Im Interview

The Bros. Landreth: Kanadische Melancholie

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(Bild: Birthday Cake / Josh Dookhie)

Mit ihrem eindringlichen Americana-Rock begeistern die Brüder Joey und David Landreth nicht nur in der kanadischen Heimat, sondern zunehmend auch international. Ihre Musik spiegelt gleichermaßen eine große innere Tiefe und die Weite der Provinz Manitoba wider. Das aktuelle Album ,’87‘ ist wirklich ein besonderes Song- und Sound-Erlebnis − nicht zuletzt Dank Slide-Gitarrist Joey Landreth. Ganz große Kunst!

Auf ,’87‘ präsentieren Joey und David am Bass mit weiterer Gitarre und Drums eingängige Nummern, die mal an Bruce Springsteen oder wie in ,Good Love‘ sogar an Bryan Adams erinnern. Doch im Gegensatz zu solchen Mainstream-Schwergewichten spielen die Blues-, Soul- und Country-Wurzeln stets eine größere Rolle. Typisch sind die zugleich klare wie rauchige Stimme von Joey und die mehrstimmigen Vocals.

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Im Mittelpunkt des Geschehens steht Joey mit seinem Bottleneck-Spiel. Und es klingt großartig, wie er auf der Gitarre intoniert und phrasiert. Dieses geradezu behutsame Annähern an einen Ton, oder das Einblenden per Volume-Poti klingen unglaublich spannend. Am Ende sind es aber vor allem die Songs, die begeistern.

Bevor die Brüder endlich eine gemeinsame Band gründeten, waren sie jeweils als Live-Musiker mit anderen Acts unterwegs. Irgendwann rief Joey seinen Bruder an und sagte zu ihm: „Wenn ich wieder zu Hause bin, lass uns zusammen etwas Musik machen.“ Hieraus entwickelte sich 2013 das Debüt ,Let It Lie‘. Zwei Jahre später erschien das Album auch in den USA und es folgten internationale Tourneen.

Die Band legte eine Pause ein, in der Joey Landreth die Soloalben ,Whiskey‘ und ,Hindsight‘ veröffentlichte. Schließlich gingen die Brüder 2019 wieder gemeinsam ins Studio und veröffentlichten ,’87‘. Im November war man in Deutschland auf Tour – mit Curtis Nowosad (dr) und Liam Duncan (kb, voc). Und beim Konzert in Köln konnte man erleben, wie die Songs noch mehr Tiefe entfalteten und dabei von der Atmosphäre her dezent an so unterschiedliche Musiker wie Jeff Buckley und Jeff Beck erinnerten. Grooves bauten sich behutsam auf, Gitarren-Licks schwebten geradezu in der Luft oder es ging mit knackigen Riffs in den Süden der USA.

Zwischendrin immer wieder berührende Ansagen und Geschichten zu den einzelnen Nummern. Und wenn dann die Drums Pause hatten und Keyboarder Liam gemeinsam mit Dave und Joey vorne am Gesangsmikro stand, rückt – nur von der Gitarre begleitet – der dreistimmige Gesang so richtig in den Vordergrund. Sicher, das könnte dem ein oder anderen zu viele Country- und Folk-Wurzeln sein, wurde aber an diesem Abend vom überwiegend jungen Publikum richtig abgefeiert.

Vor dem Auftritt haben wir den 32-jährigen Joey Landreth zum Interview getroffen.

Beim Soundcheck: Joey Landreth ...
...und Bruder Dave mit Duesenberg Starplayer Bass

Wie sieht die Musikszene in Winnipeg, Manitoba aus?

Das ist ein einzigartiger Ort, eine Stadt mit ca. 758.000 Menschen. Sie liegt mitten in der Prärie, es ist alles sehr flach. Da sind wirklich keine anderen großen Städte für Tausende von Kilometern in jede Richtung. Toronto ist die nächste in Richtung Osten und 2400 Kilometer entfernt. Und die nächste große Stadt ist Calgary mit 1600 Kilometern Entfernung. Winnipeg ist also sehr auf sich selbst gestellt, auch was die Kunstszene betrifft. Es gab schon immer eine sehr lebendige Musikgemeinde.

Wie sind die Songs von ,’87‘ entstanden?

Mein Bruder und ich haben auf dieser Platte mit einigen Leuten zusammengearbeitet. Die meisten Stücke entwickeln sich aus Ideen von Dave oder mir. Normalerweise bringt einer einen halbfertigen Song mit und der andere hilft dabei ihn fertigzustellen. Wir neigen dazu, sehr zielstrebig zu arbeiten. Der Prozess läuft so ab: wir schreiben den Song mit Akustikgitarren, nehmen ihn mit dem Handy auf, notieren den Ablauf und gehen damit ins Studio.

Wie habt ihr die Songs dann aufgenommen?

Wir haben die Backingtracks zusammen eingespielt und dann einige Overdubs gemacht. D. h. Drums, Bass und viele der Rhythmusgitarren des Albums sind live entstanden.

Joey, wann hast du mit dem Gitarrespielen angefangen?

Mit acht Jahren. Ursprünglich habe ich Klavier gespielt. Ich hatte Ärger mit meinem Lehrer und wollte keine Stunden mehr nehmen. Mein Vater sagte damals, ich solle ihn besuchen – meine Eltern haben sich scheiden lassen als ich fünf war – damit er mir Gitarrenunterricht geben könne. Die Gitarrenstunden entwickelten sich zu einem Extratag mit meinem Vater, die meiste Zeit waren wir bei unserer Mutter. So habe ich angefangen mit der Gitarre und ich verliebte mich in das Instrument. Ich glaube die erste Sache die er mir gezeigt hat, war ein E-Shuffle.

Und welche Musik hast du damals gehört?

Meine Eltern hatten beide einen sehr vielseitigen Musikgeschmack. Wir hörten Steely Dan, Little Feat, Ry Cooder oder auch Mariah Carey und Céline Dion. Meine Eltern hörten einfach was ihnen gefiel. Es gab auch viel Blues, Jazz und Pop und mein Vater hörte viel Rap.

Wie kamst du schließlich zur Slide-Gitarre?

Mein Vater liebte Slide Guitar. Er ist ein großer Fan von verschiedenen Spielern. Ich hielt mich davon fern, weil er so gut darin war. Ich habe erst mit 21, 22 Jahren angefangen mit dem Bottleneck zu spielen.

Welche offenen Stimmungen setzt du ein?

Mein Haupt-Tuning ist Open-C, also von den tiefen zu den hohen Saiten C-G-C-E-G-C. Open-C hat die selben Intervalle wie Open-E und Open-D: 1-5-1-3-5-1. Ich habe angefangen in Standardstimmung Slide zu spielen, wechselte zu Open-E, was mir gefiel. Bei einem befreundeten Gitarristen aus Toronto schnappte ich dann Open-C auf. Er kannte es von einem der Nashville-Typen. Da habe ich dann auch auf meinen Hauptgitarren dickere Saiten aufgezogen in den Stärken .019, .022, .026, .042, .052 und .064. Das sind Bariton-Saiten (der Marke Stringjoy, angeschlagen wird mit den Fingern oder einem Tortex-Pick in der Stärke .88) die dann heruntergestimmt werden.

Ich vermute die Saitenlage ist höher als üblich.

Ja, aber ich kann die Saiten noch konventionell greifen.

Du spielst ein Signature-Bottleneck. Was ist daran besonders?

Ich arbeite mit Rock Slide zusammen. Ich mochte ihre Bottlenecks schon immer. Sie haben einige Änderungen an meinem Slide vorgenommen. An der unteren Seite gibt es einen Cutaway, der es dir erlaubt den Finger besser zu bewegen. Und an der Oberseite gibt es eine kleine Kerbe, sodass sich das Slide nach oben hin verjüngt, weshalb es stabiler auf dem Finger sitzt. Und die andere wirklich coole Sache ist, dass das Slide an der Spitze schwerer ist.

Dein Slide gibt‘s in den Materialien Glas, Nickel und Messing. Was bevorzugst du?

Nickel ist cool aber Messing ist mein Favorit.

Bros Landreth(Bild: Arnd Müller)

Wo liegt für dich der Unterschied zwischen den Materialien?

Glas tendiert dazu ein bisschen leiser zu sein. Messing klingt ewas heller. Ich mag irgendwie die Art wie sich das Metall auf den Saiten anfühlt. Meine ersten Slides waren aus Glas und eher zufällig nahm ich irgendwann ein Messing-Slide in die Hand und es fühlte sich irgendwie richtig an.

Dein Bruder und du werden oft gefragt, ob ihr mit US-Slide-Ikone Sonny Landreth verwandt seid. Aber das habt ihr bisher verneint.

Nun, wir haben vor Kurzem herausgefunden, dass wir entfernte Vettern sind. Jemand der ihn kennt sagte uns: ,Meine Schwester hat seinen Familienstammbaum erstellt und ihr Jungs seid da drin.‘ Ich habe ihn nie getroffen, mein Vater aber einige Male. Anscheinend sind wir also mit ihm verwandt, aber ich bin nicht mit ihm aufgewachsen oder so.

Jedenfalls sagst du in einem Interview, dass du von Sonny Landreth beeinflusst bist.

Ich bin ein großer Fan von ihm!

Hast du dich mit seiner Behind-The-Slide-Technik auseinandergesetzt?

Ja, ich habe viele seiner Platten gehört als ich aufgewachsen bin. Wir wurden schon sehr früh auf ihn aufmerksam, weil seine Musik exzellent ist.

Wie funktioniert diese besondere Slide-Technik?

Wenn du den Bottleneck auf die Saiten legst und dahinter die Saiten greifst, bewegst du sie etwas weg vom Slide und dadurch kann man die gegriffenen Saiten hören. So kann man einige zusätzlichen Noten spielen. Wenn du z. B. in einer offenen Dur-Stimmung spielst, so wie ich, und du greifst die Saite, die zu einer großen Terz gestimmt ist, einen Bund hinter dem Slide, bekommst eine kleine Terz und aus dem Dur- wird ein Mollakkord. Du kannst also über alle Saiten rutschen und Akkorde in verschiedener Weise modifizieren.

Ich setzte diese Technik hauptsächlich zusammen mit Wechselanschlag ein. Das bedeutet, ich slide erst einige Noten, schlage danach gegriffen Noten an, slide wieder und so fort. Das hat sich so über die Jahre entwickelt.

Bros Landreth
Gitarren: 12-saitige Duesenberg Double Cat, Collings I-35 und Suhr Classic S Antique (Bild: Arnd Müller)

Gibt es noch andere Behind-The-Slide-Spieler, die dich beeinflusst haben?

Ja, Definitiv. Josh Smith hat mich auf Aubrey Ghent gebracht, einen Sacred Steel Player (gemeint sind Musiker, die in einer Gospel-Tradition stehen, Anm. d. Verf.). Sein Spiel hat vokale Qualitäten. Dann ist da sein Sohn Aubrey Ghent Jr., der auch eine Lap Steel spielt. The Campbell Brothers’ Chuck Campbell ist eine weiterer Sacred Steel Player. Dann sind da noch Ry Cooder, Lowell George und Bonnie Raitt. Schließlich gibt es noch einen großartigen Slide-Spieler aus Toronto Kanada: Kevin Breit. Seine Band heißt ‚The Sisters Euclid‘.

Ich habe ein Video von dir gefunden, in dem du dein Slide-Spiel erläuterst. Und hier ist mir deine fast schon vorsichtige Art der Intonation besonders aufgefallen, die auch an Dereck Trucks erinnerte.

Eine der schönen Dinge am Slide-Spiel ist, dass du die Tonhöhe manipulieren kannst. Das funktioniert auch mit einem Vibratohebel, so wie bei Jeff Beck, aber das ist etwas anderes. Wenn du singst, machst du die ganze Zeit ein Vibrato. Mit dem Bottleneck kannst du das imitieren. Als ich das bei Derek Trucks hörte, hat es mich umgehauen.

Bros Landreth
Joeys Sorokin Goldtop mit Two-Rock-“Classic Reverb Signature“-Amp und -2×12-Cab (Bild: Arnd Müller)

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