1965 war ein ereignisreiches Jahr für den Blues. Mit B.B. Kings ,Live At The Regal‘ erschien ein packendes Album, das den Sänger, Gitarristen und Entertainer in Höchstform zeigte. Und ,Hoodoo Man Blues‘ von Junior Wells, mit einem energischen Buddy Guy an der Gitarre, zählt zu den ersten Alben des Chicago-Blues.
Im Juli des Jahres sorgte auch der aus Chicago stammende Sänger und Harp-Player Paul Butterfield (1942-1987) für Aufsehen; denn die Paul Butterfield Blues Band war an einem „Skandal“ beteiligt: Die Musiker begleiteten Bob Dylan bei seinem ersten elektrifizierten Auftritt beim Newport Folk Festival, der damals für Teile der Folk-Puristen und Fans des akustischen Dylans ein Affront war. Sicher war es für den ein oder anderen Fan zu viel, Dylan mit einer Fender Stratocaster auf der Bühne zu erleben. Heute weiß man jedoch, dass die gemischten Reaktionen im Publikum, die in verschiedenen Youtube-Clips zu hören sind, wohl auch auf den schlechten Sound der Festival-P.A. zurückzuführen waren.
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Im Zuge dieses Ereignisses erschien schließlich das Debüt-Album ,The Paul Butterfield Blues Band‘. Und das ging und geht immer noch gleich ordentlich ab mit dem rockenden ,Born In Chicago‘. Richtig scharf kommt auch der Elmore-James-Shuffle ,Shake Your Money-Maker‘. Und auch ,Blues With A Feeling‘ von Little Walter wird hier authentisch interpretiert; beeindruckend sind die fetten Harp-Klänge von Bandleader Butterfield. Und spätestens bei dieser Nummer fragt man sich, wer diese scharfen Bottleneck-Licks spielt? Michael (auch Mike) Bloomfield (1943-1981) war kurz vor Beginn der Aufnahmen zur Band gestoßen. Laut den originalen LP-Liner-Notes spielt er ausdrücklich „Slide Guitar“. Doch Michael drückt auch schnelle Singlenote-Linien ab, knackige Bendings und Double Stops, wie im swingenden Instrumental ,Thank You Mr. Poobah‘ und in der schnellen Version von Muddy Waters ,I Got My Mojo Working‘.
Nicht zu überhören ist in Bloomfields Spiel, etwa im treibenden Instrumental ,Screamin‘, seine Rock-&-RollEnergie – durchaus ähnlich der von Texas-Blues-Man Johnny Winter. In alten Live-Mitschnitten der Band sieht man Bloomfield meist mit einer blonden Fender Telecaster mit RosewoodGriffbrett. Bekannter ist er für seine 1959er Gibson Les Paul Standard Sunburst. Diese legendäre Gitarre gehörte ursprünglich dem renommierten Gitarrentechniker und -bauer Dan Erlewine.
Bloomfield tauschte sie 1967 gegen eine 1954er Les Paul plus 100 Dollar ein und löste so – neben anderen – den anhaltenden Hype um 59er Gibsons aus. Verstärkt hat er vermutlich mit Fender-Amps wie dem Twin Reverb und Super Reverb. Rhythmusgitarrist Elvin Bishop (*1942) bestätigte in einem Interview mit dem Vintage Guitar Magazine (Februar 2009), dass Bloomfield auf dem Debüt-Album eine Telecaster gespielt hat. Bishop selber ist bekannt für seine semiakustische rote 1959er Gibson ES-345, die er „Red Dog“ nennt. Auch Elvin dürfte seine legendäre Gitarre mit Fender-Röhrenverstärkern dieser Zeit betrieben haben. Bishop lernte seine Blues-Chops von Smokey Smothers, dem Gitarristen hinter Blues-Gigant Howlin’ Wolf.
Apropos: Die Butterfield-Rhythmusabteilung mit Jerome Arnold (Bass) und Sam Lay (Drums) hatte vorher mit Wolf gespielt. Und dass in der Butterfield Band nun weiße und schwarze Musiker zusammenspielten, war die Ausnahme in einem Land, in dem die Bürgerrechtsbewegung mit ihrem Sprecher Martin Luther King Mitte der 60er-Jahre gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit gegenüber Afroamerikanern kämpfte. Aber auch in musikalischer Hinsicht war Butterfield ein Vorreiter.
Sein Sextett präsentierte einen sehr spezifischen BluesBand-Sound – Vocals, Harp und Lead-Gitarre im Wechsel vor einem dichten Gefüge aus Orgel/Klavier, Gitarre, Bass und Drums – der den Weg ebnen sollte für The Fabulous Thunderbirds, Roomful Of Blues oder auch rockigere Acts wie die J. Geils Band. 1966 lieferten Butterfield und Band mit ,East-West‘ ein weiteres ambitioniertes Album ab, in dem Chicago Blues auf Einflüsse aus Jazz und Fernost trafen, und teilweise atmeten die Stücke den Zeitgeist mit kleineren psychedelischen Ausbrüchen und einem Hang zur Improvisation. Die Musiker eroberten neues Terrain, was sich auch in einigen angezerrten Gitarren-Sounds zeigte. Auf dem ‘67er Opus ,The Resurrection Of Pigboy Crabshaw‘ fuhr der Blues-Train in Richtung Soul-City und Funk-Town. Satte Bläsersätze verfeinerten Songs, wie das großartige ,Driftin‘ And Driftin‘ und den Klassiker ,Born Under A Bad Sign‘. Michael Bloomfield hatte die Band bereits verlassen, und Elvin Bishop dürfte Fans und Kritiker mit seinen energetischen wie gefühlvollen Qualitäten als Lead-Gitarrist überrascht haben. Der Blues der Paul-ButterfieldBand war stets stark von seinen Gitarristen geprägt. Und der Chef sollte immer wieder interessante Talente präsentieren, wie auf ,Keep On Moving‘ (1969) den 21jährigen Buzzy Feiten.
Der spätere Studio-Profi Feiten ist heute bekannter als Gitarrentechniker und für das von ihm entwickelte „Buzz Feiten Tuning System“. Fazit: ein expressiver Frontmann plus wechselnde Begleit-Band, in der sich gute Gitarristen die Türklinke in die Hände gaben? Das dürfte dem ein oder anderen bekannt vorkommen. Paul Butterfields Blues Band war eben das amerikanische Pendant zu John Mayall‘s Blues Breakers aus London. Und vielleicht kommt ,The Paul Butterfield Blues Band‘ für die USA eine ähnliche Schlüsselposition zu wie, John Mayalls Blues Breakers With Eric Clapton‘ (1966). Denn beide Alben demonstrierten einem jungen weißen Publikum, wie mitreißend moderner elektrifizierter Blues klingen kann. Und der strahlt 50 Jahre später immer noch inspirierende Energie aus.