Der Sound-Notfall: Wie ein Komiker die Bühnenkatastrophe meistert

Till & Tone: Der Fisch hört mono und links!

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Rechts: Live im Hot Jazz Club (Bild: Hoheneder / Lamberty)

Ich mache aus meiner Abneigung kein Geheimnis: Der Winter ist nicht meine Jahreszeit. Ich hasse Kälte, ich mag keinen Glühwein und keine erkälteten Menschen um mich herum. Zu viel Grau, zu viel Tristesse, zu viel Melancholie. In dieser Jahreszeit wühlen mich die ewig gleichen Fragen auf: Bleibt alles gut, wird alles anders? Was hat die verrückte Menschheit noch alles auf Lager, um sich und den Planeten Erde konsequent abzuschaffen? Gut, dass es die Welt der Musik und der Gitarren gibt. Eine Welt, die mich immer wieder kickt und voller lehrreicher Überraschungen steckt.

Vor ein paar Wochen habe ich mit meiner Band ‚The Slowhand All Stars‘ mal wieder im Hot Jazz Club Münster gespielt: „A Tribute To Dylan & Clapton“ stand auf dem Programm, der Club war mit 200 Leuten ausverkauft, es wurde gefeiert, mitgesungen und gelacht. Wieso gelacht? Ganz einfach: Der Komiker in mir ist nie abgestellt. Ich habe das über 25 Jahre als Bühnenkünstler gemacht (14 Jahre Till & Obel, 6 Jahre Solo) und bin danach als Autor für Atze Schröder, Lisa Feller, Mike Krüger u.v.a. dem Genre bis heute treugeblieben. Wenn ich das nicht in meine Bühnenperformance einfließen lassen würde, wäre ich ja schön blöd. Es ist eine meiner Kernkompetenzen als Entertainer. Und an dem besagten Abend hat mich der Humor davor bewahrt, durchzudrehen. Was war passiert?

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ENCYCLOPEDIA GITARRICA

Beim Soundcheck war ich noch allerbester Laune. Der Club hat immer gute Soundleute, diesmal war es der wunderbare Bruno. Als meine Gitarre an der Reihe war, zog ich einen cleanen E-Dur Akkord durch und hörte Bruno rufen: „Danke! Reicht! No EQ, alles flat, wunderbar … Vocals, bitte!“ Selbstgefällig klopfte ich mir innerlich auf die Schulter: „Hoheneder, du verdammtes Genie, du Soundwizard of Oz – du weißt, wie es geht, an deinem Sound labt sich der versammelte Gitarren-Olymp! Wie kann es sein, dass alle immer nur Expertisen von Billy Gibbons oder Joe Bonamassa haben wollen, wenn es in Westfalen eine Encyclopedia Gitarrica gibt?“ Ich weiß was, einige denken – und ihr habt Recht. Die Strafe für meine eitle Selbstgefälligkeit folgte auf dem Fuße. Als wir um 21 Uhr auf die Bühne stiefelten, steckte ich mein Kabel in die Gitarre, begrüßte launig das Publikum und startete mit der ersten Nummer. Ich stellte zu meinem Entsetzen fest, dass mein Sound dumpf klang. Keine Höhen, kein Sparkle, einfach mumpfig. WTF? Egal, was ich ausprobierte, es änderte sich nichts. Scheiße. Volle Bude, ein tolles Publikum, eine superbe Band und mein Sound klang, als ob dreißig alte, versiffte Heilsarmee-Wolldecken von 1930 über meinem Amp liegen.

Meine gute Laune war zum Teufel, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Bis mir nach 10 Minuten klar wurde, dass ich etwas unternehmen muss. Okay, der Sound auf der Bühne ist schrecklich, aber Bruno wird ihn draußen mit dem EQ einigermaßen „hinbiegen“. Dann schoss mir ein Satz meines langjährigen Managers Jonas Wagner durch den Kopf, der viele Jahre als Top-40- & Galamucker unterwegs gewesen ist: „Der Fisch hört Mono und links!“ Was bedeutet, dass es so ziemlich keinem im Publikum (= der Fisch) auffallen wird, dass mein Sound nicht spitze ist. Mein nächster Gedanke war: „Till, du kannst nix ändern, lass dich nicht hängen. Vor dir stehen 200 Leute, die bezahlt haben – unterhalte diese Menschen verdammt noch mal mit bester Musik, deinem ganzen Witz und Charme, du Lappen!“ Von da an habe ich volles Rohr aufgedreht: kleine Comedy Stand-Ups als Ansagen, meine besten Jokes serviert, mit voller Inbrunst gesungen und Gitarre gespielt. Die Leute, derartig bespaßt und animiert, reagierten völlig euphorisch und sangen schon beim 6. Stück beseelt mit. Nach dem ersten Set kam mein Freund und „Musik ist Trumpf“ Podcast-Partner Henning Wehland von den H-Blockx auf mich zu und überschüttete mich überschwänglich mit Lob: „Junge, was für eine geile Performance, was für ein Brett, was für eine tolle Band! Du Tier!“

GUT GELAUNT WEITERMACHEN!

In der Pause versuchten Bruno und ich es mit anderen Amps – aber es lag nicht am Amp. Entweder hat das Stimmgerät beim „entmuten“ das Signal nicht richtig freigegeben oder mein Kabel hatte einen Bug … da es bei der nächsten Probe diverse Knacker und Aussetzer hatte, vermute ich, dass da der Fehler lag. Aber am Ende des umjubelten Gigs in Münster hatte keiner im Publikum mitbekommen, dass im ersten Set mein Sound auf der Bühne schrecklich war. Was lernen wir daraus? Etwas, was in meinen Profizeiten bei Till & Obel schon immer oberstes Gesetz war: Egal, ob der Hallensound mies klang, die Bühne nur ein mickriger, instabiler Bretterkasten war oder die P.A. Mucken machte: Einfach gut gelaunt weitermachen! Strömender Regen, Halsschmerzen, kaputte Drum-Maschine, falsch programmiertes Equipment – alles keksegal. Das Publikum kann nix dafür, das Publikum verdient das Beste, was du geben kannst. Sofort fiel mir wieder ein: Stadthalle Hagen, 15 Minuten Stromausfall, nix ging mehr. Also haben wir uns die akustischen Gitarren geschnappt, sind ins Publikum gegangen und haben mit den Leuten so lange zusammen gesungen, bis der Strom wieder lief. Unvergessliche Momente.

WIE VIELE GITARREN BRAUCHT MAN?

Noch eins ist mir in Münster klar geworden: Im Prinzip kann ich – egal, ob ich mit den Slowhand All Stars Dylan- & Clapton-Songs spiele oder Blues mit Gregor Hilden & Gerd Gorke – ich brauche eigentlich nur Blondie, meine Esquire. Die ich jetzt endlich wieder – wie sich das gehört – nur mit einem Bridge-Pickup spiele.

Meine Esquire ist wieder mit einem Pickup unterwegs und begeistert mich immer wieder mit ihrer ausgefuchsten Kondensatorschaltung und dem gelungenen Aging. (Bild: Hoheneder)

Der hängt wiederum an zwei verschiedenen Kondensatoren. Ein Keramikkondensator klingt groß und kräftig, der zweite ist etwas feiner auflösend mit sanfterem Top-End. Wenn der Pickup-Switch in der Bridge-Stellung ist, dann ist kein Tone-Poti mit Kondensator dazwischen. Dann wird‘s etwas lauter und schön scharf. Da schießt mir sofort die Milch ein, so spicy schifft sich dieser Sound durch den Bandmix. So kann ich mit einem Pickup plus Volume- & Tone-Poti viele unterschiedliche Sounds umsetzen … ich muss nur an den Knöpfen drehen und das mache ich ja sowieso sehr gerne.

(Bild: Hoheneder) (Bild: Hoheneder)

Toll – und jetzt? Verkaufe ich deswegen meine anderen Gitarren? Nein, denn da gibt es kaum noch was zu verkaufen. Ich hatte mal sehr viele Gitarren, aber die standen alle hauptsächlich nur als Staubfänger in der Ecke. Die Sammler und Horter unter euch sagen: „Ja klar …“ und ab und zu nimmt man mal die eine oder andere und freut sich, dass man so viele hat! Wertanlage, Nostalgische Erinnerungen, Vielfalt, die Gründe fürs Sammeln sind vielfältig und machen zum Teil auch Sinn. Zumindest für den Sammler. Für mich ist das nix. Das belastet mich. Je älter ich werde, desto mehr verspüre ich den dringlichen Wunsch, nichts mehr in den Ecken stehen zu haben, was ich nicht benutze. Reduktion ist das Stichwort. Reduce to the max, weniger ist mehr. Zu viele Gitarren, Pedale, Krimskrams – mich nervt das mittlerweile und ich sortiere gnadenlos aus, was ich nicht gebrauche. Meine Frau ist das komplette Gegenteil. Je mehr, desto besser. Wegschmeißen, aussortieren oder was verkaufen? Auf keinen Fall! „Wieso, das benutze ich irgendwann bestimmt mal wieder!“ höre ich sie dann entrüstet sagen. Was sie zu 99,99 Prozent nicht tut, eher wird PRS Relic-Gitarren herstellen. Aber wer so charming ist, dem kann ich nicht böse sein. Also konzentriere ich mich auf meine Sachen.

JÄGER MIT EISERNER REGEL!

Jetzt stöhnen bestimmt viele, die meine Kolumne regelmäßig lesen, laut auf: „Ja, aber der verstrahlte Zibuffnik schreibt doch hier dauernd, was er sich wieder an Zeug gekauft hat, auf welche Gitarre er gerade scharf und in welchen Amp er schockverliebt ist!“ Ja, völlig richtig! In der letzten Kolumne war ich in Jörg Sanders Marshall verschossen, aber seit einem Besuch bei Musik Produktiv ist das vorbei: Dort habe ich einen Magnatone Twilighter gespielt … was für ein geiler Clean-Tone, dieses Vibrato, diese Optik, zum Niederknien! Jetzt überlege ich schon, was ich alles verkaufen könnte, um den Twilighter zu heiraten.

Denn es gibt eine eiserne Regel, an die ich mich seit Jahren strikt halte: Kommt was Neues, geht was Altes! Egal ob Amp, Gitarre oder Pedal. Remember Reduction! Ich bin also ein Jäger, der neue Trophäen gegen alte tauscht. Deswegen muss ich genau überlegen, was ich abgebe. Die paar Gitarren und Amps, die ich noch habe, gefallen mir sehr gut. Alle sind über einen langen Zeitraum erprobt, optimiert und bewährt. Was ich von dem Magnatone noch nicht behaupten kann. Wir werden sehen. Immerhin „hilft“ mir das Jagen über den Winter: Videos gucken, Testberichte lesen, Kleinanzeigen studieren … und ich werde mal meinen Buddy Till Kersting (Baseballs, Carolin Kebekus-Band etc.) treffen, der spielt auch Magnatone Amps. So viel Geschiss für einen Amp – angeblich hört der Fisch doch mono und links? Ja, das stimmt. Aber nicht alle. Ich zum Beispiel nicht … Horrido! ●


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2025)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr geehrter Herr Hoheneder,
    um kurz auf Ihre Einleitung sprechen zu kommen.
    “Was hat die verrückte Menschheit noch alles auf Lager, um sich und den Planeten Erde konsequent abzuschaffen?”
    Der Mensch braucht die Erde. Noch! Aber die Erde braucht die Menschen nicht.
    Frage. Ist es überhaupt gestattet, bzw. wie viele Telecaster darf Mensch mit nach Valhalla nehmen? *hmmmmmmm*

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  2. Mein Motto: jedem Gitarristen ohne Einschränkungen sein liebstes Hobby gönnen! Ohne jeden Neid,dafür mit fairem Respekt gegenüber den Raritäten!
    Seit rund 20 Jahren sammle und spiele ich meine diversen alten Gitarren,die sogar meinem versierten Gitarrenbauer teilweise bisher völlig unbekannt waren. Das besondere Gefühl,eine alte Gitarre im Originalzustand zu besitzen,sie zu pflegen,und gerne zu bespielen,scheinen wohl nur die echten Insider bzw. Liebhaber neidlos verstehen zu können. Die Mißgunst so mancher Menschen fokussiert häufig lediglich nur die Situation,daß sie selbst nicht im Besitz einer oder mehrerer „Vintage“ Gitarren sind. Sei es wegen finanzieller Engpässe,oder der schlichten Tatsache,nicht schnell genug auf eine Rarität reagiert zu haben,die dann ein anderer Interessierte kaufte. Es müssen ja stets nicht Gitarren in einst limitierter Auflage sein.

    Dabei stammt meine aktuell älteste E.-Gitarre lediglich aus dem Anfang der 1970er-Jahre. Sicherlich wird es zukünftig auch immer schwieriger werden,um an seltene und unverbastelte Gitarren zu bezahlbaren Preisen heranzukommen,für die man im Moment vielleicht gerade noch eine 4-stellige Geldsumme berappen muß.

    Egal,wie auch immer,ich genieße seit jeher das schöne Glücksgefühl,einige alte Gitarren zu besitzen,die von ihren Vorbesitzern sehr gepflegt wurden,sowie oft live on Stage mit besonderer Freude und Hingabe gespielt wurden,und die mir das besondere Flair von Ästhetik und herrlichem Klang vermitteln.

    In diesem Sinne,liebt und wertschätzt eure alten Gitarren,denn sie bleiben ganz besondere Relikte aus längst vergangenen Tagen.

    Liebe Grüße ❤️

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  3. Live kommt’s immer anders als man denkt. IMMER !!!!
    Viele Grüße R.

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