Mit Anfang 20 legen die Gebrüder D‘Addario bereits ihr drittes Studioalbum vor, begeistern damit gleichermaßen Kritiker wie Kollegen und lassen die wilden 70er aufleben – als Männer noch spindeldürr waren, schrilles Make-up trugen und mehr Affären als Unterhosen hatten. Willkommen zu ‚Songs For The General Public‘, dessen Titel natürlich pures Understatement ist, wie im Interview mit Brian D‘Addario klar wird.
(Bild: Matthias Mineur)
interview
Brian, im Gegensatz zu seinen Vorgängern handelt es sich bei ‚Songs For The General Public‘ nicht um ein ausgewiesenes Konzeptalbum. Wie kommt‘s?
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Na ja, nur weil wir einmal in diese Richtung gegangen sind, müssen wir das nicht jedes Mal tun. Als wir unser zweites Album angingen, hat sich das einfach so ergeben. Aber wir hatten schon damals Stücke, die nicht in ein Konzept gepasst haben. Und dieses Album ist wieder ganz anders. Wir haben etwa ein Jahr daran gearbeitet, ehe wir erkannten, worum es hier geht und wie es klingen würde. Wir haben dann einfach die Songs ausgewählt, die am besten zum Titel zu passen schienen, auf den wir uns diesmal im Vorfeld der Albumproduktion geeinigt hatten.
Also alle, die ein breites Publikum anzusprechen schienen?
Ganz genau. Wir hatten über 60 Songideen zur Auswahl. Darunter zehn für ein Projekt namens ‚Brian‘s In Love‘, dann zehn weitere, die ein gutes Soloalbum für meinen Bruder abgeben würden, aber auch viel Kram, den wir gemeinsam verwenden konnten, und auf den wir auch noch beim nächsten Mal zurückgreifen können. Insofern sind wir in der glücklichen Lage, dass wir weit im Voraus wissen, was wir als nächstes machen. Und wir schreiben ständig neue Sachen. Das kommt dann noch dazu.
Gibt es Unterschiede zwischen einem Brian- und einem Michael-Song? Lassen sie sich auch für Außenstehende nachvollziehen?
Also für mich gibt es da schon Unterschiede, wobei ich allerdings nicht weiß, ob sie für jeden offensichtlich sind. Prinzipiell ist es zunächst einmal so, dass Michael all seine Stücke singt – genau wie ich meine. Und ich schätze, Leute, die uns ständig hören, erkennen da einen Unterschied. Ich weiß allerdings nicht, wie deutlich er auf diesem Album ist. Denn als wir die Stücke ausgewählt haben, ging es uns in erster Linie um solche, die zu uns beiden passen. Also im Großen und Ganzen ist es ein sehr einheitlich klingendes Album, bei dem sich unsere Geschmäcker sehr annähern und das stilistisch alles abdeckt. In dem Sinne, dass da etliche Songs mit Synthesizern sind, aber natürlich auch einige richtig heftige.
(Bild: 4AD)
Als Kinder der 90er: Wie kommt es, dass ihr geradezu besessen von den 70er-Jahren zu sein scheint? Worin besteht für euch die Faszination?
Was ich an den 70ern am meisten schätze, ist der Klang der damaligen Studios. Aber auch die Synthesizer und andere Instrumente, die ja nie verschwunden sind. Das sind Sachen, die einen großen Einfluss auf uns haben und die auch für das Melodische in unseren Stücken sorgen. Also nett klingende Akkorde und Melodien, die zu der Zeit extrem erfolgreich waren, und nach wie vor präsent sind. In den 90ern lag mehr Gewicht auf R&B oder heftigem Grunge, aber in den frühen 2000ern haben Rufus Wainwright, Fiona Apple oder Elliot Smith, die diese Ära definiert haben, das melodische Songwriting neu aufgegriffen. Von daher ist das, was wir machen, nichts wirklich Neues.
Die 70er erleben gerade ein Revival durch Leute, die erkennen, dass Vintage-Technik mehr Herz und Seele hat als ein Computer.
Ja, das ist die Technik, für die wir uns entschieden haben – und die Vorgehensweise bzw. der Prozess, den wir mögen. Wir lieben es, mit alten Bandmaschinen aufzunehmen und erst ganz spät in dem Prozedere auf einen Computer zurückzugreifen. Wir sehen keine Notwendigkeit, unsere Platten wie die heutigen Rock-Alben klingen zu lassen. Zumal ich gar nicht weiß, ob es überhaupt noch welche gibt. (lacht)
Hast du je versucht, mit modernem Equipment zu arbeiten?
Was meine eigene Musik außerhalb der Lemon Twigs betrifft, habe ich durchaus schon auf Drumcomputer zurückgegriffen. Was aber eher dafür sorgt, dass das Ganze mehr nach den 80ern als nach heute klingt. Aber egal, ob ich Drumcomputer verwende oder nicht: Ich arbeite weiterhin mit alten Bandmaschinen und setze alles daran, dass das Schlagzeug möglichst kraftvoll klingt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich je mit dem warm werde, was heute als hip gilt. Aus dem einfachen Grund, dass wir nichts Hintergrund: Shutterstock / John Vectororvich machen wollen, was zu populär wäre.
Einen Teil der Songs habt ihr in den Electric Lady Studios aufgenommen. Ist der Geist von Hendrix noch präsent? Habt ihr ihn gespürt?
Und ob! Ich bin jetzt er! Er hat all seine Energie auf mich übertragen. (lacht) Aber im Ernst: Wir waren da nur drei oder vier Tage – weil wir uns gar nicht mehr leisten konnten. Die Hälfte der Tracks haben wir im Sonora Recorders Studio von unserem Kumpel Jonathan Rado aufgenommen. Den Rest zu Hause, wo auch die Overdubs entstanden sind. Anschließend haben wir alles zu Electric Lady gebracht und es dort durch das alte Mischpult und die Hallmaschinen laufen lassen. All die Effekte, die sie so haben.
Und wir haben noch ein Stück aufgenommen, das wir allerdings in letzter Minute durch eine Version aus unserem Kellerstudio ersetzt haben. Das ist so spät passiert, dass die Plattenfirma längst Hörproben an die Medien geschickt hatte. Aber wir dachten uns halt: „Lass es uns genauso machen, wie wir es wollen, selbst wenn das Label wenig begeistert ist.“ Es ging um den Song ‚Fight‘, den wir noch mal zu Hause aufgenommen haben – obwohl die Electric-Lady-Version nicht schlecht war. Aber: Sie hatte ein Saxofon. Kann sein, dass sie einigen Leuten besser gefällt als die ohne – uns aber nicht.
Welche Gitarren und welches Gear verwendet ihr auf dem Album?
Für ‚The One‘ hatte ich einen Fender-Amp, einen Super Sonic. In den habe ich meine schwarze 77er-Stratocaster eingestöpselt, die ich auf den meisten Songs verwendet habe – wenn auch oft durch einen Vox AC30. Das war mein Setup für dieses Album. Mein Bruder hat dagegen vor allem Gibson-Gitarren gespielt. Eine davon gehörte Jonathan Rado, der uns beim Produzieren geholfen hat. Er hatte diese verrückte Gibson, die aus einem alten Tisch gefertigt wurde. Also aus einem Stück Holz, das früher mal ein Tisch war und einen wirklich heftigen Sound hatte. Leider wurde ihm das Teil vor kurzem gestohlen, was eine Schande ist. Aber das ist es, was Michael verwendet hat.
Also spielt ihr mit dem klanglichen Gegensatz zwischen einer Fender und einer Gibson – das eher Raue, Ungeschliffene vs. das Cleanere, Saubere?
Ich schätze schon. Meine Songs basieren definitiv meist auf einem cleaneren Gitarren-Sound als seine.
Als Gitarristen: Inwieweit ergänzt ihr euch mit eurem Spiel bzw. worin unterscheidet ihr euch?
Wir sind schon sehr gegensätzlich. Ich meine, jedes Mal, wenn Michael etwas braucht, das etwas komplizierter ist, wendet er sich für gewöhnlich an mich. Gleichzeitig könnte ich aber niemals Stücke wie ‚Leather Together‘ mit dem richtigen Feeling rüberbringen. Einfach, weil das nicht mein Stil und meine Art von Songs sind. Ich will jetzt nicht sagen, dass er da amateurhaft vorgeht, denn er ist ziemlich gut an der Gitarre. Sehr geschickt. Aber: Ich bin eine andere Art von Spieler.
Er betont in Interviews, dass du auch der bessere von euch beiden wärest. Stimmt das?
Sagen wir es so: Ich kann nicht einfach so losrocken, wie er. Ich bin da etwas kopflastiger. Der Vergleich, den ich da gerne bemühe, ist: Hätte Eric Clapton auf einem Album der Ramones spielen können? Also selbst, wenn er technisch noch so beschlagen ist? Die Antwort ist ganz klar nein – er würde da wahrscheinlich einen sehr schlechten Job leisten. Und so ginge es auch mir, wenn ich mich an einem von Michaels Songs versuchen würde.
Wer sind deine persönlichen Gitarren-Helden?
Als Jugendlicher war ich großer Zappa-Fan – gerade was sein Gitarrenspiel betrifft. Dasselbe gilt für Pete Townshend und natürlich für Jimi Hendrix. Auch Dave Davies ist toll. Genau wie Richard Thompson, der wahrscheinlich mein absoluter Lieblingsgitarrist ist.
Eine interessante Kombination.
Ja, und Richard ist unglaublich filigran und ausdrucksstark. Keiner spielt wie er! Ich mag auch Robert Fripp – zumindest auf einigen seiner Alben, wenngleich er nicht mein Favorit ist. Aber es lässt sich halt nicht leugnen, dass er über einen einzigartigen Stil verfügt. Ich höre halt nicht so viel Kram von ihm.
Genauso wenig wie von Pat Metheny. Aber ich habe ihn durch ein Mitglied unserer Band kennengelernt – durch Daryl Johns, der Schlagzeug auf ‚Only A Fool‘ spielt und auf unserer letzten Tournee als Bassist dabei war. Er hat der gesamten Band viel über Jazz beigebracht. Zusammen mit unserem damaligen Drummer Andres. Und ich habe definitiv versucht ein bisschen Metheny in unseren Song ‚Only A Fool‘ einzubringen – in den Harmonien. Aber ich kann ihn halt nicht als meinen großen Helden oder irgendetwas in der Art bezeichnen, selbst wenn er einen gewissen Einfluss auf dieses Album hatte.
(Bild: 4AD)
All die Gitarristen, die du gerade erwähnt hast, haben einen eigenwilligen Sound und Stil. Ist das etwas, das dir wichtig ist und das du auch für dich anstrebst: Einzigartigkeit?
Ich schätze schon. Ich meine, ich habe nicht damit gerechnet, dass ich auf unserem jüngsten Live-Album so viel Gitarre spielen würde, wie es dann der Fall war. Aber als wir das letzte Mal getourt sind waren da halt so viele Lücken, die sich prima für Improvisationen und Soli eigneten. Da ich mich auf der Bühne ein bisschen gelangweilt habe, fing ich an, mehr und mehr zu spielen. Aber ich war nie sonderlich scharf darauf, ein Solo nach dem anderen anzustimmen. Und das tue ich auch nicht. Auf dem neuen Album sind ebenfalls nicht sonderlich viele Gitarrensoli vertreten. Ich bin viel interessierter daran, zu arrangieren, Klavier zu spielen und am Klavier zu schreiben. Aber live ist immer eine Menge Platz, den man einfach irgendwie ausfüllen möchte.
Eine große Verlockung?
Definitiv! Gerade bei einem Album wie diesem, das von Anfang bis Ende wie eine Explosion von Klängen angelegt ist. Also ich sehe ‚Songs For The General Public‘ als ein sehr energetisches Album. Und in Zukunft wollen wir da etwas mehr Platz lassen und etwas offener sein. Das ist es, worüber wir reden. Wir wollen nicht, dass es immer so dicht und komprimiert ist, denn beim letzten Mal war es ja so, dass wir alles, was wir nicht mit zwei Gitarren und Synthesizern erledigen konnten, mit Streichern und Bläsern ausgefüllt haben. Von daher ist das ein permanentes Problem: Wir tendieren dazu, wirklich alles auszufüllen. Bis in den letzten Winkel.
Also,ich finde die gute alte analoge Technik auch viel „lebendiger“ als heutige Digital Technik,die im Nachhinein irgendwie immer „künstlich“ und „steril“ klingt!
D‘Addario Gitarrensaiten sind teilweise ganz gut,jedoch bevorzuge ich persönlich lieber die Saiten von Elixier,die spielen sich bedeutend besser!
Also,ich finde die gute alte analoge Technik auch viel „lebendiger“ als heutige Digital Technik,die im Nachhinein irgendwie immer „künstlich“ und „steril“ klingt!
D‘Addario Gitarrensaiten sind teilweise ganz gut,jedoch bevorzuge ich persönlich lieber die Saiten von Elixier,die spielen sich bedeutend besser!