Im Interview

The Black Crowes: Wunschlos glücklich

Anzeige
(Bild: Ross Halfin)

Sie haben tatsächlich Wort gehalten: Die Reunion zum 30. Dienstjubiläum von ‚Shake Your Money Maker‘ war weder eine einmalige Angelegenheit, noch haben sich bei den Gebrüdern Robinson wieder unüberwindbare Differenzen eingestellt. Die Konsequenz: ‚Happiness Bastards‘, das neunte Studio-Album der Black Crowes – und eines ihrer besten, weil rockigsten. Grund genug für ein ausführliches Gespräch mit Gitarrist Rich, der sich in seiner Wahlheimat Los Angeles als rundum glücklich präsentiert – zum ersten Mal seit langem…

Interview

Rich, sollten die Black Crowes nicht gerade mit Aerosmith durch die USA touren? Warum wurden die Konzerte abgesagt?

Anzeige

Soviel ich weiß, ist Steven Tyler unglücklich ausgerutscht und hat sich eine Halsverletzung zugezogen, die auch seine Stimmbänder beeinträchtigt – so, dass er Schmerzen beim Singen hat. Etwas in der Art. Er hatte das Problem wohl früher schon einmal und braucht jetzt eine längere Auszeit. Wir werden sehen, was passiert. Das Ding ist nur, dass wir halt auch unsere eigenen Gigs planen müssen.

Es wäre aber bestimmt nicht eure erste Tour mit Tyler & Co., oder?

Nein, lustigerweise war unsere allererste Arena-Tour überhaupt mit Aerosmith. Das war 1990. Und als sie fragten, ob wir sie bei ihren Abschiedsgigs begleiten wollten, hielten wir das für eine nette Geste. Zumal sie immer toll zu uns waren. Sie haben uns immer bestmöglich unterstützt und wir hatten viel Spaß zusammen. Von daher wäre es cool, das noch irgendwie hinzukriegen.

Was ist das für ein Gefühl, dass sich so viele Rock-Helden von der Bühne verabschieden und wir in den letzten Jahren so viele Größen verloren haben? Stirbt das Genre langsam aus?

Es ist das Ende einer Ära, keine Frage. Eine Generation geht, aber es folgt auch eine neue − einfach, weil das immer so war. Diese Musik bedeutet den Menschen extrem viel – und das gilt auch für die heutigen Kids. Ich meine, schaut euch an, wie viele junge Menschen bei den Konzerten der Rolling Stones sind – und wie sie mitgehen. Sie verstehen, was da passiert, und haben keinerlei Berührungsängste. Genau das – also diese Zugänglichkeit und diese Faszination auf Generationen von Fans – ist es, was ich immer toll an der Musik gefunden habe: Dass sie eine solche Strahlkraft besitzt und ihre eigenen Gesetze schreibt.

Klar, versucht auch jeder, Geld damit zu verdienen und wer weiß wie populär zu sein, aber bis in die 80er war das Ganze noch nicht so schrecklich kommerzialisiert. Da wurden Künstler noch dafür gefeiert, dass sie sich von anderen unterschieden haben und etwas Eigenständiges, Originelles hatten. Das war es, was Bands wie Cream, die Stones, Led Zeppelin, die Faces und The Who ausgezeichnet hat – sie haben sich zwar alle beim Blues bedient, aber auf völlig unterschiedliche Weise. Das hat sie so interessant gemacht.

Ist ‚Happiness Bastards‘, das neue Black-Crowes-Album, demnach eine Ode an den Rock‘n‘Roll – an seine Relevanz und Vielfalt?

Absolut. Ich meine, man muss sich nur vor Augen führen, was diese Musik einmal war, bevor der ganze Format-Radio-Mist begann. Da liefen Jimi Hendrix und Joni Mitchell beim selben Sender wie Sly Stone oder wer auch immer. All diese Sachen passten unter denselben musikalischen Regenschirm namens Rock‘n‘Roll. Und alle, die daran beteiligt waren, haben sich entweder bei Blues, Gospel, R&B, Country, Spirituals oder Folk bedient. Es war extrem vielseitig, es passierten so viele Sachen gleichzeitig und du hattest Künstler, die ein gigantisches Spektrum abgedeckt haben. Deshalb war die Musik dieser Zeit so spannend. Ich finde, das ist eine Tradition, an die man unbedingt wieder anknüpfen muss.

Stammt das Akustische, was wir auf dem Album hören, von deiner neuen Signature-Martin, der Appalachian?

Oh, ja – sie kommt auf dem gesamten Album zum Einsatz. Der Name stammt übrigens von der Band meines Vaters. Er war in den späten 50ern, als er ungefähr 18 war, ein ziemlich bekannter Sänger, der in der Alan Freed Show und beim American Bandstand aufgetreten ist. Er hatte einen großen und mehrere kleine Hits, ehe er sich stilistisch komplett verändert hat. Er ist vom Rock‘n‘Roll in Richtung Dylan gewechselt und gründete ein Folk-Duo namens The Appalachians. Das waren er und sein Buddy Tony. Sie sind mehrfach im Ryman in Nashville aufgetreten, haben sich im sogenannten Folk-Zirkel bewegt und sind im Grunde kreuz und quer durch die USA gereist.

Doch dann hatte er Chris und mich – und seine Karriere trat mehr in den Hintergrund. Seine beiden Gitarren hatte er immer bei uns im Wohnzimmer – eine Gower, hergestellt von den Gower-Brüdern, und diese Martin, eine D-28 von 1954. Irgendwann hat Dad sie mir geschenkt und ich habe sie im Studio benutzt, als wir ‚Shake Your Money Maker‘ aufgenommen haben. Auf ihr habe ich z.B. ‚She Talks To Angels‘ gespielt. Dad ist 2013 gestorben und deswegen haben wir diese Signature-Serie als eine Art Tribut an ihn gestartet. Wir haben Martin Guitars angesprochen und sie waren sofort Feuer und Flamme. Ich finde, sie haben sich da wahnsinnige Mühe gegeben und wirklich viel Zeit investiert, um alles genauso hinzukriegen, wie wir es ihnen vorgeschlagen hatten.

Diese Gitarre bedeutet Chris und mir wahnsinnig viel, weil sie uns das gesamte Leben begleitet hat. Sie war schon da, als wir noch gar nicht geboren waren, und als wir jung waren, hat Dad sie immer wieder hervorgeholt und für uns gespielt. Er hat mir auch drei Akkorde beigebracht – aber nicht mehr. Er hatte schlichtweg nicht die Geduld. Er meinte: „Hier sind drei, den Rest musst du selbst rausfinden.“ (lacht) Als er starb, wollte ich etwas, das die Leute an ihn erinnert. Ich wollte sie The Appalachian nennen, weil das Dads Duo war.

(Bild: Ross Halfin)

Dann lass uns über deine Gitarrensammlung reden: Wie groß ist sie aktuell und bist du noch der fanatische Sammler, der du mal warst?

(lacht) Das hängt davon ab, was man unter einem fanatischen Sammler versteht. Einige Leute sind wirklich überspannt und zickig. Sie wollen makellose Instrumente, die noch nie gespielt wurden. Und ich habe auch einige davon – wenngleich nur aus Zufall. Denn ich handhabe das eher so: Wenn eine Gitarre gut klingt und sich gut anfühlt, ist es mir vollkommen Schnuppe, ob es nun ein Frankenstein-Modell ist oder nicht; ob sie neu ist oder schon ziemlich ramponiert. Das ist mir egal. Für mich muss sie sich einfach nur gut anfühlen und ich muss eine Beziehung zu ihr aufbauen können.

Wie ihr vielleicht wisst, habe ich 2012 etwa 70 Gitarren während Hurrikan Sandy verloren. Sie waren in einem Lagerraum in Brooklyn und wurden alle zerstört. Es war ein Drama. Ich musste mir dann eine vollkommen neue Sammlung aufbauen, habe dafür aber eine Menge großartigen Kram gefunden. Zum Beispiel eine 335 mit PAF-Pickups von 1961, die umwerfend ist. Außerdem eine ‘62er 335 mit PAFs, die scheinbar jahrzehntelang bei irgendjemandem unterm Bett gelegen haben muss. Sie ist wie neu und hat nicht einen einzigen Riss. Der Hammer.

Dann habe ich noch diese ‘59er Gibson Les Paul Junior. Als ich sie erhalten habe, dachte ich erst, das müsse ein Scherz sein: Sie war so sauber, als ob sie noch nie benutzt worden wäre. Weshalb ich dachte: „Unmöglich, dass sie von 1959 sein soll.“ Ich habe sie von einem Typen aus Seattle, bei dem ich schon viele Gitarren gekauft habe. Er meinte im Vorfeld: „Das ist die sauberste Gitarre, die ich je gesehen habe“ – was ich allerdings nicht ernst genommen habe. Doch als sie eintraf, sah sie tatsächlich brandneu aus. Eben ohne einen einzigen Kratzer. Also bin ich zu meinem Techniker und meinte: „Schau dir das mal an. Das kann nicht sein – da will mich jemand auf den Arm nehmen.“ Also hat er die Pickups und alles andere geprüft und meinte dann: „Das ist kein Witz – sie ist einfach so clean wie eine neue Gitarre.“

Zu meinen aktuellen Lieblingsgitarren zählt eine 1956er Les Paul Special in TV Yellow mit zwei P90s. Ein Wahnsinnsteil. Dann habe ich noch eine coole ‘64er Rickenbacker Rose Morris. Sie erinnert an die Modelle von Pete Townshend. Die letzte, die mir jetzt einfällt, ist eine ‘67er Telecaster, die ebenfalls super klingt. Es ist also einiges, was ich da seit 2013 zusammengetragen habe. Und auf Tour habe ich derzeit 36 Gitarren am Start.

Im Sinne von: Es ist viel – aber nicht Joe Bonamassa?

Nicht mal ansatzweise. (lacht)

Weil das reines Horten ist?

Das könnte man so bezeichnen. Ich selbst habe noch zwischen 50 und 70 weitere Gitarren, die allesamt eingelagert sind. Insofern sind es etwa einhundert Gitarren. Aber: Sie sind alle anders. Jede von ihnen hat einen anderen Sound, jede ist auf ihre Art einmalig. Und jede klingt gut für einen bestimmten Part in einem bestimmten Song. Von daher: Ich nutze sie und behalte sie auch. Wir haben halt Songs, bei denen ich denke, dass sie nach einer Tele, einer 335 oder einer Les Paul verlangen. Andere wiederum sind prädestiniert für eine Gretsch.

Soll heißen: All diese Töne und Texturen, die mir diese Gitarren liefern, sind wichtig für mich. Und Klang im Allgemeinen war schon immer der entscheidende Faktor – weil er mich dahingehend inspiriert, weiter zu schreiben. Höre ich einen tollen Klang, löst er etwas in mir aus – er inspiriert und motiviert mich.

Dann ist eine gute Gitarre mehr als nur ein Werkzeug?

Ganz genau – das ist es, was ich damit sagen wollte.

Die Preise, die aktuell für Vintage-Gitarren aufgerufen werden, sorgen für eine lebhafte Diskussion darüber, ob neue, moderne Modelle wirklich schlechter klingen bzw. man den Unterschied zwischen beiden tatsächlich hört. Wie stehst du dazu?

Ich finde, die Custom Shops von Fender, Gibson, Gretsch und Martin bauen einfach unglaublich gute Instrumente. Ich habe mir vor einigen Jahren eine Telecaster anfertigen lassen, die schlichtweg grandios ist. Das gilt auch für diese White Falcon, die mir Steve Stern gebaut hat – ebenfalls ein fantastisches Teil. Die am besten klingendste Gretsch, die ich je hatte. Aber: Eine 1956er Les Paul Special hat natürlich auch etwas für sich.

Nur: Ich bin kein Snob was Vintage-Gitarren betrifft. In dem Sinne, dass ich sie für das Nonplusultra halte. Eddie Harsch, unser alter Keyboarder, hat immer gesagt: „Wenn du in ein Fachgeschäft für Steinway-Klaviere gehst, sind vielleicht zwei von 20 herausragend. Abhängig davon, wie der Typ, der sie gebaut hat, sich an dem speziellen Tag gefühlt hat oder was sonst noch ein Faktor für kleinere Schwächen sein könnte.“ Soll heißen: Einige von ihnen können wirklich außergewöhnlich gut sein, aber das ganz Besondere haben nur zwei unter 20.

Das gilt ja auch für Vintage-Gitarren: Es sind längst nicht alle toll.

Exakt. Ich hatte zum Beispiel mal einen Typen, der mir Duane Allmans legendäre Gold Top verkaufen wollte – und das war ein Haufen Scheiße (lacht). Sie muss fast 50 Kilo gewogen haben und klang absolut grausam. Ich habe dem Anbieter das natürlich nicht so ins Gesicht gesagt. Meine Formulierung war: „Gott, das ist ja eine seltsame Gitarre – sie ist wahnsinnig schwer, lässt sich nicht so leicht spielen und ist irgendwie merkwürdig.“ Aber für Duane – und das ist der springende Punkt – muss sie wohl wahnsinnig gut geklungen haben. Insofern: Wer liegt richtig – und wer falsch. Es ist eine sehr persönliche Sache. Aber ich wollte sie definitiv nicht kaufen. (lacht)

Um zum Ende zu kommen: Neben dem neuen Album habt ihr auch eine Deutschland-Tour für Mai/Juni angekündigt. Was erwartet uns diesmal?

Nun, wir werden alte wie neue Songs spielen. Dazu ein paar Covers und sonstige Überraschungen. Wir werden die Band richtig hochfahren und es wird eine grandiose Rock‘n‘Roll-Show. So viel ist sicher. Noch viel wichtiger: Wir werden richtig lange spielen… Eine Menge Kram. Kommt und schaut es euch an! (lacht)

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2024)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.