THE KING IS GONE

Ein Meisterwerk: B.B. KING IN LONDON (1971)

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Als ,In London‘ erschien, war der legendäre Blues-Gitarrist & Sänger B.B. King 46 Jahre alt und hatte bereits eine großartige Karriere hinter sich: Gestartet hatte er als Live-Musiker, spielte ab 1949 diverse Singles ein und trotzte dem aufkommenden Rock & Roll mit urbanem Blues für ein überwiegend dunkelhäutiges Publikum.

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Weit über 20 Longplayer-Alben plus diverse Compilations hatte er alleine seit 1957 veröffentlicht, darunter Klassiker wie ,Live At The Regal‘ (1965) und ,Live In Cook County Jail‘ (1971), als sich ein neuer Weg andeutete: Neben der Konkurrenz vom weißen Rock & Roll und der Rock-Szene der 60er-Jahre, raubte ihm auch die Bürgerrechtsbewegung viele Fans: Junge Afroamerikaner wollten keinen „Blues unterdrückter Sklaven“ mehr hören, sie konvertierten zu Funk, Soul und anderer Black Music. Dafür kamen immer mehr weiße Kids zu den BluesKonzerten, nicht zuletzt angeregt durch ein paar prominente Fans aus England: Eric Clapton, John Mayall, die Rolling Stones, Them, Jimi Hendrix, Brian Auger u.a. hatten im London der späten 60er-Jahre Begeisterung für die afroamerikanische Musik ausgelöst.

In dieser Zeit der Distanzierung und Annäherung gleichermaßen, tat B.B. King genau das, was seine Musik immer am Leben gehalten hatte: Er suchte die Begegnung mit anderen Künstlern, nutzte den Crossover-Effekt, wenn er neben Ike & Tina Turner bei der US-Tournee der Rolling Stones im Vorprogramm auftrat. In der Zeit chartete sein Song ,The Thrill Is Gone‘ und angeblich war King der erste Blues-Künstler, der zu TV-Highlights wie der Tonight Show und der Ed Sullivan Show eingeladen wurde. 1970 entstand das Album ,Indianola Mississippi Seeds‘ in Zusammenarbeit mit den weißen Künstlern – und alleine schon die Wiederholung solcher Kategorien zeigt uns, wie alltäglich die Rassen-Trennung und -Diskriminierung damals noch war – Carole King und Leon Russell.

1971 folgte dann ein ebenfalls großer Schritt, nämlich über den Atlantik nach London, mitten in das Blues-begeisterte Großbritannien. In Zusammenhang mit den verschiedenen hochkarätigen Line-Ups dieses Albums von Studiound Gastmusikern zu sprechen, wäre untertrieben, denn B.B. King traf hier mit ein paar echten Stars zusammen, die mit ihm eine sagenhafte Spielfreude entwickelten: Ringo Starr (dr), Gary Wright (p), Jim Keltner (dr), Peter Green (g), Klaus Voorman (b), David Spinozza (g), Steve Marriott (harp), der fette Bläsersatz von Jim Price, Ollie Mitchell, Chuck Findley, Bobby Keys und Bill Perkins, Alexis Korner an der akustischen Gitarre, Dr. John alias Mac Rebenack ebenfalls an der Gitarre und The Mystery Shadow an der Hammond-Orgel – hinter diesem Pseudonym verbarg sich, vermutlich aus vertragsrechtlichen Gründen, Steve Winwood.

Musikalisch war King hier ganz tief eingebettet in ein leicht verhalltes Ganzes, bei einigen wenigen Songs ist mir seine Stimme vielleicht einen Tick zu weit hinten. Aber spätestens bei Track 5, dem Album-Highlight ,Ghetto Woman‘, mit seinen abgedrehten Streichern, der funky Rhythmusgitarre von Mac Rebenack und dem ausdrucksstarken Gesang von Mr. King, hat man verstanden, dass hier großes Phil-Spector-Kino auf den zeitgenössischen Blues angewandt wurde. Die Nummer schaffte es als Single bis auf Platz 25 der US-R&B-Charts. Schade nur, dass Kings finales Solo ganz schnell einem Fade-out zum Opfer fällt.

https://www.youtube.com/watch?v=1_zE97iVKto

In der folgenden Instrumental-Nummer ,Wet Hayshark‘ fallen dann sein übercleaner Ton und sein sehr spröder rhythmischer Ansatz auf – absolut eigenwillig! ,Part-Time Love‘ zeigt den König dann wieder in bekannter Form: souverän im Text, perfekt fett solierend und das vor einer sauber swingenden Band. ,Alexis Boogie‘ mit King & Korner an den Akustikgitarren geht da wieder in eine ganz andere, für B.B. eher ungewöhnliche Richtung, genau wie das sehr soulige ,Ain’t Nobody Home‘ oder der minimalistische Ur-Funk ,We Can’t Agree‘ mit einer überragenden Bass-Arbeit von Klaus Voorman.

Fazit: Kein Album für Puristen oder Dogmatiker, denn ,In London‘ hatten es B.B. King & Mitarbeiter auf ein zeitgeistiges Klangbild des Blues in Progress angelegt. Das ist ihnen gelungen. Begegnungen blieben auch in den folgenden Jahren das Salz in der Blues-Suppe: B.B. King traf später bekanntlich noch The Crusaders, U2 und Eric Clapton, Gary Moore lud diverse Ikonen als Album-Gäste und damit in die Pop-Charts ein, was ihnen späte Karriere-Hochs verschaffte, Muddy Waters arbeitete mit Johnny Winter zusammen und Johnny Winter auf seiner letzten Platte noch einmal mit ganz vielen alten und jungen Gitarrengrößen. Der Blues lebt weiter.

B.B. Kings Turnarounds sind legendär! Peter Fischer erklärt in seinem Blues-Workshop, wie diese Licks funktionieren!

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wieder einmal ein sehr interessanter Artikel über den King of Blues.

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  2. Stimmt! Die Scheibe ist ein Meilenstein in der Welt des Pop/Blues! Unbedingt hören!!!!

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  3. Die Studiosession wurde übrigens auch von BBC auf Filmmaterial aufgezeichnet. Die Dokumentation nennt sich “Sounding Out” und ist unbedingt zu empfehlen. Leider kann ich mittlerweile in der Schweiz die Doku nicht mehr anschauen (aus rechtlichen Gründen). Hier wären aber zwei Links. Vielleicht habt ihr ja mehr Rechte 😉
    https://youtu.be/mqUhdBAJfsk
    http://www.bbc.co.uk/programmes/p01lz43x/episodes/guide

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