Der unglaubliche Mr. Smith heißt im wahren Leben Martin Schmidt, ist Bandleader, Journalist, Buchautor, Gitarrenlehrer, Plattenproduzent, Booker und Gitarrist – ohne Frage ein Allrounder, der seinen Job beherrscht und liebt. Mit seiner Band The Razorblades, einem Trio zwischen Rock, Jazz, Surf und dem Rest der Welt kann er schon mal gewaltig Druck machen. Seit 20 Jahren sind sie in ganz Europa und den USA unterwegs und haben mittlerweile zwölf Alben veröffentlicht.
Als The Incredible Mr. Smith hat Martin bisher erst zwei CDs produziert. Jetzt ist er mit ,Elvis, Robert & Lou‘ zurück, einem Tribute-Album an seine frühesten musikalischen Einflüsse, mit neun sehr eigenen Versionen alter Klassiker von Elvis Presley, Robert Smith & The Cure und Lou Reed und seiner Band The Velvet Underground. Martin Schmidt macht aus deren Songs Instrumentals, stilistisch irgendwo zwischen Jazz, Surf, Country und Rock der 50er- und 60er-Jahre angesiedelt.
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Seine drei eigenen Kompositionen fügen sich da nahtlos ein, obwohl z. B. das wunderbare ,Streets Of New York‘ von einem Live-Video des genialen Jazz-Grenzgängers Bill Frisell inspiriert wurde. Und das finale ,Whistlin’ My Tune‘ trägt wirklich so viel an verschiedensten Einflüssen zusammen, dass man sich über diese organische Melange nur wundern kann. Aber wenn Mr. Smith eines ist, dann stilsicher, und das selbst bei solch gewagten Mixturen. Dieser Musiker hat ein Gefühl für instrumentale E-Gitarrenmusik, wirkt absolut authentisch und kompatibel für jede Zeitreise zurück in die große Zeit von Dick Dale, Elvis, Robert und V.U..
LEBEN
Martin Schmidt wurde 1970 geboren, und sein musikbegeisterter Cousin versorgte ihn schon früh mit selbst zusammengestellten Mixtapes. „Eine meiner ersten Platten war dann ,Let There Be Rock‘ von AC/DC, die mir meine Oma gekauft hat“, erzählt Martin. „Mit 12 Jahren bekam ich zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt und fing an klassischen Unterricht zu nehmen, und mit 15 kaufte ich mir dann für 50 DM meine erste E-Gitarre und entdeckte Powerchords und Distortion.“
Es folgten Punk-Bands, Indie-Rock & Co., bis bei einem SupportJob für die Kölner 60s-Band Fenton Weills zum ersten Mal SurfSounds in sein Leben traten. Er war beeindruckt. The Velvet Underground, Jefferson Airplane, Hüsker Dü, Dinosaur Jr., The Allman Brothers Band, Jeff Beck und Jimi Hendrix blieben Inspirationen, aber Martin entdeckte auch den Jazz, studierte von 1991 bis ’96 an der Frankfurter Musikwerkstatt, lernte BeBop, Wes Montgomery, George Benson und Miles Davis kennen – und ging weiter. Er spielte Blues-Rock im Stil von Stevie Ray Vaughan und startete 1997 sein eigenes Instrumentalprojekt: The Incredible Mr. Smith. „Nachdem ich im Jahr 2000 Dave Wronski und seine Band Slacktone gehört hatte, verliebte ich mich total in Surf-Musik und interessierte mich immer mehr für 60s-Sachen“, erzählt Martin.
Und das klingende Ergebnis dieser Begeisterung für die zeitlose Musik von vorgestern war das 2002 erschienene Album ,The Incredible Strange Sounds Of Mr. Smith‘. „2006 habe ich meinen Lieblings-Drummer und Freund Dusty Watson, der u. a. mit Dick Dale, Agent Orange, The Supersuckers und Slacktone spielte, überredet, nach Deutschland zu kommen und mit mir ,Adventures In The Land Of Twang‘ aufzunehmen.“ Diese zweite CD erschien 2007 und bekam weltweit gute Kritiken. „Von allen Alben, die ich gemacht habe, gefällt mir das am besten“, erzählt Martin. „Keine Kompromisse und viele verschiedene Styles – so mag ich das!“ 2007 erschien auch sein erstes Buch ‚Surf Beat‘, eine Enzyklopädie der Surf-Musik. Martin Schmidt hatte seinen Weg gefunden.
ALBUM
Es hat dann offensichtlich noch ein paar Jahre gebraucht, genau gesagt 15, bis The Incredible Mr. Smith mit Album Nr. 3 am Start war. An ,Elvis, Robert & Lou‘ sind mit Bassist Tony Scherr (bekannt von Bill Frisell und John Scofield) und Drummer Tony Mason (der u. a. mit Norah Jones und Charlie Hunter arbeitete) zwei bekannte Amerikaner beteiligt.
„Über ein Interview mit dem Gitarristen Luca Benedetti (er spielt ein Solo auf dem Album-Track ,Red Squirrel Blues‘) bin ich auf diese Musiker gestoßen. Sie spielten auf Lucas Album ,We’ll Get There‘ und das war genau, was ich mir vorgestellt hatte. Er stellte den Kontakt her und nach einigen E-Mails standen die zwei in Brooklyn im Studio Grand Street Recording und nahmen meine Songs auf.“
Martin Schmidt hatte Tony Scherr und Tony Mason vorab Demo-Files der Songs, mit fertigen Arrangements plus Leadsheets geschickt, und im Studio spielten die beiden Musiker dann zur Gitarrenspur. Dabei konnte Mr. Smith via Zoom während der Aufnahmen live mit dem Studio und Tony & Tony kommunizieren. Nach zwei Aufnahmetagen waren die zwölf Tracks im Kasten – anschließend begann die Arbeit in Wiesbaden: Seine Gitarren nahm Martin dann neu auf, um so auch mit der Rhythmusgruppe interagieren zu können. Die Kosten für die Produktion waren zum Teil von einem Stipendium des Landes Hessen abgedeckt.
SONGS
Was für ein Album! Los geht’s mit ,Love Me Tender‘, aber so hat man die Elvis-Nummer noch nie gehört, mit dezent dreckiger, grinsender Lead-Gitarre, die irgendwo zwischen Country und Surf ihren Weg findet, um dann auch mal kurz bluesig oder nach Django Reinhardt zu klingen. Der The-Cure-Klassiker ,Just Like Heaven‘ bleibt auch hier eine pathetische Hymne. ,A Forest‘, die erste Cure-Single von 1980, klingt dagegen eigenwillig traurig und transportiert dank ausgefeilter Gitarren-Arrangements eine ganz eigene, bedrückte Stimmung – und landet plötzlich in einem Dub-Groove mit Tiefbass und viel Delay, um im Finale noch kurz an Roxy-Music-Monumentalismus zu erinnern, bevor es zum abgespeckten Thema zurückgeht.
Aber dann: Velvet Undergrounds ‚Femme Fatale‘ ohne Nico – aber man sieht sie, hört sie, fühlt sie. Und die Umsetzung der schönen Melodie in fast jazzige Sphären mit warmen Chords, über denen dann eine Lead-Gitarre rockt – absolut gelungen. Auch der zweite V.U.-Klassiker überrascht: ,I’m Waiting For The Man‘ groovt dezent speedig und perlt mit schönen Licks und Double-Stops vom Thema in ein countryeskes Solo, so als hätte Lou Reed in Nashville auf seinen Budweiser-Dealer gewartet – und nicht in New York auf Heroin.
,Blue Moon‘, 1933 von Richard Rodgers & Lorenz Hart komponiert, ist ein Schlager, der sich stilübergreifend zum Evergreen und Jazz-Standard entwickelte und der hier eher werktreu interpretiert wird, genau wie ,Are You Lonesome Tonight‘, immer mit fast cleaner Gitarre, feinem Reverb, polterndem Schlagzeug und dumpfem, fühlbarem Bass. ,Peace In The Valley‘, ursprünglich für die Gospel-Sängerin Mahalia Jackson geschrieben, wurde 1957 während Elvis Presleys Auftritt in der Ed Sullivan Show zu einem politischen Statement, weil Presley das Lied den 250.000 Menschen widmete, die nach dem Einmarsch der Sowjetunion aus Ungarn geflohen waren und um Spenden bat.
Und dann noch mal The Cure: ,Friday I’m In Love‘ – hier erkennt man ganz klar, dass dieser Song des darken Herrn Smith eigentlich ein Country-Hit ist – zumindest in der Version des grinsenden Herrn Schmidt. Und der ist ein Musiker, den man gehört haben sollte. Ein sympathischer Macher.
Equipment
GITARREN
● Framus 07121 Atlantik 6
● LSL Ben Bone SFG Pearl Bigsby
● LSL T Bone Tele
(Bild: Lothar Trampert)
AMPS
● Fender Deluxe 1962
● Fender Pro Reverb 1967
(Bild: Lothar Trampert)
PEDALE
● Lovepedal Les Lius
● Catalinbread Belle Epoch
● Catalinbread Belle Epoch Deluxe
● Fulltone Supa Trem Jr.
● Fulltone OCD
● Z Vex Distortron
● Reuss Muzzbomb