurden, war es bei jeder Aufnahme so, dass der Raum etwas addiert hat, wo man gar nicht mehr beurteilen konnte, was man macht. Jetzt ist er nicht „tot”, aber macht keine zusätzlichen Reflexionen mehr, die mich irgendwie stören oder irritieren könnten.

Das Herzstück deiner Anlage ist dein Wandler, der Artistic Fidelity?

Der macht dieses Wandlungsnadelöhr einfach größer, der bildet genauer ab, feiner, tiefer, als alles was ich vorher so gehört hatte. Wie hast du es genannt? „Es ist spooky, weil man keinen Unterschied hört zwischen Performance und Aufnahme!” Absolut! Die Performance, der Sound, die Tiefe, die Feinheiten, die Ungenauigkeiten … da geht nichts flöten. Es ist lebensnah, es kommt 1:1 raus, was der Spieler reingegeben hat. Ein guter Freund von mir, ein sehr erfolgreicher Musikproduzent, sagt immer „dass, was er im Studio hat, reicht auch für einen Hit!”

Natürlich hat er recht, aber ich war eben auf der Suche nach noch geiler, noch plastischer, noch tiefer. Ich wollte die Aufnahme hören und nicht denken „das ist eine aufgenommene Spur”, sondern „das bin ich!” Oft sagen Leute so: „ja, aber nachher auf der Platte hört man das nicht!” Natürlich hört man es! Es kann zwar sein, dass es leise gemischt wird in irgendwelchen Produktionen, aber ich sitze manchmal und habe mir nachher gesagt „ja klar, es ist zwar leise in der Ecke, aber ich höre dieses unverfälschte ganz genau!”

Was sind deine Lieblingsgitarristen und warum?

Da muss ich als erstes Ron Wood und Keith Richards nennen …

Die Stones mit Mick Taylor waren nicht dein Ding?

Doch auch, aber erst später. Mick Taylor, was der spielt, das ist der totale Irrsinn. Das ist schon fast so ´ne Art Bilderbuchgitarre – er spielt wirklich fantastisch. Mein großer Bruder war großer Rolling-Stones-Fan und hat mich mitgenommen zum Stones-Konzert, als ich 14 oder 15 war. Die ‚82er Tour, Köln, im Müngersdorfer Stadion. Was ich an Wood & Richards liebe, ist diese Interaktion, die ich auch immer mit anderen Gitarristen suche.

AC/DC war auf jeden Fall auch ein großer Einfluss, diese unglaubliche Chemie zwischen Malcolm und Angus. Hard Rock, das war verpönt in meiner Familie. Meine Brüder waren zwar Stones- & Beatles-Fans, aber AC/DC war für die primitiver Kram. Ich habe mir ganz stiekum Back in Black gekauft, nach Hause geschmuggelt und heimlich gehört. Ich kam mir fast schmuddelig vor, aber es klang so geil und aufregend!

Eddie Van Halen?

Was Eddie Van Halen für mich so bewundernswert macht, ist diese Mühelosigkeit, mit der er Grenzen aufgehoben hat – das finde ich genial. Der Typ ist ein Genie, diese Grenzenlosigkeit, was er alles völlig neu definiert hat, was man auf dem Griffbrett so machen kann … sensationell!

Amps – bist du der Marshall, Fender oder Vox-Man?

Unterschiedlich, ich mag alle drei. Unser Jam heute – ich mit dem kleinen Marshall 1974x und du mit dem Silverface Twin Reverb – das war doch auch ein Monstersound! Aber eins fällt mir auf: Je älter ich werde, desto mehr mag ich es, wenn es cleaner ist. Das gibt mir mehr Attack. Der Hendrix-JH-100-Marshall hat diese Größe und Tiefe … der Ton komprimiert nicht, das bleibt kraftvoll. Das ist jetzt gerade das Ding, dass ich sehr abfeiere. Diese drei Big Player, Marshall, Fender & Vox, sind schon die Sounds, die ich bevorzuge.

Bist du auch auf YouTube unterwegs und schaust, was es Neues gibt an Gear?

YouTube kann gut, kann aber auch die Pest sein, finde ich (lacht). Viele daddeln da rum und erklären, wie XY seinen Sound macht und wie man so spielt wie Z … ich hab’ manchmal das Gefühl, das ist auch eine deutsche Krankheit: Dass immer von einem erwartet wird, dass man so spielt wie Neil Young oder wie weiß-der-Kuckuck. Wenn ich im Studio einen Song einspiele, dann versuche ich lieber „mich” einzubringen, meine Persönlichkeit. Authentizität, das eigene einzubringen, das Individuelle zu finden.

Ist es das, was Udo Lindenberg an dir mag?

Ich will mich nicht abfeiern, aber ich glaube, eine Stärke von mir ist, dass ich ein Songplayer bin. Ich verstehe Lieder, ich verstehe, was der Künstler will. Deswegen will Udo auch immer, dass ich dabei bin. Er weiß einfach: Mit Sander ist es Safe, der versteht die Lieder, der checkt die von vorn bis hinten und dieses Gespür ist ihm wichtig.

Apropos – was ist dir wichtiger: Vintage, Custom Shop oder Standardgitarren?

Nach meiner ersten großen Lindenberg-Tournee habe ich mir einen Traum erfüllt und eine 62er Strat, die komplett original ist, gekauft. Und jedes Mal, wenn ich sie jetzt in die Hand nehme, denke ich „das gibt’s nicht, was da rauskommt”, so geil klingt die. Aber die ist sehr wertvoll, deswegen nehme ich sie auch nicht gerne mit auf Tour. Da nehme ich lieber meine gute Custom-Shop-Strat, die von Andreas Kloppmann bearbeitet worden ist. Damit ist man auf einem sehr guten Level. Auf einem Super Level, wie man auch mit deinen Teles und der Hardtail Strat gesehen hat.

Im Studio gibt es so viele Parameter: Kreativ sein, Sounds finden, den Song verstehen, auf dem Click zu grooven … da ist eine Vintage-Gitarre zwar schön, kann aber auch ablenken. Manchmal nehme ich mir einfach eine „Gurke”, stimme die sauber und spiele los – und das geht auch! Neulich habe ich hier ‘ne Produktion gemacht mit meiner billigsten Mexiko-Strat. Ich sollte ein bisschen solieren und hinterher wollte der Produzent sich die besten Fills raussuchen. Der Mann war total happy. Der hat nicht gefragt, ob das eine alte, teure Strat war oder ein Mexiko-Hobel. Und das ist gut so – Hauptsache, alle sind happy!

A DAY IN THE LIFE

Am Ende des Tages bin ich auch total happy ins Madison Hotel gefahren. Der Marshall 100 JH, die alten Strats, der Aufnahme-Sound – alles echote noch in meinem Kopf. Jörg Sander ist ein freundlicher, bescheidener und exzellenter Künstler, der bei aller Erfahrung immer noch neugierig ist – lieber Jörg, vielen Dank für den wunderbaren Tag!

Danke für den schönen Tag! (Bild: Hohenender)

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